(ots) - Reporter ohne Grenzen fordert die türkische Justiz
auf, sämtliche Anschuldigungen gegen den langjährigen
Türkei-Korrespondenten der Organisation unverzüglich fallenzulassen.
Am Mittwoch wird der Prozess gegen Erol Önderoglu in Istanbul
fortgesetzt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm wegen der Teilnahme an
einer Solidaritätsaktion mit der pro-kurdischen Zeitung Özgür Gündem
"Propaganda für eine terroristische Organisation" vor
(http://t1p.de/t9gw). Mit ihm angeklagt sind die Vorsitzende der
Türkischen Menschenrechtsstiftung, Sebnem Korur Fincanci, der
Cumhuriyet-Kolumnist Ahmet Nesin und Özgür-Gündem-Chefredakteur Inan
Kizilkaya.
"Erol Önderoglu und Dutzenden Intellektuellen drohen jahrelange
Haftstrafen - nur, weil sie eine Zeitung unterstützt haben", sagte
ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Die Massenverhaftungen von
Journalisten und Schließungen von Medien in der Türkei während des
Ausnahmezustands zeigen, wie wichtig die Arbeit von Erol Önderoglu
und seinen Mitangeklagten ist. Die türkische Justiz muss die absurden
Anschuldigen endlich fallenlassen, damit sie ihren Einsatz für die
Menschenrechte in der Türkei fortsetzen können."
Interviewangebot: ROG-Nothilfereferent Jens-Uwe Thomas wird den
Prozess gegen Erol Önderoglu in Istanbul verfolgen und steht dort am
Mittwoch im Anschluss an die Sitzung des Gerichts für Interviews zur
Verfügung. Er wird am Mittwoch unter der Telefonnummer +49 - 151
5525 7275 erreichbar sein.
ZEHN TAGE HAFT WEGEN SOLIDARITÄTSAKTION
Önderoglu, Fincanci, und Nesin waren am 20. Juni in Istanbul
verhaftet worden. Nach internationalen Protesten unter anderem vom
damaligen UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon waren sie nach zehn Tagen
unter Auflagen freigelassen worden (http://t1p.de/vwsy). Sie hatten
mit Dutzenden weiteren Journalisten und Prominenten jeweils
symbolisch für einen Tag den Posten des Chefredakteurs von Özgür
Gündem übernommen, um ihre Solidarität mit der Zeitung zu
demonstrieren, die bereits unter wachsendem Druck der Behörden stand
(http://t1p.de/q6h3). Ende Oktober wurde das Blatt per
Regierungsdekret geschlossen. Chefredakteur Kizilkaya ist seit August
in Haft (http://t1p.de/12tj).
Zu Prozessbeginn am 8. November in Istanbul hatte Önderoglu die
Anschuldigungen gegen ihn zurückgewiesen und betont, er habe nur sein
Recht auf Meinungsfreiheit ausgeübt (http://t1p.de/8pp4). Den Antrag
der Verteidigung, die Anklage fallen zu lassen, lehnte das Gericht
ab.
Önderoglu ist seit 1996 Türkei-Korrespondent von Reporter ohne
Grenzen. Daneben verfasst er die Quartalsberichte der alternativen
türkischen Nachrichtenagentur Bianet zum Stand der Meinungsfreiheit
in der Türkei, arbeitet regelmäßig mit der OSZE zusammen und ist
Vorstandsmitglied von IFEX (International Freedom of Expression
Exchange), einem weltweiten Netzwerk von
Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Meinungsfreiheit
einsetzen und bei dem ROG Mitglied ist.
ERDOGAN DROHT MIT ENTZUG DER STAATSBÃœRGERSCHAFT
Reporter ohne Grenzen fordert die türkische Justiz zudem auf, die
Anschuldigungen gegen die Journalisten Can Dündar und Erdem Gül
fallenzulassen. Am Mittwoch wird das Verfahren gegen den ehemaligen
Chefredakteur und den Ankara-Büroleiter der oppositionellen Zeitung
Cumhuriyet fortgesetzt. Beide sitzen wegen angeblicher Unterstützung
einer terroristischen Organisation auf der Anklagebank.
Dündar lebt mit Unterstützung von Reporter ohne Grenzen im Exil in
Deutschland. Am vergangenen Wochenende hat die türkische Regierung
ein neues Dekret erlassen, mit dem sie im Ausland lebenden Türken die
Staatsbürgerschaft entziehen kann. Betroffen sind Personen, die
schwerer Straftaten beschuldigt werden und trotz Aufforderung nicht
innerhalb von drei Monaten in die Türkei zurückkehren
(http://t1p.de/wf2s). Can Dündars Frau Dilek Dündar darf die Türkei
nicht verlassen (http://t1p.de/grzb). Anfang September hatten die
türkischen Behörden ihren Pass beschlagnahmt (http://t1p.de/xfux).
Der Prozess gegen Can Dündar und Erdem Gül wegen angeblicher
Unterstützung einer terroristischen Organisation wurde im September
2016 eröffnet. Der Prozess wurde von einem Verfahren abgekoppelt, in
dem Dündar und Gül wegen vermeintlicher Veröffentlichung von
Staatsgeheimnissen im Mai bereits zu fünf Jahren und zehn Monaten
bzw. zu fünf Jahren verurteilt wurden (http://t1p.de/x4yn). Gegen das
Urteil haben beide Berufung eingelegt.
Ende Mai 2015 hatte die Zeitung Cumhuriyet Indizien für eine
Beteiligung des türkischen Geheimdienstes an Waffenlieferungen an
Islamisten in Syrien veröffentlicht. Staatspräsident Recep Tayyip
Erdogan persönlich drohte daraufhin, Dündar werde einen hohen Preis
für die Veröffentlichung bezahlen und nicht ungestraft davonkommen
(http://t1p.de/vbq2). Dündar und Gül wurden Ende November 2015
verhaftet und saßen drei Monate in Untersuchungshaft
(http://t1p.de/m19k).
In einer Online-Petition fordert Reporter ohne Grenzen das
Fallenlassen der Anschuldigungen gegen Erol Önderoglu
(http://t1p.de/vq0z). Die Organisation zählt Erdogan zu den Feinden
der Pressefreiheit (http://t1p.de/kd9g). Derzeit sitzen weit über 100
Journalisten in der Türkei in Haft. Auf der Rangliste der
Pressefreiheit stand die Türkei bereits vor dem Putschversuch auf
Platz 151 von 180 Staaten (http://t1p.de/ro6x). Weitere Informationen
über die Lage von Journalisten vor Ort finden Sie unter
www.reporter-ohne-grenzen.de/türkei.
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
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