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Bundesregierung: Spionagebehörde soll Kommunikation entschlüsseln

ID: 1426342

(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) ist besorgt über die
Pläne der Bundesregierung, in Deutschland eine Behörde zum Aufbrechen
verschlüsselter Kommunikation zu errichten. Nach übereinstimmenden
Medienberichten soll durch einen bloßen Beschluss im
Haushaltsausschuss die Zentrale Stelle für Informationstechnik im
Sicherheitsbereich (ZITiS) ab 2017 ihre Arbeit aufnehmen. Damit
bekommen Sicherheitsbehörden bald auch Zugang zu sensibler
Kommunikation, die Journalisten bewusst schützen.

"ZITiS stellt einen Paradigmenwechsel dar, weil der Staat erstmals
systematisch Kommunikation und Endgeräte angreifen wird. Zwangsläufig
werden auch Journalisten betroffen sein, die mit Informanten
kommunizieren und dabei ganz bewusst Verschlüsselung einsetzen",
sagte ROG-Vorstandsmitglied Matthias Spielkamp. "Die Bundesregierung
muss für ZITiS ein Errichtungsgesetz verfassen, sodass der deutsche
Bundestag und die Zivilgesellschaft am Gesetzgebungsverfahren
beteiligt werden können." Passiere das nicht, so Spielkamp, "schafft
die Regierung allein durch die Verabschiedung des Bundeshaushaltes
kommende Woche eine Behörde mit weitreichenden Befugnissen, die
Pressefreiheit im In- und Ausland massiv schwächen würde."

ZITiS soll der Bundespolizei, dem Bundeskriminalamt und Bundesamt
für Verfassungsschutz dabei helfen, verschlüsselte Nachrichten zu
dechiffrieren (http://t1p.de/y4nr). Zudem soll sie Technologien
entwickeln oder anschaffen, um Nachrichten bereits abzufangen, bevor
sie verschlüsselt werden, etwa durch Überwachungsprogramme auf
Computern und Smartphones oder das Abfangen von Daten, während sie
getippt werden (http://t1p.de/0le2). Damit wäre auch die
Kommunikation etwa von Whatsapp oder Facebook betroffen. Bis zu 400
Mitarbeiter sollen in Zukunft für ZITiS arbeiten
(http://t1p.de/wq6o).




JOURNALISTEN MÜSSEN VERTRAULICH KOMMUNIZIEREN KÖNNEN

Reporter ohne Grenzen ist in seiner täglichen Arbeit immer wieder
mit ausländischen Journalisten konfrontiert, deren Computer und
Mobiltelefone gehackt wurden. In vielen Fällen wurde ihre gesamte
Kommunikation abgehört und ausgewertet. So spielten während des
Arabischen Frühlings Behörden etwa in Ägypten und Marokko Trojaner
auf die Geräte von Journalisten und Aktivisten, um sie zu überwachen
(http://t1p.de/1jzt).

Effektive Verschlüsselung ist für Journalisten essentiell.
Informanten müssen sicher sein können, dass ihre Identität geschützt
bleibt und sensible Informationen in Redaktionen gut aufgehoben sind.
Ist das nicht der Fall, scheuen Informanten im Zweifel die
Kontaktaufnahme und der gesellschaftlich wichtige Informationsfluss
zu den Medien versiegt. Missstände bleiben unentdeckt, weil
Informanten Angst vor Verfolgung haben, wenn sie sich an Journalisten
wenden.

Auf diese Gefahren hat das Bundesverfassungsgericht unter anderem
in den Entscheidungen zur Spiegel- und Cicero-Affäre hingewiesen, als
Durchsuchungen von Redaktionsräumen das Grundvertrauen in Medien
beschädigt hatten. Indem deutsche Sicherheitsbehörden und
Geheimdienste nun auch zum Angriff auf Verschlüsselung bemächtigt
werden, schwindet das Vertrauen in Journalisten. Aufgrund immer
stärkerer Überwachung digitaler Kommunikation ist starke
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für Journalisten mitunter die einzige
Chance, vertraulich zu kommunizieren.

Reporter ohne Grenzen treibt die Verbreitung von
Verschlüsselungsinstrumenten voran. Im Rahmen des Projektes "Hub of
Digital Freedom" wurden erst kürzlich in Berlin zehn ausländische
Journalisten fortgebildet und in digitaler Sicherheit geschult. ZITiS
konterkariert solche Ansätze, die Pressefreiheit weltweit zu stärken.
Denn auch wenn ZITiS zunächst nur für deutsche Behörden Technologie
entwickeln soll, wird verschlüsselte Kommunikation weltweit
geschwächt. Durch den immer stärkeren Informationsaustausch von
Sicherheitsbehörden weltweit werden erfolgreiche Wege zum
Entschlüsseln von kryptografischer Kommunikation weitergegeben werden
und am Ende auch in den Händen von Geheim- und Sicherheitsdiensten
landen, die Journalisten regelmäßig überwachen.

Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit steht Deutschland
auf Platz 16 von 180 Staaten. Weitere Informationen zur Lage der
Journalisten in Deutschland finden Sie unter
www.reporter-ohne-grenzen.de/deutschland.



Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer / Anne Renzenbrink
presse(at)reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de/presse
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29

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