(ots) -
Spätestens seit dem Erfolg des 100-Millionen-Projektes "Star
Citizen" hat sich Crowdfunding als Finanzierungsquelle in der
Games-Branche etabliert. Auch viele deutsche Spiele-Projekte wurden
bereits durch Spenden aus dem Netz finanziert - mal aufgrund einer
bewussten Entscheidung, mal wegen fehlender
Finanzierungsalternativen.
Die zivilisierte Welt, wie wir sie kennen, ist untergegangen. Auf
postapokalyptischen Ruinen blühen Blumen, die Wälder sind saftig
grün, die Flüsse klar. Dieses Paradies, ganz ohne Zivilisation, ist
die Spielkulisse des deutschen Action Adventures "Lost Ember". Statt
in die Rolle eines einsamen Überlebenden schlüpft der Spieler in die
Rolle von Tieren. Als Wolf, Greifvogel oder Fisch erkundet er die
faszinierend lebendige 3D-Welt. Die Spielidee des Hamburger
Entwickler-Teams Mooneye Studios klingt mindestens so ungewöhnlich
wie reizvoll. Diese Einschätzung teilen offensichtlich auch die über
7.700 Unterstützer weltweit, die auf der amerikanischen
Crowdfunding-Plattform Kickstarter mehr als 300.000 Euro für die
Entwicklung ausgaben. Ein stolzes Ergebnis für das noch junge Studio
aus Hamburg und eines der erfolgreichsten deutschen
Crowdfunding-Projekte des Jahres. Dank der finanziellen Unterstützung
aus dem Netz soll das Spiel 2018 auf den Markt kommen.
In den vergangenen fünf Jahren etablierte sich das Crowdfunding,
also das digitale Einsammeln von Geld, als Finanzierungsquelle von
kleineren und größeren Gaming-Projekten. "Junge Entwickler-Teams
finanzieren auf diese Weise erste Games-Projekte, etablierte Studios
testen, wie gut ihre neuen Spiel-Ideen beim Publikum ankommen",
erklärt Maximilian Schenk, Geschäftsführer des Bundesverbandes
Interaktive Unterhaltungssoftware. Das Prinzip ist immer dasselbe:
Die Entwickler werben auf Crowdfunding-Portalen wie Kickstarter oder
Startnext oder auf der eigenen Website mit ersten Eindrücken oder
spielbaren Schnipseln um die Gunst und das Geld der Unterstützer. Als
Gegenleistung für den Vertrauensvorschuss gibt es signierte
Fan-Artikel, frühe Demo-Versionen, Vorverkaufsrecht oder sogar die
Möglichkeit, einen Teil des Spiels mitzugestalten - je nachdem, wie
viel in den digitalen Klingelbeutel geworfen wird.
100 Millionen für die unendlichen Weiten des Weltraums
Als einer der Wegbereiter dieser Finanzierungsform gilt Tim
Schafer. Der Monkey Island Vater fand 2012 für sein
Point&Click-Adventure "Broken Age" keinen großen Publisher. Die
Begründung: Dieses Genre sei kaum mehr als eine Liebhaber-Nische und
verspreche zu wenig wirtschaftlichen Erfolg. Deshalb wandte sich der
Programmierer an die Netzgemeinde. Mit großem Erfolg: Innerhalb von
24 Stunden kamen von zigtausend Fans mehr als eine Million Euro
zusammen. Wofür gezahlt wurde, war zu diesem Zeitpunkt kaum bekannt.
Schafer versprach ein "oldschool adventure" und die Fans folgten
seinem Aufruf.
