(ots) - Der Renditeanstieg am Markt der
Eurozone-Staatsanleihen, der in den vergangenen Handelstagen zu
beobachten gewesen ist, hat im Handel wieder einmal die Frage
aufgeworfen, ob das nun die Bodenbildung ist und damit der Schritt
zur Zinswende eingeleitet ist oder ob es sich wieder um einen dieser
kurzlebigen Ausbruchsversuche nach oben handelt. Vieles spricht für
Letzteres, und die Anleger sind wieder einmal gut beraten, Ruhe zu
bewahren, sich von dieser Marktentwicklung nicht ins Bockshorn jagen
zu lassen und sich die dahinterstehenden Faktoren einmal etwas
genauer anzusehen.
Ausgelöst wurde der Sprung der Renditen nach oben - die
zehnjährige Bundrendite bewegte sich vom Minusbereich wieder ins Plus
- zum einen durch Äußerungen von Eric Rosengreen, Präsident der Fed
von Boston und stimmberechtigtes Fed-Mitglied, der vor einem zu
langen Warten bei dem nächsten Zinsschritt der Fed warnte. Derartige
Äußerungen haben schon so manches Mal für Renditeaufwärtsbewegungen
gesorgt. Sicherlich ist seine diesbezügliche Einschätzung korrekt,
man sollte sich aber vor Augen führen, dass wichtige
US-Konjunkturdaten - wie etwa der Arbeitsmarkt oder die
Einkaufsmanagerindizes - zuletzt enttäuscht haben. Das spricht dafür,
dass die Fed im September erneut abwartet, was die Renditen eher
wieder nach unten befördert.
Zum anderen wurde der Renditeaufwärtstrieb auch durch die
Europäische Zentralbank (EZB) ausgelöst. Mario Draghi und Co.
entschieden sich bei der jüngsten Sitzung geradeaus zu fahren und
beschlossen keine weiteren Lockerungsmaßnahmen, was am Markt mit
etwas Enttäuschung aufgenommen wurde. Die Zinsanalysten aus dem Hause
der Commerzbank weisen zu Recht auf ein wichtiges Detail hin, das am
Markt von dem einen oder anderen vielleicht übersehen wurde. So stieg
(!) die Prognose für die Kerninflation für 2017 auf 1,3 Prozent. Dies
lege den Schluss nahe, dass die nächsten Lockerungsschritte zum
Jahresende anstehen sollten, da dieses Ziel leicht unterschritten
werden könnte. Aus dieser Sicht sollten sich Marktakteure also eher
auf niedrigere Renditen einstellen.
Angetrieben wurde die Aufwärtsbewegung der Bondrenditen auch durch
Spekulationen, dass die Bank of Japan an einer steileren Kurve der
japanischen Renditen interessiert sein und deshalb beschließen
könnte, weniger langlaufende Anleihen zu kaufen und verstärkt in
kurzfristige Papiere des japanischen Staates zu investieren und damit
am kurzen Ende die Sätze noch tiefer ins Minus zu drücken. Die Bank
of Japan tagt in der neuen Woche. Auch hier sollte man abwarten und
zunächst Ruhe bewahren.
Was am Markt allerdings etwas untergegangen ist, sind die
Umschichtungen einiger größerer Hedgefonds. Sie hatten lange Zeit
darauf gesetzt, dass sich der Renditeabstand (Spread, zum Beispiel im
zehnjährigen Laufzeitenbereich) zwischen den USA und der Eurozone
ausweitet (höhere Renditen in den USA wegen Spekulationen auf einen
näher rückenden US-Zinsschritt und niedrigere Bondrenditen in der
Eurozone wegen des QE der EZB), und hatten sich deshalb mit
langlaufenden Bundesanleihen eingedeckt. Infolge erst mal
ausgebliebener Lockerungsmaßnahmen der EZB und der Erwartung, dass
sich der US-Zinsschritt wieder verschiebt, wurde diese Erwartung
wiederum gedreht. Hedgefonds gingen von höheren Bundrenditen und
niedrigeren US-Renditen aus und schichteten um. Das sorgte für
Verkäufe in Bundesanleihen.
Hinzu kam ein spezieller Faktor am Eurozonen-Markt. Die Spreads
der Peripheriebonds kamen immer näher an die Kernländer heran, und
bei einzelnen Laufzeiten gab es nicht genügend Nachfrage. Auch hier
wurden Verkäufe gesehen, die die Renditen nach oben drückten.
Wo steht der Markt aktuell, speziell die Bundesanleihen? Bis
Donnerstag der abgelaufenen Woche war die zehnjährige Bundrendite
noch im positiven Bereich, wenn auch nur knapp. Die Grenze von
positiv zu negativ konnte also bei knapp unter zehn Jahren Laufzeit
gezogen werden. Damit war der Markt in etwa auf dem Niveau
angekommen, das er am 9. Juni - rund zwei Wochen vor dem Brexit-Votum
Großbritanniens - hatte. Doch am Freitag hat sich der Kursanstieg am
europäischen Rentenmarkt fortgesetzt; die zehnjährige Bundrendite ist
wieder in den Minusbereich abgerutscht. Bis auf minus 0,02 Prozent
ging es herunter. Der Markt hat die Aufwärtsbewegung der Renditen
praktisch ausgeglichen. Das Tief am 9. September war bei minus 0,05
Prozent. Sollte die Fed abermals stillhalten und sich am Markt die
Einschätzung verfestigen, dass die EZB noch in diesem Jahr beim QE
nachlegt, steht tieferen Sätzen nichts im Weg.
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