(ots) - Das Thema:
"Armes reiches Deutschland: Einmal unten, immer unten?"
Vollzeitjob - und trotzdem arm? Immer weniger Menschen in Europa
können von ihrer Arbeit noch leben, heißt es in einer aktuellen
Studie. Auch in Deutschland fühlen sich trotz robuster Konjunktur
viele Menschen abgehängt: Niedriglöhner, Multijobber, aber auch junge
Familien. Drohen auch in Deutschland soziale Verhältnisse wie in den
USA? Bleibt hier wie dort eine wachsende Unterschicht finanziell
abgehängt und fern von gesellschaftlicher Teilhabe - ohne Chance,
jemals der Armut zu entkommen?
Die Gäste:
Jochen Schweizer (Unternehmer, "Die Höhle der Löwen") Katja
Kipping, Die Linke (Parteivorsitzende) Dorothea Siems (Journalistin)
Jutta Czekay (Multijobberin) Klaus Milchau (ehemaliger
Industriearbeiter) Georg Cremer (Generalsekretär Deutscher
Caritasverband)
Jochen Schweizer
Der Investor aus "Die Höhle der Löwen" (Vox) kämpfte sich als Sohn
einer allein erziehenden Mutter aus einfachen Verhältnissen nach
oben. Heute erzielt der Event-Unternehmer mit über 500 Mitarbeitern
Millionenumsätze und sagt: "Ich definiere Erfolg nicht über die Höhe
meines Einkommens, sondern über die Sinnhaftigkeit meines Tuns." Als
Motivationstrainer füllt Jochen Schweizer die Hallen. Sein Credo: Die
Menschen sollen den entscheidenden Impuls bekommen, mehr aus ihrem
Leben zu machen.
Katja Kipping
"Die Reichen werden immer reicher, während die Mitte eher vom
Abstieg bedroht ist." Die Parteivorsitzende kritisiert die soziale
Spaltung. Wer Gerechtigkeit wolle, müsse sich mit den Superreichen
anlegen. Seit Jahren fordert die Linke in ihrem Parteiprogramm die
Wiedereinführung der Vermögenssteuer in Form einer Millionärssteuer.
Hartz IV dagegen soll abgeschafft und durch eine sanktionsfreie
Mindestsicherung von monatlich 1050 EUR ersetzt werden.
Dorothea Siems
"Der Vorwurf des linken Lagers, die Wohlhabenden würden zu wenig
Steuern zahlen,ist absurd", sagt die Wirtschaftsredakteurin der
"Welt". Schließlich trügen die einkommensstärksten zehn Prozent der
Bevölkerung deutlich mehr als die Hälfte der gesamten
Einkommenssteuerlast. Der Sozialstaat, so Dorothea Siems, sei
mitverantwortlich dafür, dass sich Armut in bestimmten Milieus
verfestigt habe: "Mit seinen Transfers bietet er keine Hilfe zur
Selbsthilfe, sondern stellt die Bedürftigen ruhig und macht sie
lethargisch."
Jutta Czekay
Die 45-jährige Berlinerin arbeitet als Putzfrau und zusätzlich auf
Minijobbasis bei einer Essensausgabe. Trotz der Doppelbelastung lebt
sie mit ihren drei Töchtern von rund 1200 Euro im Monat. "Davon
bezahle ich meine Miete und den Einkauf, dann ist das Geld weg." Für
die Altersvorsorge oder einen Urlaub bleibt kein Geld. Dennoch ist
die gelernte Schneiderin stolz, dass sie es aus eigener Kraft
schafft. "Lieber putzen gehen als Hartz IV. Ich will unabhängig sein.
Man muss den Kindern zeigen, dass Du etwas tun und kämpfen musst."
Klaus Milchau
Der 66-Jährige Mitinitiator der Montagsdemonstrationen in Dortmund
beobachtet,dass der Wirtschaftsboom in einer traditionellen
Industrieregion wie dem Ruhrgebiet nicht ankommt. "Die Mittelschicht
hat keinen gerechten Anteil am wirtschaftlichen Erfolg. Das
Lohnniveau ist zu niedrig", kritisiert Klaus Milchau, der selbst 48
Jahre gearbeitet hat. Durch prekäre Arbeitsbedingungen, etwa in der
Zeitarbeit, hätten junge Familien heute keine Perspektive und
Sicherheit mehr.
Georg Cremer
Die deutsche Debatte über Armut sei gefährlich populistisch, warnt
der Caritas-Generalsekretär. Er kritisiert die rituelle Empörung von
Sozialverbänden und Politikern bei der regelmäßigen Nachricht, die
Armen würden immer ärmer werden.Solche Empörung entwerte unseren
Sozialstaat und spiele Populisten in die Hände.Den wirklich Armen sei
damit nicht geholfen, meint Georg Cremer.
"Maischberger" ist eine Gemeinschaftsproduktion der ARD,
hergestellt vom WDR in Zusammenarbeit mit der Vincent TV GmbH. Im
Internet unter www.DasErste.de/maischberger
Redaktion: Elke Maar (WDR)
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