PresseKat - ROG: Mord an Journalist Hrant Dink nach zehn Jahren immer noch nicht aufgeklärt

ROG: Mord an Journalist Hrant Dink nach zehn Jahren immer noch nicht aufgeklärt

ID: 1445743

(ots) - Zehn Jahre nach der Ermordung des
türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink fordert Reporter ohne
Grenzen (ROG) die türkische Justiz auf, den Fall endlich lückenlos
aufzuklären und alle Hintermänner zu verurteilen. Der Herausgeber der
türkischen-armenischen Zeitung Agos wurde am 19. Januar 2007 in
Istanbul erschossen. Zunächst wurden zwei Rechtsradikale als
alleinige Täter zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, bis ein
Gericht 2013 das Urteil kippte und eine gründliche Ermittlung auch
gegen die mutmaßlichen Anstifter in die Wege leitete
(http://t1p.de/9kw2). Mittlerweile stehen hochrangige
Sicherheitsbeamte vor Gericht. Doch Dinks Familie wartet bis heute
auf Gerechtigkeit.

"Von Beginn an gab es genug Hinweise, dass der Mord an Hrant Dink
nicht die Tat einer kleinen Gruppe von Fanatikern war. Vieles deutete
auf ein Mordkomplott hin, an dem auch Staatsbeamte beteiligt waren",
sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Zehn Jahre nach der
Ermordung Hrant Dinks muss die Justiz die Tat endlich lückenlos
aufklären und die Drahtzieher verurteilen, und darf das Verfahren
nicht für politische Zwecke missbrauchen."

Im Januar 2007 wurde Hrant Dink vor seinem Büro im Istanbuler
Stadtteil Sisli erschossen. Der damals 53-Jährige hatte sich für die
Versöhnung von Armeniern und Türken eingesetzt. Wegen seiner Artikel
zum Massaker an den Armeniern war er immer wieder ins Visier der
Justiz geraten. Im Jahr 2005 verurteilte ihn ein Gericht wegen
"Beleidigung des Türkentums" zu einer Haftstrafe von sechs Monaten
auf Bewährung (http://t1p.de/45ly).

Einen Tag nach dem Mord an Dink nahm die Polizei den damals
17-jährigen Rechtsradikalen Ogün Samast fest. Doch das Verfahren
gegen den Schützen verlief schleppend und verzögerte sich
(http://t1p.de/72x6). Bereits 2007 gab es Beweise, dass die Behörden




insbesondere in der nordöstlichen Stadt Trabzon, wo Samast lebte,
über die Pläne der Ermordung informiert waren. Dennoch weigerte sich
die Justiz zunächst, die betroffenen Sicherheitskräfte strafrechtlich
zu verfolgen (http://t1p.de/1wm1).

POLIZEI POSIERT MIT MÖRDER, BEWEISMATERIAL VERSCHWINDET

Ein paar Wochen nach der Ermordung strahlte der private
Fernsehsender TGRT ein Video aus, auf dem Samast kurz nach seiner
Verhaftung zu sehen ist. Er posiert mit einer türkischen Flagge für
die "Erinnerungsfotos" lokaler Polizisten (http://t1p.de/ybr8). Die
Anwältin der Familie gab damals zudem an, dass die Videobänder der
Überwachungskamera einer Bank in der Nähe des Tatortes nach der
Ãœbergabe an die Polizei verschwunden waren (http://t1p.de/1wm1).

Im September 2010 stellte der Europäische Gerichtshof für
Menschenreche (EGMR) einstimmig die Mitverantwortung des türkischen
Staates für die Ermordung Dinks fest (http://t1p.de/au64). Damit
gaben die Richter in Straßburg der Klage von Rakel Dink, der Witwe
des Ermordeten, statt und verurteilten den türkischen Staat zur
Zahlung einer Entschädigungssumme an Dinks Familie. Laut EGMR hatte
der türkische Staat die Europäische Menschenrechtskonvention
verletzt, indem er versäumte, das Leben des Journalisten zu schützen,
obwohl die staatlichen Organe - allen voran der Geheimdienst - über
die Absichten der rechtsradikalen Täter aus erster Quelle informiert
waren.

HOCHRANGIGE SICHERHEITSKRÄFTE VOR GERICHT

Im Juli 2011 verurteilte ein Jugendgericht in Istanbul Samast zu
einer Haftstrafe von 22 Jahren und 10 Monaten (http://t1p.de/k1up).
Ein halbes Jahr später verurteilte ein Gericht den Rechtsnationalen
Yasin Hayal als Anstifter zu lebenslanger Haft.

Im Mai 2013 kippte der Kassationshof in der Türkei das Urteil,
dass Samast im Auftrag eines einzigen Anstifters gehandelt haben soll
und ebnete so den Weg für eine gründlichere Suche nach möglichen
Hintermännern (http://t1p.de/9kw2). Im Januar 2015 nahm die Polizei
die beiden türkischen Polizisten Özkan Mumcu und Muhittin Zenit fest.
Weil sie den Mord an Dink trotz Informationen über einen drohenden
Anschlag nicht verhindert und die Tat nicht ausreichend untersucht
hatten, wurde ihnen "Fahrlässigkeit", "fahrlässige Tötung" und
"Amtsmissbrauch" vorgeworfen. Es war das erste Mal, dass
Staatsbedienstete wegen des Mordes gegen Dink angeklagt wurden
(http://t1p.de/bxm1).

Im April 2016 begann ein Prozess gegen hochrangige
Sicherheitsbeamte wegen möglicher Verbindungen zum Mord an Dink,
darunter der ehemalige Polizeichef Istanbuls, Celalettin Cerrah
(http://t1p.de/r38u). In dieser Woche finden nach Angaben der
türkisch-armenischen Zeitung Agos, für die Dink gearbeitet hatte,
weitere Anhörungen gegen hochrangige Beamte vor einem Gericht in
Istanbul statt (http://t1p.de/fpqm).

Agos äußerte in einem Kommentar Ende 2014 die Befürchtung, die
Regierung könne den Mord an Dink als "Waffe" gegen die Gülen-Bewegung
nutzen (http://t1p.de/f2mg). Einige der Verdächtigen im Fall sollen
angeblich eine Verbindung zur Gülen-Bewegung haben.

Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit stand die Türkei
bereits vor dem Putschversuch im Juli 2016 auf Platz 151 von 180
Staaten. Während des Ausnahmezustands, der vor einem halben Jahr
verkündet wurde, hat die Repression gegen Journalisten ein nie
gekanntes Ausmaß erreicht. Derzeit sitzen weit über 100 Journalisten
in den Gefängnissen der Türkei. Weitere Infos zur Lage der Medien vor
Ort finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/türkei.



Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer / Anne Renzenbrink
presse(at)reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de/presse
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29

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Datum: 18.01.2017 - 11:30 Uhr
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