(ots) -
Bitte aktualisierten Programmtext beachten!
Montag, 30. Januar 2017, 21:50 Uhr
Landgericht - Die Dokumentation
Die Geschichte des Berliner Richters Kornitzer und seiner Familie,
die das Fernsehspiel "Landgericht" erzählt, beruht auf wahren
Erlebnissen: Es ist die Geschichte der Familie Michaelis.
Autorin Annette von der Heyde hat sich auf die Suche begeben und
Zeitzeugen gefunden. Unter ihnen ist auch Ruth Barnett, die Tochter
von Robert und Luise Michaelis, die aus erster Hand von der
Geschichte ihrer Familie berichten kann.
In den frühen 1930er Jahren stand Robert Michaelis am Beginn einer
Karriere am Landgericht Berlin. Im April 1933 wurde er Opfer der
Willkür der neuen Machthaber, die Nationalsozialisten warfen ihn aus
dem Amt. Verheiratet mit einer "Nicht-Jüdin", entschloss sich der
Familienvater zunächst in Deutschland zu bleiben. Erst nach dem
Novemberpogrom 1938 sah er nur noch einen Weg: die Ausreise.
Während die Kinder Martin und Ruth, "Halbjuden" in der Diktion der
Nazis, im Rahmen von Kindertransporten nach England geschickt wurden,
gelangte Robert Michaelis im Juni 1939 auf dem Seeweg nach Shanghai.
Die chinesische Hafenstadt war die letzte Anlaufstelle für
schutzsuchende Juden. Fast 30 000 Verfolgte überlebten hier das
"Dritte Reich".
Drei Jahre nach Kriegsende kehrte Michaelis zurück nach Deutschland,
in ein Land, das in Trümmern lag, in dem die Menschen nur nach vorn,
nicht aber zurück schauen wollten. Der Jurist war dabei übrigens ein
Ausnahmefall, denn nur einer von zwanzig Exilanten wagte die Rückkehr
in die frühere Heimat. Verglichen mit anderen verfolgten Familien
hatten die Michaelis darüber hinaus noch Glück, denn sie alle hatten
den Terror der Nazis überlebt. Die Kinder waren jedoch den Eltern
entfremdet, wollten nicht zurück in die Familie. Robert Michaelis,
der zurückkam, um am Aufbau eines neuen und demokratischen
Deutschland mitzuarbeiten, erlebte zunächst die offene Ablehnung
seiner Landsleute.
Die Stadt Mainz bot ihm später die Chance einer zweiten Karriere als
Jurist. Als "Opfer des Faschismus" erhielt Michaelis 1949 eine
Richterstelle am Landgericht. Der Wiedereinstieg in den Beruf, 16
Jahre nach der demütigenden Entlassung durch die Nazis, schien zu
gelingen. Doch dann bekam er die Missgunst und Verachtung vor allem
jener Kollegen zu spüren, die ihre Laufbahn nach der NS-Zeit bruchlos
fortsetzen konnten. Michaelis' Kampf um Wiedergutmachung und
Entschädigung stieß auf wenig Verständnis. Der Geist der NS-Jahre
wehte weiter in vielen Institutionen der jungen Bundesrepublik. Die
Jahre des Exils, die Trennung von den Kindern, die gescheiterte
Integration in die Nachkriegsgesellschaft zehrten an der Gesundheit
des Richters. Mit 54 Jahren ging Robert Michaelis vorzeitig in den
Ruhestand. Zeitlebens fühlte er sich ausgegrenzt.
Die Dokumentation rekonstruiert dieses bewegende deutsch-jüdische
Schicksal, lädt ein zu einer Zeitreise an die Schauplätze der
wechselvollen Biografie. Die Tochter des Richters, Ruth Barnett, lebt
heute in London. In einem Buch hat sie die Verletzungen jener Kinder
beschrieben, die in England zwar in Sicherheit, aber ohne elterlichen
Beistand überlebten.
Die Familie von W. Michael Blumenthal zählte ebenfalls zu den
Shanghai-Flüchtlingen. Der Gründungsdirektor des Jüdischen Museums in
Berlin berichtet, wie er und seine Angehörigen die Ausgrenzung, die
Emigration und die prekären Lebensbedingungen im Judenghetto der
chinesischen Großstadt erlebten. Historiker Götz Aly erklärt die
zeitgeschichtlichen Hintergründe jener tragischen Schicksale zwischen
Verfolgung, Ãœberlebenskampf und Neuanfang.
Pressekontakt:
ZDF Presse und Information
Telefon: +49-6131-70-12121
Original-Content von: ZDF, übermittelt durch news aktuell