PresseKat - Gutachter fordern eigen produziertes Programm für das öffentlich-rechtliche Fernsehen der Zukunft

Gutachter fordern eigen produziertes Programm für das öffentlich-rechtliche Fernsehen der Zukunft (AUDIO)

ID: 1409606

(ots) -
Die Professoren Dörr, Holznagel und Picot stellen in Mainz ihr
gemeinsames Gutachten "Legitimation und Auftrag des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Zeiten der Cloud" vor

INTERVIEW MIT PROFESSOR DR. BERND HOLZNAGEL UND PROFESSOR DR.
ARNOLD PICOT

Anmoderation:

Brauchen wir das öffentlich-rechtliche Fernsehen in der Zukunft
noch? In einer Zukunft, in der wir unendlich viele Videos, Filme und
Sendungen aus dem Internet beziehen können? Mit diesen Fragen haben
sich drei Professoren beschäftigt und heute im Rahmen der
ZDF-Fernsehratssitzung in Mainz ihre Ergebnisse vorgelegt. Im
Interview erklären Professor Dr. Bernd Holznagel und Professor Dr.
Arnold Picot, die dieses Gutachten gemeinsam mit ihrem Kollegen
Professor Dr. Dieter Dörr erstellt haben, zu welchen Ergebnissen sie
gekommen sind:

1. Frage: Herr Professor Picot, Video on Demand, Filmabos vom
Onlinedienst, Videos auf Social Media Plattformen, noch nie war die
Fernsehvielfalt so groß wie heute. Stehen wir durch die Möglichkeiten
der Digitalisierung vor der größten Veränderung aller Zeiten? Es hat
in den letzten Jahren schon einige Veränderungen gegeben. Denken Sie
nur an den Ãœbergang von dem terrestrischen zum Kabelfernsehen und
dann auch noch zum Internetfernsehen. Jetzt kommt die nächste Stufe,
das sogenannte Cloud-Fernsehen. Das heißt, dass man alle Arten von
Bewegtbildangeboten, seien sie nun klassische Programme, seien es
Einzelbeiträge, aus der Cloud herunterladen oder herunterziehen kann
und gar keine eigenen Speichermedien dafür braucht. (0:28)

2. Frage: Wie müssen wir uns diese TV-Cloud konkret vorstellen,
Herr Professor Holznagel? Sie müssen sich die Daten in Asien und den
USA anschauen. Dort sind rund 85 Prozent des gesamten Interverkehrs
auf das Video bzw. das Fernsehen gerichtet. Die Ãœbertragung erfolgt




im Netz, im Internet. Das muss auch irgendwo herkommen und muss auch
irgendwo verarbeitet und gespeichert werden. Genau das passiert in
diesen berühmten Clouds. Das sind Rechenzentren, die jetzt überall,
auch in der Bundesrepublik, aufgebaut werden. (0:33)

3. Frage: Ich kann also anschauen was ich will, wo ich will und
wann ich will. Das ist eigentlich doch eine faszinierende Idee? Wenn
man genauer hinschaut sieht man, dazu gibt es auch Studien, dass die
Qualität dessen, was dort angeboten wird, zu einem großen Teil zu
wünschen übrig lässt. Dass man nur noch dasselbe findet, also sehr
viel Ähnliches, vom Niveau nicht immer überzeugende Beiträge. Dass
die Unabhängigkeitsfrage und die Frage der Glaubwürdigkeit der
Informationen, die man findet, noch viel schwerer heute einzuschätzen
ist, als das früher der Fall war. So dass der Auftrag des
öffentlich-rechtlichen Fernsehens darin bestehen kann, eine Art
Vertrauensanker zu sein, wenn jemand wirklich wissen möchte, was
Sache ist, dass man dann darauf zurückgreift. Das ist hier noch
notwendiger, als es früher in der analogen, linearen Programmwelt
noch der Fall war. (0:52)

4. Frage: Welche Vorteile des öffentlich-rechtlichen Fernsehens
haben Sie bei Ihrer Forschungsarbeit im Vergleich zu anderen Systemen
gefunden? Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist nur noch in Europa
stark. In China ist es ein Staatsfernsehen, in den USA ist alles
privatisiert, dort hat jeder Kabelsender eine spezifische Message,
die er verfolgt. FOX macht Trump und NBC macht Hillary Clinton. In
Deutschland hat man noch den Vorteil, dass die Kosten für den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit den 17 Euro extrem günstig sind.
Sie zahlen in den USA über 200 Dollar Kabelnutzungsgebühr. Also ein
günstigeres System zur Verbreitung hochwertiger Videos werden sie
weltweit kaum finden. (0:45)

5. Frage: Vor welchen Herausforderungen stehen die
öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ARD und ZDF in Zeiten von
Cloud-TV? In der Cloud werden sehr viele Bewegtbilder und
Informationen außerhalb des klassischen Fernsehens angeboten, da hat
jeder Zugriff drauf. Jetzt muss das öffentlich-rechtliche Fernsehen
sehen, ob es seinem Auftrag, nämlich die Meinungsbildung in der
Bevölkerung und die kulturelle Information und Bildung
voranzutreiben, ob es das nur durch die klassischen linearen
Programme machen kann oder ob es auch außerhalb dieser Programme in
der Cloud, in der neuen Medienwelt, präsent sein muss. Diese
Herausforderung wird größer sein, weil ein zunehmender Teil der
Zuschauerschaft, insbesondere der jüngeren Zuschauerschaft, zunehmend
auf diesen sogenannten nicht-linearen Teil der Medienangebote
anspringt und immer weniger auf die klassische Programmwelt. (0:50)

6. Frage: Sie unterbreiten in Ihrem Gutachten den
öffentlich-rechtlichen Sendern auch ganz konkrete Vorschläge, was sie
in Zeiten von Cloud-TV verändern müssen. Was für Vorschläge sind das?
Zunächst sollten die Inhalte, die Sie jetzt schon in der Mediathek
finden, länger abrufbar sein, als das heute der Fall ist. Praktisch
stelle ich mir das so vor, dass man nicht nur, wie das heute der Fall
ist, das lineare bestehende Programm mehr oder weniger eins zu eins,
wie es ist, oder eine Auswahl davon ins Netz stellt. Das heißt, es
muss für das Cloud-Fernsehen produziert werden, dass man für diese
nicht-lineare Medienwelt beginnt, ein eigenes Programmkonzept zu
entwickeln. (0:33)

Abmoderation:

Die beiden Professoren Dr. Holznagel und Dr. Picot im
Exklusivinterview. Sie haben heute in Mainz ein Gutachten zum Auftrag
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit dem Titel "Legitimation und
Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Zeiten der Cloud"
vorgestellt.

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Datum: 07.10.2016 - 13:00 Uhr
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