(ots) - Beim Bundesfinale JTFP kämpften 39
Schulmannschaften in Schwimmen, Fußball und Leichtathletik um den
Sieg. Ein paar Tage davor kämpften vier deutsche Athletinnen und ein
Athlet bei den Paralympischen Spielen um Gold, Silber und Bronze, die
allesamt schon am Bundesfinale JTFP teilgenommen haben. Für sie war
JTFP ein entscheidender Wettkampf auf dem langen Weg zu den
Paralympics.
Wer nur auf die Platzierungen schaut, ist vielleicht nicht
besonders beeindruckt: Ein sechster Platz im Goalball. Ein achter
Platz über 50 Meter Freistil. Die Ränge zehn und 13 im Weisprung.
Doch hinter den nackten Zahlen steckt viel mehr. Oliver Hörauf, Emely
Telle, Vanessa Braun und Nicole Nicoleitzik können sich nach den
Paralympischen Spielen von Rio de Janeiro zwar nicht als
Medaillengewinner feiern lassen. Vorbilder sind sie trotzdem - für
hunderte, ja tausende Kinder und Jugendliche, die im September oder
in den Jahren zuvor beim Bundesfinale des Wettbewerbs "Jugend
trainiert für Paralympics" (JTFP) in Berlin teilgenommen haben.
Denn die vier Athletinnen und Athleten der Deutschen
Paralympischen Mannschaft sind allesamt schon einmal beim großen
vergleichenden Schulwettbewerb angetreten - und haben daraus Lehren
für ihre weitere, höchst erfolgreiche Karriere gezogen. "JTFP hat mir
auf dem Weg zu den Paralympics sehr geholfen", sagt etwa Vanessa
Braun aus Püttlingen. "Als ich bei den Bundesfinals teilgenommen
habe, hat mir besonders das Gemeinschaftsgefühl gefallen. Jeder hat
jeden bei seinem Wettkampf angefeuert." Die 21 Jahre alte
Leichtathletin wurde 2014 in der Klasse T36 Junioren-Weltmeisterin
über 100 und 200 Meter, zudem globaler Junioren-Champion im Weisprung
2015. In Rio sprang sie 3,98 Meter weit und landete auf dem 13. Rang.
Ãœber 100 Meter schied sie im Vorlauf aus, in der 4x100-Meter Staffel
wurden sie zusammen mit Nicole Nicoleitzik Vierte. Zufrieden?
Irgendwie schon, sagt Vanessa Braun: "Allein durch die Teilnahme an
den Paralympischen Spielen ging für mich ein Traum in Erfüllung.
Natürlich wäre ich gern noch weiter vorn gelandet. Aber ich bin noch
jung und musste die Eindrücke eines solch großen Wettkampfes auch
erst verarbeiten. "Die große, weite Welt des Sports ist dann eben
doch etwas anderes als das Schulfinale von Berlin.
Es sind trotzdem solche Leistungen, die auch die jungen
Sportlerinnen und Sportler beim diesjährigen Bundesfinale in Berlin
angespornt haben dürften. Leichtathletik, Schwimmen und Fußball
standen auf dem Programm; 39 Schulmannschaften mit 369 Schülerinnen
und Schülern mit Behinderung machten die Tage in Berlin wieder zu
einem sportlichen Fest der Begegnung. 110 Lehrer und Trainer sorgten
für die nötige Unterstützung.
Der Schulsportwettbewerb JTFP wurde 2010 vom Deutschen
Behindertensportverband (DBS) ins Leben gerufen und wird seit 2012
gemeinsam mit dem Wettbewerb Jugend trainiert für Olympia unter dem
Dach der Deutschen Schulsportstiftung veranstaltet. Schon seit 2010
fördert die Deutsche Bahn AG die vier Mal im Jahr stattfindenden
Finals. "Dass es vier ehemalige JTFP-Teilnehmer bis zu den
Paralympics in Rio geschafft haben, macht uns natürlich stolz. Es
zeigt, dass wir mit dem Engagement für JTFP genau an der richtigen
Stelle ansetzen: Damit junge Talente bei ihrem ersten großen
Wettkampf wichtige Erfahrungen für den ganz großen Sprung sammeln
können. Als Co Förderer der Deutschen Paralympischen Mannschaft
begleiten wir das Thema Behindertensport darüber hinaus sogar bis in
die Spitze", so Georg van der Vorst, Leiter Sponsoring, Marketing-
und Medienkooperationen der Deutschen Bahn.
Ãœber das Engagement des Hauptsponsors hinaus engagieren sich das
Bundesministerium des Innern und die Sportmetropole Berlin seit 2012
entscheidend für das Fortbestehen dieses Schulsportwettbewerbs. "Wir
wollen mit JTFP nicht nur den Gedanken des Wettkampf- und
Leistungssports in die Schule und zu den Schülerinnen und Schülern
tragen und die Zusammenarbeit Schule-Verein fördern", sagt Lars
Pickardt, der Vorsitzende der Deutschen Behindertensportjugend (DBSJ)
und Vizepräsident des DBS, "sondern eben gerade auch Talente für den
Behindertensport entdecken, die dann für Deutschland bei den
Paralympics an den Start gehen."
