(ots) - Reporter ohne Grenzen ist besorgt über die jüngsten
Repressalien gegen Journalisten und Medien in Gambia. Vor dem
Hintergrund des eskalierenden Streits über das Präsidentenamt hat der
Geheimdienst drei Radiosender geschlossen (http://t1p.de/14b0). Zwar
darf einer der Sender laut einem Medienbericht seit Dienstag wieder
senden, jedoch ausschließlich Musik (http://t1p.de/ubg9).
"Die willkürlichen Schließungen von Radiosendern mitten im Streit
um einen demokratischen Machtwechsel sind äußerst besorgniserregend.
Sie sind Teil des drastischen Vorgehens des seit zwei Jahrzehnten
autoritär regierenden Präsidenten Yahya Jammeh, um seine Kritiker
mundtot zu machen", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Die
Regierung muss die Schließung der Radiosender sofort aufheben."
Am Sonntag hatten Mitarbeiter des gambischen Geheimdienstes die
Redaktionen der Radiosender Hilltop Radio, Afri Radio und Teranga FM
aufgesucht und die Journalisten angewiesen, den Sendebetrieb zu
stoppen. Einen Grund dafür nannten sie nicht, sondern verwiesen auf
einen Befehl ihrer Vorgesetzten. Eine offizielle schriftliche
Anordnung gab es nicht.
Nach dem Wahlsieg des Oppositionskandidaten Adama Barrow Anfang
Dezember hatten die meisten Radiosender in der Hauptstadt Banjul
seinen feiernden Anhängern Sendezeit gewidmet. Von Reporter ohne
Grenzen kontaktierte Quellen in Gambia gaben an, dass keiner der drei
nun geschlossenen Sender in den vergangenen Tagen Inhalte gesendet
hatte, die den Behörden gegenüber kritisch waren. Hilltop Radio und
Afri Radio sind Unterhaltungssender ohne Nachrichtensendungen.
Teranga FM hatte in der Vergangenheit Presseschauen gesendet, bis die
Sendung verboten wurde.
Teranga FM war im Jahr 2012 bereits vorübergehend geschlossen
worden (http://t1p.de/14b0). Im Juli 2015 hatten Polizisten den
Geschäftsführer Alagie Ceesay wegen der Verbreitung eines kritischen
Fotos von Präsident Jammeh verhaftet. Im Gefängnis verschlechterte
sich sein Gesundheitszustand nach einigen Monaten und er wurde in ein
Krankenhaus verlegt, aus dem er flüchten und untertauchen konnte.
Anfang November 2016 verurteilte ihn ein Gericht in Abwesenheit zu
einer Haftstrafe von vier Jahren (http://t1p.de/w7zl).
VERHAFTUNGEN VOR PRÄSIDENSCHAFTSWAHLEN
Am 10. Januar verhandelt das Oberste Gericht über eine Klage von
Präsident Jammeh wegen angeblicher Fehler bei der Stimmauszählung
(http://t1p.de/hw3z). Sein Herausforderer Barrow hatte die
Präsidentschaftswahl am 1. Dezember mit rund 45 Prozent der Stimmen
gewonnen (http://t1p.de/eb5j). Jammeh räumte seine Niederlage
zunächst überraschend ein. Eine Woche nach dem Eingeständnis
verkündete er, das Ergebnis wegen "inakzeptabler Fehler" der
Wahlkommission doch nicht anzuerkennen (http://t1p.de/ygl6). Anfang
Januar verkündete der Chef der gambischen Streitkräfte, Jammeh habe
weiterhin die volle Unterstützung des Militärs (http://t1p.de/s83t).
Während des Wahlkampfes hatte Jammeh der Opposition gedroht, sie
"neun Fuß unter der Erde zu begraben" (http://t1p.de/bboo). Am 19.
Januar soll Barrow das Präsidentenamt antreten.
Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl gingen die Behörden mit
willkürlichen Festnahmen und Justizschikanen gegen Journalisten vor
(http://t1p.de/f67w). Im November nahm der Geheimdienst den kurz
zuvor entlassenen Generaldirektor der Rundfunkgesellschaft Gambia
Radio and Television Services (GRTS), Momodou Sabally, fest. Am
gleichen Tag wurde der GRTS-Journalist Bakary Fatty festgenommen.
Gegen ihn wurde wochenlang weder Anklage erhoben noch durfte er
seinen Anwalt sehen. Nach gambischem Recht müssen Gefangene ohne
Anklage nach 72 Stunden freigelassen werden. Ein paar Tage vor den
Festnahmen hatte GRTS über die Opposition berichtet und damit einen
geplanten Bericht über eine von der Frau des Präsidenten gehaltene
Veranstaltung ersetzt.
Der Fotograf Alhagie Manka wurde im November knapp eine Woche
festgehalten, weil er Mitglieder der Jugendorganisation der
Regierungspartei ohne Akkreditierung fotografiert haben soll. Am 9.
November wurde ein Journalist der regierungsfreundlichen Zeitung
Daily Oberserver festgenommen und für 40 Stunden festgehalten,
nachdem er Fotos mit seinem Handy gemacht hatte. Die
Sicherheitsbehörden verdächtigen Yunus Salieu, er wolle die Fotos an
eine Anti-Jammeh-Kampagne in sozialen Netzwerken schicken.
FEIND DER PRESSEFREIHEIT
Präsident Jammeh war 1994 durch einen Putsch an die Macht gekommen
und geht rigoros gegen kritische Journalisten vor. Aus Angst vor
Verfolgung zensieren sich viele unabhängige Medien selbst. Reporter
ohne Grenzen zählt Jammeh zu den schlimmsten Feinden der
Pressefreiheit (http://t1p.de/kd9g). Bis heute ist der Mord an
AFP-Journalist und ROG-Korrespondent Deyda Hydara nicht aufgeklärt.
Er wurde 2004 erschossen (http://t1p.de/3nkt). Zwei Jahre später
verschwand der Journalist Chief Ebrimah Manneh in Haft.
Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit steht Gambia auf
Platz 145 von 180. Weitere Informationen über die Lage von
Journalisten im Land finden Sie unter
www.reporter-ohne-grenzen.de/gambia.
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer / Anne Renzenbrink
presse(at)reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de/presse
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29
Original-Content von: Reporter ohne Grenzen e.V., übermittelt durch news aktuell