(ots) - Der NABU warnt davor, sich bei der Bekämpfung der
Vogelgrippe ausschließlich auf Wildvögel zu konzentrieren. "Die
Ursachenforschung zur Ausbreitung der Geflügelpest darf nicht in eine
Sackgasse geraten", sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Während unbestritten sei, dass bei einem akuten Auftreten der
Vogelgrippe unter Wildvögeln die Gefahr bestünde, dass
Hausgeflügelhaltungen durch Wildvögel infiziert werden könnten, hieße
das noch lange nicht, dass andere Infektionswege nicht möglich seien.
"Gerade bei geschlossenen Massentierhaltungen ist ein Vireneintrag
über den weltweiten Geflügelhandel und seine Stoffströme
wahrscheinlicher als eine Infizierung durch Kontakt mit erkrankten
Wildvögeln", so Miller.
Mit Sorge verfolgt der NABU daher die Berichterstattung über die
Ursachenforschung bei der betroffenen Großmastanlage in Grumby in
Schleswig-Holstein. "Dort werden anscheinend ausschließlich mögliche
Kontakte zu Wildvögeln untersucht. Dringend zu untersuchen wäre aber
auch, welche Handelsbeziehungen der Betrieb in der letzten Zeit
hatte, wann und von wo zuletzt Eier und Geflügel zugekauft wurden,
woher Futtermittel stammen, wie Abfallstoffe entsorgt wurden, wo
Schlachtungen durchgeführt werden oder mit welchen Orten oder
Betrieben Mitarbeiter oder Besucher zuletzt in Kontakt standen",
sagte NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann. Ohne eine mindestens
gleichwertige Untersuchung der beiden denkbaren Vireneintragswege
ließen sich kaum plausible Schlussfolgerungen ziehen.
Zudem sollten laut NABU alle Anstrengungen unternommen werden, die
Quelle des aktuellen mitteleuropäischen Ausbruchsgeschehens ausfindig
zu machen. Die zuletzt allgemein verbreitete Ansicht, dass das Virus
über sibirische Zugvögel nach Deutschland gekommen ist, halten die
Experten für wenig plausibel. Nach neuesten wissenschaftlichen
Erkenntnissen verschwinden hochpathogene Vogelgrippe-Viren sehr
schnell wieder aus Wildvogelpopulationen. Zwischen den Ausbrüchen von
2014 und heute konnten in ganz Europa keine dieser Viren bei
Wildvögeln festgestellt werden. Wildvögel werden daher wahrscheinlich
immer wieder neu aus der Geflügelwirtschaft angesteckt, wo sich das
Virus nachweislich in Asien, aber auch in Ägypten, beständig hält.
Das gleichzeitige Auftreten zahlreicher erkrankter Reiherenten an
drei Orten in Mitteleuropa lässt Ornithologen eher vermuten, dass es
eine akute Ansteckungsquelle in Osteuropa gab, von der die Enten
während der kurzen Inkubationszeit der Krankheit auf dem Weiterzug
nach Westen die hiesigen Rastgebiete erreichten.
"Aufgrund der besonderen Betroffenheit der Reiherente, wäre z.B.
ein mit Geflügelkot gedüngtes Fischteichgebiet - beliebte Rastgebiete
dieser Art - denkbar, auch wenn diese Praxis zumeist verboten ist.
Wäre das Virus dagegen bei sibirischen Zugvögeln weit verbreitet,
hätte man höchstwahrscheinlich bereits über einen längeren Zeitraum
an vielen verschiedenen Orten infizierte Wildvögel unterschiedlicher
Arten finden müssen. Der Vogelzug aus dem Osten beginnt nicht erst im
November", so Lachmann.
Sowohl zum Schutz der Geflügelwirtschaft als auch für das Wohl der
Wildvögel fordert der NABU die zuständigen Behörden daher auf, sich
bei der Ursachenforschung für die Verbreitung der Vogelgrippe nicht
auf die Verbreitung durch Wildvögel zu beschränken. Für eine
effiziente Seuchenbekämpfung müssten alle Optionen vorbehaltlos
geprüft werden.
Pressekontakt:
Lars Lachmann, Referent für Vogelschutz und Ornithologie, Tel. +49
(0)30.28 49 84-1620, Mobil 0172-9108275, E-Mail:
Lars.Lachmann(at)NABU.de
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