(ots) -
Nach zwei Tagen öffentlicher Anhörung hat das Europäischen
Patentamt in München entschieden: Dem Einspruch von Ärzte der Welt
gegen das Patent auf den Wirkstoff Sofosbuvir wird teilweise
stattgegeben. Der Patentinhaber muss Anpassungen vornehmen, die zu
einer Veränderung des Patents führen werden.
Ärzte der Welt hatte am 10. Februar 2015 den Einspruch auf das
Patent des Pharmazieunternehmens Gilead Sciences vor dem Europäischen
Patentamt eingereicht. "Die heutige Entscheidung zeigt die schwache
Qualität des Patents und beweist, dass eine öffentliche Intervention
in das Patentsystem absolut sinnvoll ist", erklärt François de
Keersmaeker, Direktor von Ärzte der Welt Deutschland. Ein Einspruch
gegen ein Patent ist ein rechtliches Verfahren, mit dem die
Gültigkeit eines Patents in Frage gestellt werden kann. Dies ist
möglich, wenn vermutet wird, dass das patentierte Arzneimittel die
Kriterien für eine Patentierbarkeit, die im Europäischen
Patentübereinkommen (EPÜ) festgelegt sind, nicht erfüllt.
Die Argumente von Gilead Sciences zur Aufrechterhaltung seines
Patents auf Sofosbuvir wurden nicht umfassend vom europäischen
Patentamt angenommen. Das Europäische Patentamt hat entschieden, dass
Gileads Patentantrag zu weit gefasst war. Sofosbuvir ist technisch
gesehen damit eventuell nicht mehr von einem Patent geschützt.
"Die Entscheidung des Europäischen Patentamtes beweist, dass
strengere Patentprüfungen nötig sind, um die öffentliche Gesundheit
zu schützen. Der Schiedsspruch unterstützt den weltweiten Kampf gegen
die gängige Praxis der Pharmaunternehmen, Grundsätze der
Patentierbarkeit von Medikamenten immer weiter auszureizen", umreißt
Tahir Amin vom internationalen Netzwerk IMAK (Initiative For
Medicines, Access and Knowledge) das Problem. Die Firmen würden
Patente nutzen, um ihre dominante Position zu stärken und völlig
überteuerte Medikamente auf den Markt zu bringen. Länder wie China,
die Ukraine und Ägypten hätten das Patent von Gilead bereits
vollständig zurückgewiesen.
In Deutschland wurden die Kosten für eine zwölfwöchige Behandlung
mit dem Hepatitic-C-Medikament Sovaldi auf 42.000 Euro festgesetzt.
"Wie wir jetzt wissen, hat das Pharmaunternehmen ein fehlerhaftes
Patent benutzt, um einen enormen Druck auf die Staaten auszuüben,
überhöhte Preise zu akzeptieren. In vielen Ländern Europas führte
dies dazu, dass zahlreiche an Hepatitis C erkrankte Menschen wegen
der hohen Kosten nicht behandelt werden", so François de Keersmaeker
von Ärzte der Welt Deutschland.
Das Europäische Patentamt hat das Patent jetzt mit Auflagen
aufrechterhalten. Diese Entscheidung ist nicht ausreichend, um die
Krankenversicherungssysteme europaweit zu entlasten. "Die
Entscheidung stärkt aber die Verhandlungsposition der Regierungen in
Europa. Wir erwarten jetzt, dass sie diese nutzen, um den Zugang zu
Medikamenten zu sichern", erklärt François De Keersmaeker. Ein
Rechtsinstrument, das Regierungen sofort anwenden könnten, um eine
Hepatitis-C-Behandlung zu einem angemessenen Preis zu ermöglichen,
ist die Zwangslizenz. Diese bietet die rechtliche Grundlage, um
Generika von patentierten Medikamenten sofort auf den Markt zu
bringen. "Bisher haben die Regierungen erklärt, die Zwangslizenz wäre
ein schwaches rechtliches Werkzeug, obwohl es durch die nationalen
Gesetze und Regeln der Welthandelsorganisation gebilligt wird",
erklärt Olivier Maguet, Kampagnenmanager von Ärzte der Welt
Frankreich. Allein die Androhung einer Zwangslizenz könne
preissenkende Effekte haben.
Neben dem Einspruch vor dem Europäischen Patentamt hat Ärzte der
Welt eine europaweite Kampagne lanciert, um das Problem der
überteuerten Medikamentenpreise in die Öffentlichkeit zu bringen und
die politischen Entscheidungsträger zum Handeln aufzufordern. Mehr
Informationen unter: www.derpreisdeslebens.org
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