(ots) -
70 Prozent des weltweit genutzten Süßwassers werden für die
Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen genutzt. Gleichzeitig wirken
sich Rückstände von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln negativ auf die
Wasserqualität aus. Faktoren wie Wirtschaftsentwicklung,
Bevölkerungswachstum und Urbanisierung lassen die Konkurrenz um
Wasser steigen. Wie kann die Landwirtschaft ihrer Aufgabe, eine
wachsende Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln zu versorgen, vor
diesem Hintergrund gerecht werden? Und welchen Beitrag kann der
Sektor zum nachhaltigen Umgang mit der wertvollen Ressource Wasser
leisten? Diese Fragen standen im Zentrum des 9. Global Forum for Food
and Agriculture in Berlin, das sich dem Thema vom 19. bis 21. Januar
mit zehn Fachpodien, zwei High Level Panels und einem Internationalen
Wirtschaftspodium widmete.
"Zugang zu Wasser ist ein Menschenrecht!", sagte der
Generaldirektor der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation
(FAO), José Graziano da Silva, zur Eröffnung des High Level Panels
seiner Organisation. Doch ist die Umsetzung dieses Rechts längst
nicht überall gegeben. Mit 1,2 Milliarden Menschen lebt heute bereits
knapp ein Fünftel der Weltbevölkerung in Regionen mit großer
Wasserknappheit. Im Jahr 2025 werden es laut dem Umweltbericht der
Vereinten Nationen rund 1,8 Milliarden Menschen sein. Gleichzeitig
werden immense Mengen an Wasser verschwendet. So geht ein Drittel der
für die menschliche Ernährung produzierten Lebensmittel verloren,
weil sie - meist in den Industrieländern - in den Mülleimer wandern
oder weil - wie in vielen Entwicklungsländern - Möglichkeiten zur
richtigen Ernte, zur Lagerung, zum Transport oder zur
Weiterverarbeitung fehlen. "Das Wasser, das dadurch verschwendet
wird, entspricht dreimal der Wassermenge des Genfer Sees",
veranschaulichte der FAO-Generaldirektor die Dimensionen.
Hinzu kommt der Klimawandel, der sowohl ausgeprägte Dürreperioden
als auch sintflutartige Regenfälle nach sich zieht und damit die
Anbaubedingungen in vielen Regionen der Welt zusätzlich
verschlechtert. "Wetterveränderungen hat es immer gegeben, aber die
Welt ist heute sehr viel verwundbarer", so Johannes Cullmann von der
Weltorganisation für Meteorologie. Die Landwirtschaft, die einer der
Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen ist, biete zugleich die
größten Chancen für Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel.
Allerdings seien etwa 70 Länder in der Welt nicht in der Lage, die
nötigen Klima- und Wetterdaten bereitzustellen. Diese sind aber
nötig, um beispielsweise den Landwirten Empfehlungen für den Anbau an
die Hand zu geben.
Und die variieren von Region zu Region ganz erheblich. Beispiel
Israel: 60 Prozent der Agrarflächen des kleinen Landes liegen in
ariden beziehungsweise semiariden Regionen. Forschung zur Entwicklung
wassersparender Technologien hat daher oberste Priorität, wie Itzik
Ben David vom israelischen Agrarministerium berichtete: "Israel ist
Vorreiter in der Tröpfchenbewässerung, die für eine maximale
Effizienz in der Bewässerung sorgt." Auch wird die
Abwasseraufbereitung forciert, um Wasser für die Landwirtschaft
bereitzustellen. Zudem hat die Regierung ein dynamisches Preissystem
entwickelt, bei dem die Konsumenten die tatsächlichen Kosten des
Wasserverbrauchs tragen. Die Wasservergabe an landwirtschaftliche
Unternehmen wird über ein Quotensystem geregelt, wobei der Preis für
aufbereitetes Wasser bei einem Drittel des regulären Wasserpreises
liegt.