Noch mehr Vorschusslorbeeren bekam die Weltraum-Simulation "Star
Citizen". In den vergangenen vier Jahren sammelte dieses Projekt,
eins der wohl ambitioniertesten der Games-Geschichte, mehr als 116
Millionen US-Dollar ein. Als Gegenleistung verspricht Erfinder Chris
Roberts seinen Unterstützern ein Massively Multiplayer Online Game in
den unendlichen Weiten des digitalen Weltraums - mit Handel, Piraten,
haufenweisen Aliens und unzähligen Raumschiffen. Einziger Haken:
Spielbar sind trotz vier Jahren intensiver Entwicklungszeit bisher
nur kleinere Module. Auch ein finales Erscheinungsdatum gibt es
bisher nicht. So wundert es kaum, dass bei aller Euphorie über neue
Trailer und Eindrücke auch die Kritik an dem ambitionierten Macher
wächst. Ein Vorwurf: Missmanagement und Geldverschwendung. Allerdings
war Roberts auch bei seinen legendären Großproduktionen wie "Wing
Commander" nicht sonderlich pünktlich, womit er schon in den 90er
Jahren den Frust vieler wartender Fans auf sich zog. Nach der
Veröffentlichung waren die meisten Unterstützer angesichts der
gebotenen Qualität mit den Ergebnissen aber mehr als zufrieden.
Ohne Aufmerksamkeit kein Erfolg
Doch die Erfolge von "Lost Ember", "Broken Age" oder "Star
Citizen" täuschen schnell über die harte Crowdfunding-Realität
hinweg. Die Liste der gescheiterten Finanzierungsprojekte ist
deutlich länger als die der Erfolgsgeschichten. So sammelte die
deutsche Robinson-Crusoe-Simulation "Thousand Miles Out" zuletzt nur
knapp 17.000 Euro ein. Geplant waren eigentlich 300.000 Euro. Erst im
Juni scheiterte das Fantasy-Sammelkartenspiel "Fable Fortune" auf
Kickstarter. Es kamen nur 50.000 US-Dollar zusammen, angepeilt waren
250.000 Euro. Das sind keine Einzelfälle: So liegt die Erfolgsquote
bei Kickstarter-Projekten bei rund 35 Prozent, bei Indiegogo sogar
nur bei zehn Prozent. Wichtigster Grund für das Scheitern ist die
fehlende Aufmerksamkeit.
"Wer Unterstützer begeistern möchte, sollte in der Lage sein, eine
gute Geschichte zu erzählen und vor allem auch zu erklären, welchen
Mehrwert die Idee für die Unterstützer hat", sagt Denis Bartelt,
Gründer der deutschen Crowdfunding-Plattform Startnext. Vielen
Gründern falle es schwer, die Idee auf den Punkt zu bringen und oft
seien Projekte viel zu komplex, um sie schnell begreifen zu können.
Crowdfunding funktioniere aber eben nur dann besonders erfolgreich,
wenn die Menschen die Idee schnell verstehen und auch weitererzählen
können. Dieses virale Weitererzählen sorgt schließlich für die nötige
Aufmerksamkeit in den sozialen Netzwerken, bei Medien und
Influencern. Bei Entwickler-Legenden wie Tim Schafer oder Chris
Roberts sorgten sicher noch die Prominenz und der Pionier-Faktor der
Anfangsjahre für zusätzlichen Schwung.
Die Ansprüche sind gestiegen
Doch die Zeiten haben sich geändert. Eine gut durchdachte
Crowdfunding-Kampagne ist längst keine Besonderheit mehr.
"Crowdfunding für Games hat sich zu einem knallharten Geschäft
entwickelt", erklärt Michael Schade vom Hamburger Studio Rockfish.
Vor allem die Anforderungen an die Kampagnen seien stark gestiegen.
Reichten früher eine vage Skizze und gute Ideen für den Erfolg, ist
heute ein Finanzierungsaufruf ohne den frühzeitigen Aufbau einer
Community, die Entwicklung einer Marketing-Kampagne und vor allem
vorzeigbaren Eindrücken des Spiels zum Scheitern verurteilt. Damit
nicht genug: Die einmal aufgebaute Community will mit regelmäßigen
Updates informiert und im besten Fall noch an der eigentlichen
Entwicklung beteiligt werden. Eine stille und konzentrierte
Entwicklung hinter Studiotüren ist kaum noch möglich. Diese
Entwicklung lässt Crowdfunding-Kampagnen als Finanzierungsquelle für
kleine Entwickler-Teams zunehmend unattraktiver werden.
