(ots) - Der Nahrungsmittelkonzern Unilever darf
die bekannten wissenschaftlichen Hinweise auf Risiken seines
Cholesterinsenkers Becel pro.activ weiterhin leugnen. Wie am
Donnerstag bekannt wurde, lehnte der Bundesgerichtshof einen Antrag
der Verbraucherorganisation foodwatch auf Revision gegen ein
entsprechendes Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts ohne
Begründung ab (Az BGH VI ZR 528/15). Weil unverändert erhebliche
Zweifel an der Sicherheit der Margarine bestehen, forderte foodwatch
die Europäische Kommission erneut auf, Becel pro.activ die Zulassung
als Lebensmittel zu entziehen.
Der presserechtliche Streit drehte sich um die von Unilever
verbreitete Aussage, der zufolge es "aus wissenschaftlicher Sicht ...
keinen Hinweis" auf Nebenwirkungen gebe. Tatsächlich legt jedoch eine
ganze Reihe von Studien nahe, dass die in hoher Konzentration der
Margarine zugesetzten Pflanzensterine das verursachen könnten, was
sie eigentlich verhindern sollen: Ablagerungen in den Gefäßen und
damit ein erhöhtes Risiko auf Herzkrankheiten. Vor Gericht wurde die
Aussage Unilevers jedoch nicht als "Tatsachenbehauptung", sondern als
bloße "Meinungsäußerung" eingestuft, die einer faktischen Überprüfung
nicht standhalten muss.
Da das Presserecht offensichtlich nicht ausreiche, um die
Verbraucherinnen und Verbraucher vor gefährlichen Falschaussagen zu
schützen, forderte foodwatch erneut ein Eingreifen des Gesetzgebers.
"Unilever darf weiterhin die Meinung verbreiten, dass es keinen
Hinweis auf Nebenwirkungen von Becel pro.activ gibt, obwohl dies
nachweislich falsch ist", erklärte der stellvertretende
foodwatch-Geschäftsführer Matthias Wolfschmidt. "Die Leidtragenden
sind die Verbraucherinnen und Verbraucher: Sie bleiben vor
Gesundheitsrisiken ungeschützt und müssen auch noch irreführende
Aussagen über die Sicherheit eines zweifelhaften Produkts hinnehmen.
Die Europäische Kommission muss Becel pro.activ im Sinne des
vorsorgenden Gesundheitsschutzes vom Markt nehmen."
Fakt ist: Unilever kann weder den gesundheitlichen Nutzen noch die
Sicherheit von Becel pro.activ belegen. Die französische
Lebensmittelsicherheitsbehörde ANSES betonte 2014, dass jeder Beweis
dafür fehle, dass Lebensmittel mit zugesetzten Pflanzensterinen (wie
die Unilever-Margarine) tatsächlich Herzkrankheiten vorbeugen. Das
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte bereits 2008 betont,
dass der Verzehr von Lebensmitteln mit zugesetzten Pflanzensterinen
von gesunden Menschen ohne Cholesterinproblem "ausdrücklich vermieden
werden sollte" und dies mit möglichen Gesundheitsrisiken begründet.
Dennoch hatte Unilever unter Verwendung von Zitaten eines
Wissenschaftlers im Jahr 2011 behauptet, dass es "aus
wissenschaftlicher Sicht ... keinen Hinweis" auf Nebenwirkungen gebe.
foodwatch klagte daraufhin unter Berufung auf das Presserecht
gegen die weitere Verbreitung dieser Aussage. Am 1. September 2015
wies das Hanseatische Oberlandesgericht die Klage ab (Az 7 U 7/13).
Es stufte die Unilever-Aussage - wie im Jahr 2012 das Landgericht
Hamburg in erster Instanz - als reine "Meinungsäußerung" ein und
erklärte sie damit für zulässig, ohne sie auf ihren Wahrheitsgehalt
zu überprüfen. Gegen diese Entscheidung legte foodwatch beim
Bundesgerichtshof Beschwerde ein und beantragte die Zulassung eines
Revisionsverfahrens. Nach der Ablehnung des BGH hat nun das Hamburger
Urteil Bestand.
Die Europäische Kommission hatte auf Betreiben Unilevers im Jahr
2000 "gelben Streichfetten mit Phytosterinzusatz" wie Becel pro.activ
die Zulassung als sogenanntes "neuartiges Lebensmittel" (novel food)
erteilt und dabei auch auf ihre Sicherheit überprüft. In der
europäischen Novel-Food-Verordnung heißt es: Neuartige Lebensmittel
"dürfen keine Gefahr für die Verbraucher darstellen" (EU VO 258/97,
Art. 3 Abs. 1). Zum Zeitpunkt der Zulassung lagen die heute
bekannten, kritischen Studien allerdings noch gar nicht vor. Das
Ergebnis der Sicherheitsprüfung ist 15 Jahre alt und bildet nicht den
heutigen Stand der Wissenschaft ab.
Matthias Wolfschmidt von foodwatch: "Falls Nutzen und Sicherheit
irgendwann einmal belegt werden können, sollte Unilever für Becel
pro.activ eine arzneimittelrechtliche Zulassung beantragen - im für
jedermann zugänglichen Supermarktregal hat ein solcher
Cholesterinsenker nichts verloren."
Links:
- Informationen zu Becel pro.activ:
http://tinyurl.com/becelproactiv
- E-Mail-Aktion an Unilever: www.aktion-becel.foodwatch.de
Redaktionelle Hinweise:
- Übersicht über die wissenschaftlichen Hinweise zu Nebenwirkungen
von Becel pro.activ: http://tinyurl.com/studien-pflanzensterine
- Fragen & Antworten zu Becel pro.activ und zum Prozess:
http://tinyurl.com/faq-becelproactiv
- Bildmaterial unter www.foodwatch.de/material-abgespeist
Pressekontakt:
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Martin Rücker
E-Mail: presse(at)foodwatch.de
Tel.: +49 (0)30 / 24 04 76 - 290
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