Für die Landwirte in Entwicklungsländern kommt es nicht in Frage,
für Wasser zu zahlen, gab Monty Jones, Landwirtschaftsminister von
Sierra Leone und Träger des Welternährungspreises, zu bedenken. Das
westafrikanische Land leidet zwar bisher nicht unter Dürren, hat aber
eine ausgeprägte Trockenzeit. Die Wasserspeicherung ist daher eine
wesentliche Maßnahme, um die Vegetationsperiode zu verlängern. "Die
meisten unserer Landwirte arbeiten nach traditionellen Methoden, die
wir auch gerne bewahren möchten", so der Minister. Dennoch versuche
man, ihnen den Umgang mit modernen Technologien zu vermitteln, damit
sie ihre Produktion intensivieren können.
"Im Süden und Osten Afrikas ist der Klimawandel dabei, die
Produktionssteigerungen der vergangenen Jahre wieder zunichte zu
machen", mahnte die Kommissarin für Landwirtschaft und Ländliche
Entwicklung bei der Afrikanischen Union, Tumusiime Rhoda Peace.
Wichtig seien Investitionen in Forschung, denn nur mit angepasstem
Saatgut könne die Landwirtschaft widerstandsfähiger gegen
Klimaveränderungen werden. Zudem müsse der Sektor durch den Einsatz
neuer Technologien vor allem für junge Menschen attraktiver gemacht
werden. Sorge bereiten der AU-Kommissarin die zunehmenden Konflikte
um den Zugang zu Wasser. Als Beispiel nannte sie den Nil, dessen
Einzugsgebiet fast ein Viertel der afrikanischen Bevölkerung
beherbergt und der das wichtigste Süßwasserreservoir der Region
darstellt. Grenzüberschreitende Kooperationen und
Aushandlungsprozesse sind nötig, um die nachhaltige Nutzung der
knappen Ressource Wasser zu garantieren.
"Das Prinzip der nachhaltigen Nutzung bedeutet auch, dass nicht
jedes Produkt an jedem Standort produziert werden kann", betonte
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt auf dem
Internationalen Wirtschaftspodium, das von der deutschen Agrar- und
Ernährungswirtschaft ausgerichtet wird. Und: "Wir brauchen die
Wirtschaft für die Entwicklung und Umsetzung technischer
Möglichkeiten." Allerdings warnte er mit Blick auf die Chancen von
Digitalisierung und "Big Data" vor zu starken
Konzentrationsprozessen, die dazu führen, dass keine Lösungen mehr
für regionale oder lokale Probleme angeboten werden. Und auch, wenn
Kleinbauern nicht allein die Antwort auf die Frage der Welternährung
sein könnten: "Wenn wir den Fokus nur auf Großbetriebe legen,
riskieren wir, dass viele Menschen den Anschluss verlieren."
"Wir nutzen die Möglichkeiten der Digitalisierung, um Wissen zu
verbreiten", beschrieb Thomas Böck, Mitglied der Konzernleitung beim
Landmaschinenhersteller Claas, was er als eine der Aufgaben des
Privatsektors betrachtet. Daten könnten gespeichert und mit lokalem
Wissen kombiniert werden. Dies müsse sich nicht nur auf große
Maschinen beziehen. Maßnahmen zur Verringerung von Bodenverdichtungen
oder zum Senken von Nährstoffeinträgen ließen sich auch auf die
Produktionsbedingungen von Kleinbauern übertragen. Entsprechende
Empfehlungen könnten diese beispielsweise über ihr Smartphone
erhalten.
"Kein Land - außer vielleicht der eine oder andere Stadtstaat -
hat es bisher aus der Armut geschafft, ohne die Kleinbauern
einzubeziehen", unterstützte auch Rodger Voorhies, Direktor der
Stiftungsinitiative Finanzleistungen für Arme bei der
Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, die Forderung des deutschen
Agrarministers. Hat ein afrikanischer Kleinbauer etwa die
Möglichkeit, bei Bedarf den Einsatz von Betriebsmitteln zu
finanzieren, kann das die Produktivität seines Betriebes schnell um
rund ein Viertel steigern. "Dies kann schon darüber entscheiden, ob
er seine Kinder zur Schule schicken kann oder nicht", erklärte
Voorhies. Die Organisation fördert hierfür die Entwicklung digitaler
Zahlungssysteme und arbeitet zudem an der "ersten digitalen
Bodenkarte Afrikas".