Im Community-Aufbau für Crowdfunding-Kampagnen liegen aber auch
Chancen: Die Games können stärker zusammen mit den Spielern und damit
näher an ihren Vorstellungen entwickelt werden. Teure Marktforschung
wird hinfällig. Außerdem macht dieser direkte Austausch die
Spieleproduktion insgesamt demokratischer. Gleichzeitig birgt diese
neue Nähe aber auch Gefahren und kostet Mühe. Vernachlässigt werden
treue Fans schnell zu erbitterten Kritikern. "Erfolgreiches
Crowdfunding kostet Zeit und Ressourcen - vor und während der
Kampagne und auch danach", sagt Schade. Er spricht aus Erfahrung. Für
"Everspace", einen Mobile-Space-Shooter für PC und Konsole, sammelte
Rockfish im Netz 700.000 Euro ein. Was nach einer stolzen Summe
klingt, war trotzdem zu wenig, um das ambitionierte Projekt
vollständig zu stemmen. Ohne Eigenkapital und den Abschluss von
Plattform-Deals wäre eine Realisierung nicht möglich gewesen.
Crowdfunding sollte nicht die einzige Finanzierungsmöglichkeit
sein
Andererseits gab es für Rockfish auch keine andere Alternative zum
Crowdfunding. Die angesprochenen Publisher waren zwar begeistert von
der Grafik und den Ideen der Hamburger Entwickler, sahen aber zu
wenig Marktpotential neben Weltraum-Blockbuster-Titeln wie "No Man's
Sky" oder "Elite: Dangerous". Keine Seltenheit: Angesichts hoher
Entwicklungskosten und oft millionenschweren, weltweiten
Marketing-Kampagnen müssen viele Publisher das Risiko reduzieren, um
die Games-Projekte refinanzieren zu können. Auch Banken unterstützen
Games-Entwickler nur selten mit günstigen Krediten. In der Regel
fehlt Ihnen hierfür das nötige Know-how. Zudem gibt es abgesehen von
Programmen einzelner Bundesländer keine Produktionsförderung auf
Bundesebene. Die Folge: Crowdfunding bleibt oft die einzige
Alternative. Doch natürlich ist Kickstarter weit mehr als nur ein
Sammelbecken für Last-Chance-Projekte ohne einen Vermarkter-Deal.
Es gibt auch einige Entwickler, die sich bewusst für dieses
Finanzierungsmodell entscheiden. So waren an "Lost Ember" einige
Publisher interessiert. Am Ende entschied sich das junge Team jedoch,
keine kreative Kontrolle abzugeben und die Hoheit über ihr
Spielkonzept zu behalten. Mit dem großen Kickstarter-Erfolg ist
dieser Plan wohl aufgegangen. Ihre Idee bekam viel Aufmerksamkeit, es
entstand eine erste Community und die Finanzierung für das kleine
Studio war gesichert. King Art Games aus Bremen hat sogar sein
gesamtes Geschäftsmodell auf den Klingelbeutel ausgerichtet. Und das
sehr erfolgreich: Das Studio realisierte mit "Die Zwerge" oder mit
dem Adventure "The Book of Unwritten Tales" bereits mehrere sehr
erfolgreiche Kampagnen. Weitere sind geplant.
Maximilian Schenk, Geschäftsführer des Bundesverbandes Interaktive
Unterhaltungssoftware, sieht diesen Trend mit gemischten Gefühlen.
"Aufgrund fehlender Produktionsförderungen auf Bundesebene stellen
Crowdfunding-Kampagnen häufig eine der wenigen realistischen
Finanzierungsmöglichkeiten von Games in Deutschland dar. Spiele per
Crowdfunding zu finanzieren sollte aber immer nur eine Möglichkeit
sein, nicht die einzige", sagt er. Die entsprechende Forderung des
Verbandes: "Damit hierzulande und auch weltweit mehr Menschen Games
aus Deutschland spielen können, benötigen wir mehr berechenbare und
verlässliche Finanzierungsmöglichkeiten sowohl für junge und kleine
Entwickler-Teams als auch für etablierte Entwicklungsstudios."
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