(ots) - Studierende in Deutschland sind
überdurchschnittlich gestresst. Das geht aus einer repräsentativen
Online-Befragung des Lehrstuhls für Marketing der Universität Potsdam
und des Lehrstuhls für Marketing und Business Development der
Universität Hohenheim unter mehr als 18.000 Hochschülern hervor. Die
Untersuchung, die im Auftrag des AOK-Bundesverbandes durchgeführt
wurde und bisher die umfassendste rund um die Belastung von
Studierenden ist, zeigt auch: Weibliche Studierende leiden mehr unter
den Anforderungen als ihre männlichen Kommilitonen, an staatlichen
Universitäten ist man gestresster als an privaten Hochschulen, und
Bachelorstudenten fühlen sich mehr belastet als Studierende anderer
Abschlussarten.
Studienleiterin Prof. Dr. Uta Herbst von der Universität Potsdam
erklärt: "Es ist vor allem der Stress, der durch Zeit- und
Leistungsdruck sowie die Angst vor Ãœberforderung entsteht, was
Studierenden das Leben schwer macht. 53 Prozent geben ein hohes
Stresslevel an, damit rangieren sie sogar vor anderen
Bevölkerungsgruppen." Wie eine vergleichbare Studie aus dem
vergangenen Jahr gezeigt hat, lag der Anteil der in der Arbeitswelt
Beschäftigten mit hohem Stresslevel mit 50 Prozent knapp darunter.
Ein Grund für dieses hohe Belastungsgefühl sieht Studienleiter Prof.
Dr. Markus Voeth von der Universität Hohenheim in den Folgen der so
genannten Bologna-Reform. Im Jahr 1999 hatten sich insgesamt 29
europäische Staaten auf die Schaffung eines einheitlichen
Hochschulraumes verständigt. Dies hatte unter anderem eine stärkere
Reglementierung und eine erhöhte Prüfungsbelastung zur Folge.
In den vorliegenden Befragungsergebnissen macht sich offenbar nun
der Druck, der aus den gestiegenen Anforderungen an den Unis
entsteht, bemerkbar. "An erster Stelle ist es der hochschulbezogene
Stress, der Studierenden zu schaffen macht", sagt Prof. Dr. Voeth.
"Dazu zählen neben Vorbereitungszeiten auf Prüfungen und dem
Anfertigen der Abschlussarbeit die allgemeine Arbeitsbelastung durch
das Studium sowie der Stoffumfang in Lehrveranstaltungen. Viele
Studierende plagen sich auch mit zu hohen Erwartungen an sich
selbst." Weniger ins Gewicht fallen dagegen die bekannten Stressoren
des Alltags wie die Pflege von sozialen Kontakten oder die ständige
Erreichbarkeit durch die modernen Medien. Kommt Stress auf, äußert
sich dieser bei den Betroffenen in unterschiedlicher Form: Am
häufigsten wurden Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten
sowie Lustlosigkeit genannt.
Unterstützungsangebote ausreichend nachgefragt? Wenn es um die
Bewältigung von Stress bei Studierenden geht, ist die Mehrheit -
nämlich 68 Prozent - in der Lage, die Probleme selbst anzugehen. Aber
insgesamt, auch das zeigt die Befragung, verfügen Studierende eher
über eine geringe Stressresilienz. Das heißt, ihre
Widerstandsfähigkeit im Umgang mit der Belastung ist nicht besonders
ausgeprägt. Dazu der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes,
Martin Litsch: "Der Umgang mit Stress vor und in Prüfungssituationen
ist ein wichtiger Lernprozess und gehört daher auch ein stückweit zu
einem Studium dazu. Denn schwierige Situationen und Zeitdruck werden
die jungen Menschen auch in ihrem späteren Berufsleben bestehen
müssen".
Wer es nicht alleine schafft, mit den Belastungen positiv
umzugehen, sollte sich Hilfe organisieren. Der Leiter der
Studienberatung und Psychologischen Beratung der Freien Universität
Berlin, Diplom-Psychologe Hans-Werner Rückert: "Spätestens wenn sich
der Stress negativ auf die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit
auswirkt, ist es höchste Zeit für professionelle Unterstützung und
Beratung." Dazu gibt es zahlreiche, etablierte Angebote: Am
bekanntesten ist die zentrale Studienberatung, die 75 Prozent der
Studierenden kennen und die von einem Viertel aller Studierenden in
Anspruch genommen wurde.
54 Prozent der Studierenden geben an, Kenntnisse über Workshops
und Seminare zum Umgang mit Stress zu haben. Einzelberatungen und vor
allem Aktionstage sind dagegen deutlich weniger bekannt. Hier gibt es
offensichtlich Informationsnachholbedarf. "Work-Life-Balance ist
scheinbar auch ein Thema für Studenten. Denn die Hälfte der
Studierenden wünscht sich den Ausbau von Beratungsangeboten zur
Stressbewältigung durch die Hochschule und externe Organisationen.
Wir verstehen dies als Auftrag, unser spezielles Know-how in Sachen
Umgang mit Stress als Gesundheitskasse auch für diese jungen Menschen
in Ausbildung und Studium zukünftig noch stärker zu platzieren",
betont Litsch.
Ein weiterer Weg, sich vom Hochschulstress zu befreien, könnte
auch die Aufnahme einer Nebenbeschäftigung sein. Studierende mit
Nebenjobs sind im Vergleich zu Hochschülern, die sich ausschließlich
aufs Studium konzentrieren, nicht gestresster. Und so kurios es
klingt: Studierende, die einer Tätigkeit von bis zu 15 Stunden pro
Woche nachgehen, sind sogar weniger gestresst.
Auch interessant sind die regionalen Unterschiede: In
Rheinland-Pfalz sind die Studierenden am entspanntesten, sie weisen
den geringsten Stresslevel auf. In Nordrhein-Westfalen dagegen ist
der höchste zu verzeichnen. Auffällig sind auch die Unterschiede in
den einzelnen Studienfächern. Überaus belastend erwies sich laut
Umfrage das Studium der Veterinärmedizin, während Studierende der
Sportwissenschaften mit Abstand am wenigsten von Stress betroffen
sind.
Die Pressemappe und weitere Informationen zur Pressekonferenz
finden Sie unter www.aok-bv.de.
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