(ots) -
Sonntag, 16. Oktober 2016, 00.00 Uhr
Precht - Geld regiert die Welt
Richard David Precht im Gespräch mit Prof. Marcel Fratzscher, Chef
"Deutsches Institut für Wirtschaftsförderung" (DIW)
Politik oder Wirtschaft: Wer hat eigentlich die Macht? Darüber
spricht Richard Precht mit Marcel Fratzscher, dem Chef des Deutschen
Instituts für Wirtschaftsforschung. Finanzkrisen, Bankenrettungen,
Steuerflucht und Megafusionen - Die Politik ist zunehmend damit
überfordert, die Auswüchse und Verfehlungen der Wirtschaft in den
Griff zu bekommen. Aber ist das auch ihre Aufgabe?
Die Anforderungen der Globalisierung und das Aufblühen des
Neoliberalismus wirken wie die Vertreibung aus dem Paradies der
Sozialen Markwirtschaft. Während die Wirtschaft sich in Stellung
bringt, taumelt die Politik zwischen Anspruch und Wirklichkeit, so
Richard David Precht. Über Macht und Ohnmacht der Politik, über die
Absurditäten einer heiß gelaufenen Finanzwelt, über Moral und Unmoral
diskutiert er mit Prof. Marcel Fatzscher, dem Chef des "Deutschen
Instituts für Wirtschaftsforschung" (DIW), einem der renommiertesten
und streitbarsten Ökonomen in der Bundesrepublik.
Schon immer waren sich die Ökonomen uneins, wie viel Steuerung die
Wirtschaft braucht. Die großen Schulen Neoliberalismus und
Keynesianismus etwa stehen sich unvereinbar gegenüber. Während die
einen unbeirrt an den selbstregulierenden Markt glauben, fürchten
andere, dass der Wettbewerb sich selbst abzuschaffen droht, wie es
Karl Marx einst prophezeite. Schon heute machen in Deutschland ein
Prozent der Unternehmen 65 Prozent des Umsatzes, betreiben
Megakonzerne wie Amazon, Google, Starbucks oder Ikea trickreiche
Steuervermeidung am Rande der Legalität. Devisenspekulationen und
Hedgefonds sind längst als eindeutiges Übel der Finanzwirtschaft
identifiziert, doch die dringend überfällige globale
Transaktionssteuer etwa will niemand einführen. Irland macht Apple
Steuergeschenke von 13 Milliarden Euro, um den Konzern im Land zu
halten, und in Deutschland wird die Politik wohl bald genötigt sein,
die Deutsche Bank zu retten, meint Precht.
Noch geht es uns allgemein recht gut in Deutschland, sagt Marcel
Fratzscher, doch wenn wir den Anschluss im Freihandel verpassten -
siehe die umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP und CETA - schlössen
die USA solche Abkommen mit China oder Südamerika, und die Deutschen
würden wirtschaftlich das Nachsehen haben. Fratzscher empfiehlt
außerdem große Milliardeninvestitionen in Verkehr und Bildung, damit
der Standort Deutschland attraktiv bleibt und warnt zugleich vor
zunehmender sozialer Ungerechtigkeit. Wie gut oder wie schädlich
bilaterale Absprachen zwischen USA und Europa für die Dritte-Welt-
oder Schwellenländer sind, diese Frage stellt sich weder ein
deutscher Unternehmer noch ein um Konjunktur und Entwicklung
ringender Politiker. Hauptsache, unserer westlichen Welt geht es
weiter gut. Und auch wir Arbeitnehmer und Konsumenten wollen doch
nicht wirklich auf wirtschaftlichen Aufschwung verzichten, so Precht,
um die Dritte Welt voranzubringen.
Regiert tatsächlich das Geld die Welt? Beherrschen uns die Computer
und Technokraten? Wo ist sie, eine Ökonomie, die sich politisch
versteht? Die auf den Interessenskonflikt zwischen Politik, Moral und
Ökonomie schaut? Homo oeconomicus und homo sociologicus - noch nie
erschien es notwendiger, beides zu sein, und noch nie schien beides
weniger vereinbar zu sein als heute.
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