Und was kann die Politik tun? "Richtige Anreize setzen, damit die
Landwirte ihre Verhaltensmuster ändern", meint der indische
Agrarökonom und Politikberater Ashok Gulati. Viele Länder hätten ihre
Landwirtschaft jahrelang subventioniert, um die Lebensmittelpreise
niedrig zu halten. Dies habe zu einer massiven Verschwendung von
Wasser und Energie geführt. Landwirte sollten dafür entlohnt werden,
Wasser einzusparen. Auch müsste die Handelspolitik verschiedener
Länder so geändert werden, dass wasserintensive Kulturen nur dort
angebaut werden, wo ausreichend Wasser vorhanden ist. Neben der
Förderung entsprechender Technologien müssten vor allem die
Institutionen gestärkt werden, die mit dem Wassermanagement betraut
sind.
China hat bereits mehrere Schritte in diese Richtung getan, wie
Landwirtschaftsminister Han Changfu verdeutlichte. Der Einsatz von
Pflanzenschutz- und Düngemitteln soll gesenkt werden, um die
Verschmutzung der Gewässer zu reduzieren. Um die knappen Ressourcen
besser zu verteilen, hat das Land Wassernutzungsrechte vergeben. Der
Wasserverbrauch konnte von 392 Milliarden Kubikmeter im Jahr 1989 auf
387 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2014 gesenkt werden. Wer Wasser
verschmutzt, muss dafür zahlen. "Wir wollen eine grüne Entwicklung
fördern, die es der Landwirtschaft ermöglicht, nachhaltig zu
wirtschaften, aber gleichzeitig ihre Wettbewerbskraft zu steigern",
betonte der Minister.
Den Höhepunkt der dreitägigen Konferenz bildete die Berliner
Agrarministerkonferenz, zu der sich auf Einladung von Bundesminister
Christian Schmidt Agrarministerinnen und -minister aus 83 Ländern
sowie hochrangige Vertreter der Welternährungsorganisation FAO und
der EU-Kommission trafen. In ihrem Abschlusskommuniqué verpflichteten
sich die Politikerinnen und Politiker, sich für einen nachhaltigen
Umgang mit der Ressource Wasser einzusetzen. Ihre
Handlungsempfehlungen dazu orientieren sich an vier zentralen
Problembereichen: dem Zugang zu Wasser für die Landwirtschaft, der
Verbesserung und Sicherung der Wasserqualität, den Umgang mit
zunehmender Wasserknappheit und dem Management von Wasserüberschuss.
Zum Abschluss der Konferenz übergab Minister Schmidt das
Kommuniqué an FAO-Generaldirekter José Graziano da Silva. Dieser
erinnerte daran, dass die Weltgemeinschaft bei der Verabschiedung der
17 Ziele für nachhaltige Entwicklung - der Sustainable Development
Goals, SDGs - im September 2015 auch den nachhaltigen Umgang mit
Wasser festgeschrieben hat (Ziel Nr. 6). Die Handlungsempfehlungen
sollen helfen, die Umsetzung der Agenda 2030 aktiv voranzubringen.
Zudem sollen sie beim heutigen G20-Agrarministertreffen in Berlin
aufgegriffen und im weiteren G20-Prozess konkretisiert werden.
Das Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) wird seit 2009 im
Rahmen der Internationalen Grünen Woche veranstaltet. Auf der
hochkarätigen Konferenz treffen sich Expertinnen und Experten aus der
ganzen Welt, um über zentrale Zukunftsfragen der globalen
Landwirtschaft und Welternährung zu diskutieren. In diesem Jahr stand
das GFFA unter dem Motto "Landwirtschaft und Wasser - Schlüssel zur
Welternährung".
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