(ots) - Erstmals hat ein Gericht (Landgericht Regensburg,
Urteil vom 04.01.2016, 7 O 967/16, nicht rechtskräftig) im VW Skandal
in einem von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft
mbH geführten Klageverfahren einen Händler zur Nachlieferung eines
Neuwagens aus der aktuellen Serienproduktion mit Euro- 6-Norm
verurteilt. Der Kläger hat im Gegenzug seinen vom Abgasskandal
betroffenen Seat Alhambra zurück zu geben und zwar ohne eine
Nutzungsentschädigung bezahlen zu müssen!
Der Kläger erwarb im März 2015 von einem Seat Händler einen Seat
Alhambra 2,0 TDI. Nach Aufdeckung des VW Abgasskandal musste der
Kläger feststellen, dass in seinem Fahrzeug der Motor EA 189 verbaut
ist und das Fahrzeug die Manipulationssoftware enthält. Er machte
deshalb über seine Rechtsanwälte Dr. Stoll & Sauer
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus dem Kaufvertrag die Nachlieferung
eines neuen, aus der aktuellen Serienproduktion stammenden PKW
(Nachfolgemodell) geltend. Er hat sich bewusst gegen den Rücktritt
vom Kaufvertrag entschieden. Dies lehnte der Händler außergerichtlich
ab, weshalb Klage erhoben wurde. Das Landgericht Regensburg hat den
Händler wie folgt verurteilt:
"Die Beklagtenpartei wird verurteilt, der Klägerpartei ein
mangelfreies fabrikneues typengleiches Ersatzfahrzeug aus der
Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer
Ausstattung wie das Fahrzeug Seat Alhambra, FIN: XXX, Zug um Zug
gegen Rückgabe und Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeugs Seat
Alhambra, FIN: XXX, nachzuliefern."
Der besondere Clou an diesem Urteil ist, dass der Kläger das
manipulierte Fahrzeug im Tausch gegen das neue Modell zurückgeben
muss, jedoch keine Nutzungsentschädigung zu zahlen hat. Für den
Kläger bedeutet dies, dass er das Fahrzeug seit dem 15.05.2015
kostenlos gefahren ist. Das Landgericht Regensburg führt zu der
Nutzungsentschädigung aus:
"Nutzungsersatz nach §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB
schuldet der Kläger nicht, weil es sich bei dem
streitgegenständlichen Kaufvertrag um einen Verbrauchsgüterkauf nach
§ 474 Abs. 1 BGB handelt. Auf solche Verträge ist § 439 Abs. 4 BGB
mit der Maßgabe anzuwenden, dass Nutzungen weder herauszugeben sind
noch deren Wert zu ersetzen ist (§ 474 Abs. 5 S. 1 BGB)."
Zunächst hält das Landgericht Regensburg fest, dass das
manipulierte Fahrzeug mangelhaft ist. Ein Käufer eines solchen
Fahrzeugs muss nicht erwarten, dass in dem Fahrzeug eine Software
verbaut ist, die den Schadstoffausstoß auf dem Rollenprüfstand
optimiert. Anschließend stellt das Gericht fest:
"Der Mangel des Fahrzeugs gibt dem Kläger gem. § 437 Nr. 1 BGB das
Recht Nacherfüllung zu verlangen, wobei er grundsätzlich frei wählen
kann, ob er die Beseitigung des Mangels oder - wie hier - die
Lieferung einer mangelfreien Sache verlangt."
Der Kläger kann also frei wählen, ob er nachbessern lässt
(Teilnahme an dem Rückruf) oder die Neulieferung eines Fahrzeugs aus
der aktuellen Serienproduktion verlangt, ohne eine
Nutzungsentschädigung bezahlen zu müssen. Nach Ansicht des
Landgerichts Regensburg liegt keine sogenannte Unmöglichkeit für den
Händler vor, weil nach den eigenen AGB des Händlers (es handelt sich
um Standard AGB, die der gesamte VW Konzern verwendet) der Käufer
eines Fahrzeugs weitgehende Konstruktion- oder Formänderungen ohnehin
bei der Lieferung hinnehmen müsste und dies umgekehrt auch für den
Verkäufer gelten muss. Die Nachlieferung eines Fahrzeugs aus der
Folgeproduktion sei daher möglich, auch wenn das neue Modell eine
andere Motorleistung oder sonstige technische Verbesserung aufweist.
