(ots) - Die Entscheidung von EZB-Präsident Mario Draghi
& Co. zur Zukunft des Anleihekaufprogramms (Quantitative Easing, QE)
bietet im Grunde für jeden etwas: Die QE-Kritiker, auch im Rat,
bekommen eine Reduzierung des monatlichen Kaufvolumens - von aktuell
80 auf 60 Mrd. Euro ab April 2017. Die Befürworter dagegen erhalten
das Versprechen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) länger als
bisher gedacht im Markt aktiv bleibt - schließlich wird QE für neun
statt nur, wie gemeinhin erwartet, für sechs Monate verlängert. Summa
summarum aber erscheinen die "Tauben", also die Befürworter einer
laxen Geldpolitik, als Gewinner der "Richtungsentscheidung" (Draghi)
über QE. Die Feierlaune der Anleger passt dazu.
Die Rückkehr auf das ursprüngliche QE-Niveau von 60 Mrd. Euro ist
sicher zu begrüßen und kann ein Signal an die Märkte sein, dass
selbst die ultralockere Geldpolitik der EZB nicht nur eine Richtung
kennt. Die große Gefahr aber ist, dass diese Botschaft total
untergeht - und vielleicht soll sie das sogar: Denn Draghi wies
zugleich jede Frage zu einem Tapering, also einem schrittweisen
Zurückführen von QE auf null, scharf zurück - und schob damit die
Debatte über den Ausstieg auf die lange Bank. So will er diese
Diskussion womöglich auch auf die Zeit nach den Wahlen in Frankreich,
Deutschland und vielleicht Italien vertagen. Das aber ist falsch -
und gefährlich.
Denn tatsächlich wäre die Zeit längst reif, den Ausstieg anzugehen
oder den Tag des Exits - quasi den E-Day - zumindest vorzubereiten:
Die Euro-Wirtschaft wächst mit oder gar oberhalb ihres Potenzials,
und die Inflation zieht an - womit sich frühere Deflationssorgen
endgültig als überzogen entpuppen. Eine Geldpolitik, die sogar noch
expansiver ist als auf dem Höhepunkt der Weltfinanzkrise, erscheint
zunehmend deplatziert. Zudem nehmen die Risiken zu, allen voran für
die Finanzstabilität. Die EZB läuft zunehmend Gefahr, selbst die
Grundlage für die nächste Finanzkrise zu legen.
Natürlich ist die politische Unsicherheit aktuell gewaltig:
Brexit, US-Wahl, Italien. Aber zu glauben, die EZB könne mit Hilfe
der Notenpresse den um sich greifenden Populismus bekämpfen oder die
Ursachen von Banken- und Staatsschuldenkrisen beseitigen, ist so
irrig wie gefährlich. Und natürlich gibt es auch die Sorge vor einem
Schock an den Anleihemärkten, wie beim "Taper Tantrum" in den USA
2013. Aber den Ausstieg auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu vertagen
macht das nicht besser. Im Gegenteil: Wenn die EZB zu lange wartet
und ihren Kurs am Ende hektisch korrigieren muss, wird der Knall nur
umso lauter.
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