PresseKat - Börsen-Zeitung: Amerika macht rückwärts, Kommentar zur US-Wahl von Claus Döring

Börsen-Zeitung: Amerika macht rückwärts, Kommentar zur US-Wahl von Claus Döring

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(ots) - Noch nie hat der amerikanische Wähler solch
einen politischen No Name zum Präsidenten gewählt wie jetzt Donald
Trump. Ist er wirklich so, wie er sich im Wahlkampf gegeben hat? Will
und wird er tatsächlich all das umsetzen, was er seinen Wählern
versprochen hat? Das sind die offenen Fragen nach dem überraschenden
Wahlausgang, mit dem weder die professionellen Wahlbeobachter noch
die Märkte noch das politische Establishment gerechnet hatten. Denn
schon Trumps Aufstieg zum Kandidaten der Republikaner galt den
meisten Beobachtern als Betriebsunfall. Der Immobilientycoon ist zwar
als Kandidat der Republikaner in den Wahlkampf gezogen, aber er ist
kein Politiker und führender Kopf der Grand Old Party. Die
Republikaner, deren Wurzeln auf Abraham Lincoln und die Abschaffung
der Sklaverei zurückgehen, waren eher das Vehikel, das der Populist
Trump geschickt nutzte, um seinen mit der Marke Trump verknüpften
moralischen Alleinvertretungsanspruch publik und am Ende
mehrheitsfähig zu machen. Die bevorstehende Präsidentschaft Trumps
erinnert an die Mahnung, die schon vor 230 Jahren ein Autor unter dem
Pseudonym Cato angesichts der Machtfülle des amerikanischen
Präsidenten so formulierte: Der Präsident könne zu einem "Caesar,
Caligula, Nero oder Domitian in Amerika" werden.

Dass das Amt den künftigen Präsidenten prägen möge, erscheint nach
den bisherigen Erfahrungen mit Trump als frommer Wunsch. Seine
Ansprache nach dem Wahlsieg ließ jedenfalls noch nicht erkennen, wie
der Unterschied zwischen dem Wahlkämpfer und dem Präsidenten aussehen
könnte. Zwar versuchte er, die Verletzungen des Wahlkampfes etwas zu
heilen, indem er die Leistung Hillary Clintons würdigte und
versicherte, der Präsident aller Amerikaner sein zu wollen. Doch ließ
er keinen Zweifel, dass für ihn all das im Zentrum seiner
Präsidentschaft stehen wird, was er persönlich unter "amerikanischem




Traum" versteht. Ein Traum, in dem die Vergangenheit nostalgisch
verklärt wird. Ein Traum, aus dem viele Amerikaner jäh gerissen
wurden durch das Tempo des technischen Fortschritts und der
Globalisierung.

Alles, was Amerika einst groß gemacht hat, will Trump zurückholen:
qualmende Industrieschlote, sprudelnde Ölquellen und weitgehend
unregulierte Finanzmärkte und Banken. Wer sich wie Trump trotz
eigener Pleiten für einen erfolgreichen Unternehmer hält, wird mit
der versprochenen Senkung der Unternehmenssteuern bei zugleich
wachsenden staatlichen Investitionen und hochschnellender
Staatsverschuldung wenig Probleme haben. Die amerikanische Notenbank
muss es dann richten. Die Fed wird nicht mehr der Geldwertstabilität
und Vollbeschäftigung verpflichtet sein, sondern der Finanzierung des
"America First". Und je erfolgreicher Trump der Welt seine Vision
aufdrückt, desto leichter wird er das amerikanische Haushaltsdefizit
über den Dollar als internationale Leitwährung durch das Ausland
bezahlen lassen können. Wie lange wohl erlaubt Trumps
Selbstverständnis freie Wechselkurse?

Internationale Arbeitsteilung, eine offene Gesellschaft, Schutz
der Umwelt, Toleranz und Solidarität kommen in Trumps Traum nicht
vor. Für viele Freunde Amerikas beginnt ein Albtraum.



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Datum: 09.11.2016 - 20:50 Uhr
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