(ots) - Viele Menschen brauchen den persönlichen Kontakt zu
ihrem Apotheker - zum Beispiel, weil sie nicht lesen und schreiben
können. In Deutschland sind 7,5 Millionen Erwachsene funktionale
Analphabeten. Diese Menschen sind keine Analphabeten im wörtlichen
Sinne. Sie können einzelne Wörter oder kurze Sätze lesen, scheitern
aber am Erfassen längerer Formulierungen oder ganzer Texte. "Auch wer
nicht gut lesen kann, braucht Informationen zu seinen Medikamenten.
Diese Menschen fängt die persönliche Beratung in der Apotheke auf",
sagt Friedemann Schmidt, Präsident der ABDA - Bundesvereinigung
Deutscher Apothekerverbände.
Wer nicht lesen und schreiben kann, weiß oft nicht, für welche
Krankheiten die Medikamente verordnet wurden. Die Gefahr von
Verwechslung und falscher Dosierung ist bei mehreren Packungen enorm.
Der Beipackzettel ist bei geringer Lesekompetenz unverständlich und
schlicht wertlos, ebenso ein Medikationsplan.
Die wohnortnahen Apotheken kümmern sich heute um alle Patienten,
unabhängig von Sprachbarrieren und sozialem Status. "Es zeichnet
unser solidarisches Gesundheitswesen aus, dass gerade sozial
Benachteiligte die nötige Unterstützung erfahren und Zugang zu allen
notwendigen Leistungen haben. Das geht oft nur, wenn man die Menschen
dort betreut, wo sie leben. Auch deshalb braucht es die Apotheke vor
Ort", sagt Schmidt.
Schmidt verwies in diesem Zusammenhang erneut auf die Gefahren,
die aus der jüngsten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes
erwachsen, die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel
auszuhebeln: "Wenn der Versandhandel mit Rezept-Arzneimitteln nicht
verboten wird, bekommen wir hier einen ruinösen Preiswettbewerb, dem
mittelfristig viele Apotheken vor Ort zum Opfer fallen werden. Den
Verlust werden besonders die Menschen schmerzlich spüren, die Hilfe
vor Ort brauchen. Und dazu gehören auch die 7,5 Millionen Menschen,
die nicht richtig lesen und schreiben können", sagt Schmidt. "Die
Qualität und Menschenwürdigkeit eines Gesundheitswesens zeigen sich
daran, wie es mit den Schwächsten umgeht."
Gründe für einen funktionalen Analphabetismus sind u.a. Migration
oder das Aufwachsen in einem bildungsfernen Umfeld. Nicht nur
Migranten sind betroffen: Mehr als die Hälfte der funktionalen
Analphabeten sind deutsche Muttersprachler. Rechnet man Zuwanderer
ohne ausreichende mündliche Deutschkenntnisse hinzu, liegt die Zahl
der Betroffenen noch höher.
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