(ots) - Die EU-Kommission hat ihre Ankündigung wahr gemacht
und Deutschland wegen Verstoßes gegen die Nitrat-Richtlinie vor dem
Europäischen Gerichtshof verklagt. Wie jetzt bekannt wurde, hat
Brüssel bereits am vergangenen Montag (31.10.) die Klageschrift
eingereicht. Bei einer Verurteilung droht Deutschland eine
Milliarden-Strafe und möglicherweise ein Landwirtschaftsverbot auf
besonders belasteten Flächen.
In der Klageschrift, die dem WDR vorliegt, erhebt die
EU-Kommission schwere Vorwürfe gegen die Bundesrepublik Deutschland.
Das über 1500 Seiten lange Schreiben ist in der Sache und im Ton
ungewöhnlich scharf. Spätestens 2012, so die Ankläger, hätten Bund
und Länder die Vorschriften zum Schutz der Gewässer vor zu viel
Nitrat aus der Landwirtschaft verschärfen müssen. Denn schon damals
hätten die von Berlin selbst vorgelegten Daten bewiesen, dass die
geltenden Regelungen unwirksam sind. Die Wasserqualität habe sich
über Jahre hinweg nicht verbessert, sondern tendenziell sogar
verschlechtert. Die entsprechende EU-Richtlinie schreibe für diesen
Fall jedoch zwingend vor, dass die betroffenen Staaten in diesem Fall
ihre Maßnahmen verschärfen müssen.
Die Klageschrift führt zahlreiche Beispiele an, die den
mangelhaften Schutz der Gewässer vor Nitrat in Deutschland belegen
sollen. Nicht selten, so die Autoren, habe die Bundesrepublik
international geltende Bestimmungen verletzt, großzügige Ausnahmen
gewährt und wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert. Unter anderem
kritisiert Brüssel, dass in Deutschland nach wie vor erheblich mehr
Dünger auf die Äcker aufgebracht werden dürfe, als die Pflanzen
überhaupt aufnehmen können. Eine Begründung für diese Regelung konnte
Berlin demnach nicht liefern.
Weiterer Kritikpunkt sind die Sperrzeiten, in denen das Ausbringen
von Gülle verboten ist. In Deutschland betragen sie derzeit nur
maximal drei Monate. Stand der Wissenschaft, so die Kommission seien
jedoch fünf bis sieben Monate Düngepause.
Verärgert ist die EU-Kommission auch darüber, dass sie immer
wieder mit dem Verweis auf eine Reform der geltenden
Dünge-Vorschriften hingehalten wurde. Die seit 2013 mehrfach
angekündigte Novelle der Düngeverordnung ist bis heute nicht
verabschiedet. Mitte Oktober einigte sich die Koalition zwar nach
langem Ringen auf eine Reform. Der nun eingereichten Klage der
EU-Kommission sei damit aber keineswegs der Boden entzogen, erklärt
der agrarpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Wilhelm
Priesmeier, gegenüber dem WDR: "Erst mit Vorlage der neuen
Düngeverordnung und der Novelle des Düngegesetzes können letztendlich
die Kommission und der EUGH prüfen, ob den Vorgaben der
Nitratrichtlinie genüge getan ist oder nicht. Ich befürchte, dass die
jetzt vorliegende Novelle des Düngegesetzes und auch der
Düngeverordnung nicht ausreichend sein wird", so Priesmeier wörtlich.
Sollte die Klage der EU-Kommission erfolgreich sein, droht der
Bundesrepublik eine Strafe in Millionen-, möglicherweise auch in
Milliarden-Höhe. Frankreich wurde bereits wegen Verstoßes gegen die
Nitratrichtlinie verurteilt. Paris verhandelt derzeit mit der
EU-Kommission über die Konsequenzen aus dem Urteil. Im Gespräch ist
unter anderem eine Geldstrafe zwischen einer und drei Milliarden
Euro.
Eine ähnliche Summe könnte auch auf Deutschland zukommen. Darüber
hinaus, so befürchtet SPD-Agrarexperte Priesmeier, könnten
EU-Kommission und EuGH das neue Düngerecht "wieder kassieren" und die
Landwirtschaft in besonders belasteten Gebieten sogar ganz verbieten.
Nitrat kann insbesondere für Säuglinge gefährlich sein. Daher
gelten seit Mitte der 90er Jahre strenge Nitrat-Grenzwerte für das
Grundwasser. Diese werden allerdings unter anderem in Deutschland in
vielen Regionen überschritten. Hauptverursacher ist die
Landwirtschaft durch Überdüngung mit Mist und Gülle.
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