(ots) -
Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei haben jetzt schon
"35 Personen mit türkischen Diplomatenpässen" in Deutschland einen
Asylantrag gestellt - die Zahl umfasst auch die Ehegatten und Kinder
von Diplomaten, die ebenfalls über solche Pässe verfügen. Das
berichten WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung.
Die Zahlen teilte die Bundesregierung jetzt schriftlich mit. Der
Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu (B´90/Die Grünen) hatte
nachgefragt, nachdem WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung berichtet
hatten, dass ein türkischer Militärattaché in Deutschland einen
Asylantrag gestellt hatte. Zudem erklärte die Regierung, dass etwaige
Auslieferungsersuchen der Türkei von den deutschen
Oberlandesgerichten auf der Grundlage des Europäischen
Auslieferungsabkommens entschieden werden würden. Die Bundesregierung
erklärte weiter, dass dabei auch "menschenrechtliche Verpflichtungen"
berücksichtigt werden würden. Nach einer Entscheidung durch die
Gerichte würde dann die Bundesregierung selbst eine weitere
"gründliche Einzelfallprüfung" vornehmen.
Unklar bleibt, ob es bislang bereits offizielle Auslieferungsersuchen
der Türkei gibt - das Bundesinnenministerium teilt dazu nur mit, dass
man sich grundsätzlich nicht dazu äußere. Die Türkei soll jedoch, so
erfuhren es WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung aus türkischen
Sicherheitskreisen, Druck auf die Bundesregierung ausüben. Demnach
habe die Regierung in Ankara klar gemacht, dass sie von Deutschland
erwarte, dass den betroffenen Personen kein Asyl erteilt werde. Auch
die türkische Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi hatte gemeldet, dass
die Türkei von Deutschland in diesem Fall "besondere Sensibilität"
und eine "enge Kooperation" erwarte. Der Bericht der türkischen
Agentur erschien, nachdem WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung darüber
berichtet hatten, dass die Türkei Diplomatenpässe für ungültig
erklärt hat und dass ein ehemaliger türkischer Militärattaché an der
Berliner Botschaft in Deutschland Asyl beantragt hat.
Offenbar ist bislang in keinem Fall über die Asylanträge entschieden
worden. Beobachter des Falles gehen davon aus, dass die
Bundesregierung auch kein besonderes Interesse an einer schnellen
Bearbeitung der Anträge hat. Solange die Asylverfahren laufen,
besteht für die Türken ein Abschiebeschutz. Auch der
Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu, der die Anfrage gestellt hatte,
fordert, die Bundesregierung soll "diese Asylanträge sehr gründlich
prüfen und keine voreiligen Entscheidungen treffen."
Die Asylanträge der ehemaligen Diplomaten und ihrer Angehörigen sind
somit besonders heikel für die Bundesregierung. Eine Gewährung von
Asyl könnte die Beziehungen zum NATO-Verbündeten Türkei erneut
belasten. Die Bundesregierung ist zudem beim Flüchtlingsabkommen mit
der Türkei auf die Kooperation des Landes angewiesen. Andererseits
bestehen in der Bundesregierung aber offenbar Zweifel, dass die
Betroffenen in der Türkei im Falle einer Abschiebung ein
rechtsstaatliches Verfahren und eine Behandlung in Einklang mit den
Menschenrechten erwarten würde. Amnesty International hatte in der
Vergangenheit über glaubhafte Hinweise berichtet, nach denen
Personen, denen eine Beteiligung am Putschversuch vorgeworfen wird,
in der Haft Opfer von Folter, Schlägen und Vergewaltigungen geworden
sind. Die Menschenrechtsorganisation forderte deshalb, dass
unabhängige Beobachter Zugang zu den Gefangenen bekommen.
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