(ots) - Was für ein groteskes Schauspiel! Jahrelang hatten
die französischen Behörden zugelassen, dass sich am Rande der
Hafenstadt Calais am Ärmelkanal eine Flüchtlingsstadt bildete, mit
Tausenden Menschen in Schlamm und Dreck. Gerichtsurteile, wonach der
französische Staat zur Herstellung menschenwürdiger Zustände im
"Dschungel" verpflichtet sei, wurden ignoriert, Helfer wurden
kriminalisiert, der Front National wurde in Calais stärkste Kraft,
die Autobahn zum Hafen wurde zum Kriegsschauplatz. Und nun schauen
Journalisten zu, wie französische Polizisten zerlumpte Afrikaner und
Asiaten in Busse stecken und irgendwo- hin deportieren, ohne
Gewissheit um ihr Schicksal, ohne ihren gewohnten Zusammenhalt, aber
mit neuen Koffern und dem Versprechen, sie dürften Asyl beantragen.
Wenn die Flüchtlinge aus Calais wirklich in Frankreich Asyl
beantragen wollten und könnten, hätten sie das längst getan. Aber
Frankreich hat anders als Deutschland kein Aufnahmesystem für
Geflüchtete, das diesen Namen verdient, sondern lässt sogar in Paris
Flüchtlinge mittellos unter Brücken schlafen. Und anders als in
Großbritannien will in Frankreich auch kaum noch ein dunkelhäutiger
Migrant freiwillig bleiben, in diesem Land des Ausnahmezustands und
der Polizeiwillkür, der Islamophobie und des Rechtsnationalismus, der
Ausländergettos und der Massenarbeitslosigkeit.
Die medial inszenierte Aktion in Calais ist darüber hinaus eine
rein symbolische Maßnahme. Das Schleuserwesen aus Frankreich nach
Großbritannien hat sich den fast unüberwindbaren Kontrollen längst
angepasst. An der Tunneleinfahrt auf Lastwagen springen - das
versuchen nur noch die Verzweifelten, die kein Geld und keine
Kontakte haben. Die meisten werden von den Schleusern quer durch
Frankreich verteilt, bevor sie ein Verkehrsmittel nach England
mitbenutzen. Mitunter Hundert Kilometer legen sie innerhalb
Frankreichs zurück, in komplizierten Absprache- und Vorkassesystemen
mit Akteuren auf beiden Seiten des Kanals. Nun tut ihnen der
französische Staat den Gefallen und verteilt sie selbst.
Es werden also höchstwahrscheinlich nach der Räumung genauso viele
Flüchtlinge aus Frankreich britischen Boden erreichen wie vorher. Man
wird sie bloß nicht mehr sehen. Der Schein stimmt wieder. Die
Menschen sind egal.
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