Der Händler konnte sich auch nicht darauf berufen, dass die
Nachbesserung erheblich kostengünstiger sei als die Lieferung eines
neuen Fahrzeuges. Vor allem sei die Nachbesserung im Vergleich zur
Nachlieferung für den Kläger erheblich nachteilhafter. Dies ergebe
sich zum einen daraus, dass derzeit noch ungewiss ist, ob das
angebotene Softwareupdate nachteilige Folgen haben wird. Zum anderen
besteht Unsicherheit darin, ob der Wiederverkaufswert des betroffenen
Fahrzeugs beeinträchtigt ist. Der ungewisse Ausgang der Nachbesserung
führt nach Ansicht des Landgerichts Regensburg dazu, dass die
Nachbesserung in der Form der Teilnahme an dem Rückruf wesentlich
nachteilhafter ist als die Nachlieferung eines neuen Fahrzeugs.
Außerdem drohe bei einer mangelhaften Nachbesserung eine Verjährung
der Gewährleistungsrechte. Das Landgericht Regensburg führt dazu aus:
"Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass bei mangelhafter
Nachbesserung nach einer weit verbreiteten Meinung die Verjährung der
Gewährleistungsrechte nur dann von neuem beginnt, wenn aus den
Umständen anzunehmen ist, dass der Verkäufer den Mangel anerkennt (§
212 Abs. 1 Nr. 1 BGB; vgl. auch Palandt/Weidenkaff, BGB, 2016, § 438
Rn. 16a). Das macht die Beklagte ausdrücklich nicht, sondern betont,
dass sie das Update nur im Wege der Kulanz zur Verfügung stellt.
Dadurch wird das Risiko des Scheiterns der Nachbesserung insofern auf
den Käufer verlagert, als dieser seinen Anspruch auf Nachbesserung
des Software-Updates möglicherweise im Klagewege durchsetzen muss,
und er riskiert, dass seinem dahingehenden Anspruch der
Verjährungseinwand entgegen gehalten wird."
Soweit ersichtlich, ist dies bundesweit das erste Urteil eines
Gerichts, welches einen Händler zur Nachlieferung eines Fahrzeugs aus
der aktuellen Serienproduktion verurteilt, ohne dass der Geschädigte
eine Nutzungsentschädigung bezahlen muss. Rechtsanwalt Dr. Ralf
Stoll, der federführend mehr als 1000 Klageverfahren bundesweit gegen
Händler und die Volkswagen AG führt und mehr als 30.000 Geschädigte
im VW Abgasskandal vertritt und berät, teilt mit: "Es handelt sich um
ein Sensationsurteil. Der Kläger erhält ein neues Fahrzeug aus der
aktuellen Serienproduktion, ohne dass er für die bisherige Nutzung
seines manipulierten Fahrzeugs eine Entschädigung an den Händler
bezahlen muss. Wir führen bundesweit hunderte Gerichtsverfahren, die
auf Nachlieferung ohne Nutzungsentschädigung gerichtet sind. Bei dem
Urteil des Landgerichts Regensburg handelt es sich um einen
Meilenstein in der Rechtsprechung zum VW Abgasskandal. Nach unserer
Auffassung ist die Nachlieferungsklage nach dem Gesetz die einzige
Möglichkeit, ein neues Fahrzeug zu erhalten, ohne für das alte,
zurückzugebende Fahrzeug eine Nutzungsentschädigung bezahlen zu
müssen. Bei einem Rücktritt oder der Geltendmachung von
Schadensersatz muss der Geschädigte hingegen Nutzungsersatz bezahlen,
wenn er das Fahrzeug zurückgeben möchte. Daran führt nach der
Rechtsprechung des BGH kein Weg vorbei."
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