Emely Telle ist so ein Beispiel. Noch vor einem Jahr war die
sehbehinderte Schwimmerin vom Berliner Schwimmteam der Star zum
Anfassen beim Bundesfinale JTFP. Rio sei zwar noch ziemlich weit weg,
aber für sie schon ganz nah dran, sagte Emely damals. Nun hat sie
ihren großen Auftritt schon hinter sich. 30,87 Sekunden über 50 Meter
Freistil reichten für den achten Platz nach 31,19 Sekunden im
Vorlauf. "Ich bin bei meiner ersten Paralympics-Teilnahme direkt ins
Finale geschwommen. Darauf bin ich wirklich stolz. Ich freue mich für
meine Freundin Maike Naomi Schnittger, die Silber gewonnen hat. Ein
Platz auf dem Treppchen wäre für mich natürlich ein Traum gewesen -
dafür hat es in diesem Jahr aber nicht gereicht", sagte Telle. Mit
ihren 19 Jahren hat das große Talent die Zukunft noch vor sich und in
der Potsdamerin Schnittger ein geeignetes und befreundetes Vorbild
schon gefunden.
Überhaupt - wer könnte in vier Jahren aus dem Kreis der
diesjährigen Bundessieger von Berlin zur Deutschen Paralympischen
Mannschaft gehören? Pickardt fallen ein paar Namen ein, die das Zeug
haben, Deutschland 2020 in Tokio in Schwimmen und Leichtathletik zu
repräsentieren. "Uns ist es ganz wichtig, dass uns keine Talente
durch die Lappen gehen. Daher arbeiten wir eng mit unseren
Abteilungen und Landesverbänden zusammen, um möglichst frühzeitig
Talente und Potentiale zu erkennen. Hierzu ist das Bundesfinale in
Berlin natürlich aus Leuchtturm absolut unverzichtbar."
Nicole Nikoleitzik ist koordinationsbeeinträchtig und startet wie
Vanessa Braun in der Klasse T38. Sie hat eine besondere Geschichte,
die sie mit JTFP verbindet - vor vier Jahren hielt sie bei der ersten
gemeinsamen Veranstaltung von JTFO und JTFP die Eröffnungsrede in der
Max-Schmeling-Halle in Berlin. Sehr charmant und souverän, wie sich
dabei gewesene erinnern. Die 20 Jahre alte Sprinterin aus Saarlouis
hatte schon 2011 am Bundesfinale teilgenommen. Schon damals sagte
sie, ihr größter Traum sei, ihrer großen Schwester Claudia
nachzueifern und ebenfalls einmal an Paralympischen Spielen
teilzunehmen. Der Traum ist wahr geworden - und wirkt nach: "Ich kann
es immer noch kaum glauben, dass ich in Rio dabei war. Die harte
Arbeit hat sich ausgezahlt. Meine Botschaft an alle Sportler, die
jetzt beim Bundesfinale dabei waren, ist: Strengt euch weiter an. Es
lohnt sich, die Paralympics sind überwältigend." Nicole Nikoleitzik
wurde übrigens an ihrem Geburtstag, dem 1. August, für die
Paralympischen Spiele nominiert.
Erst im nächsten April wird wieder Goalball auf dem JTFP-Programm
stehen. Gemeinsam mit Tischtennis und Rollstuhlbasketball bildet
Goalball den sportlichen Kern des Frühjahrsfinals. Wahrscheinlich
wird Oliver Hörauf dann besonders interessiert an Siegern und
Besiegten sein, denn der 20 Jahre alte Sachse spielte vor zwei Jahren
mit seiner damaligen Schule aus Chemnitz beim JTFP-Finale mit und
belegte den dritten Platz. Der sehbeeinträchtigte Sportler aus
Bautzen ist inzwischen zum Nationalspieler aufgestiegen und hat ein
dramatisches paralympisches Turnier hinter sich. Unglücklich schieden
die Deutschen im Viertelfinale mit 6:7 gegen den späteren
Silbermedaillengewinner USA aus. Platz sechs für Deutschland - es
hätte etwas mehr sein dürfen, findet Hörauf. "Mit der Platzierung
sind wir nicht zufrieden. Aber die Erlebnisse waren trotzdem
großartig", sagte er als stolzes Mitglied der Deutschen
Paralympischen Mannschaft. Vom Bundesfinale JTFP zum Viertelfinale in
Rio in nur zwei Jahren: Das sind Erfolgsgeschichten, die jeden jungen
Sportler motivieren sollten.
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