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Digitales Defizit: Energieversorger mit Nachholbedarf /
Oliver Wyman erhebt Digitalisierungsindex der deutschen EVU (FOTO)

ID: 1447618

(ots) -
Die etablierten deutschen Energieversorgungsunternehmen (EVU)
nutzen die Potenziale der Digitalisierung bislang nur begrenzt -
insbesondere in den Segmenten Vertrieb und Erzeugung. Insgesamt muss
die Energiewirtschaft nachholen, um effizienter zu werden, Kunden
besser zu bedienen und die Markteinstiegshürden für neue oder
bekannte Wettbewerber zu erhöhen. Andernfalls droht ihr, Marktanteile
auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette an neue Marktteilnehmer zu
verlieren. Das zeigt der aktuell erhobene "Digitalisierungsindex EVU"
der internationalen Managementberatung Oliver Wyman.

Die Berater bewerten den Grad der Digitalisierung der deutschen
EVU entlang der Wertschöpfungsstufen Erzeugung, Handel, Netze und
Vertrieb. Der daraus abgeleitete Digitalisierungsindex zeigt: Auf
einer Skala von null bis 100 stehen die deutschen Energieversorger
bei nur 31 Punkten. (Null bezeichnet nicht vorhandene oder sehr
begrenzte Digitalisierung, 100 steht für eine branchenübergreifende
Best-in-Class-Lösung). Thomas Fritz, Energie-Experte und Partner bei
Oliver Wyman: "Die Ergebnisse unserer Analyse machen deutlich, dass
die etablierten Versorger die durch die Digitalisierung entstehenden
Chancen allenfalls ansatzweise ausschöpfen."

Erzeugung und Vertrieb am schwächsten

Besonders am Anfang und am Ende der Wertschöpfungskette sind die
deutschen EVU schwach aufgestellt. Der Bereich Erzeugung kommt auf
lediglich 30 Digitalisierungspunkte, der Bereich Vertrieb sogar nur
auf 23 Punkte. Jörg Stäglich, Partner bei Oliver Wyman und Leiter der
europäischen Energieversorger-Practice der Managementberatung: "Wenn
diese wichtigen Bereiche der Wertschöpfungskette nicht richtig
aufgegleist sind, kann auch das Potenzial aus Digitalisierung nur
bedingt gehoben werden."

Dabei bestehen gerade im Bereich der dezentralen Energie-Erzeugung




vielfältige Chancen, mithilfe der Digitalisierung die große Menge der
in den letzten Jahren errichteten Anlagen effizienter zu managen. Das
haben Innovatoren wie das Start-up Kaiserwetter schon vorgemacht:
Durch das digitale Management der Anlagen und des gesamten Portfolios
konnten deren technische Leistung und damit der finanzielle Ertrag
nachhaltig verbessert werden. Ein zweites Beispiel: General Electric
hat ein real existierendes Kraftwerk digital nachgebaut und kann so
die Abläufe simulieren. "Digital Twin" - so heißt das virtuelle
Kraftwerk im Rechner - stützt sich bei der Simulation auf Input aus
physischen Größen und modelliert den Status einzelner
Kraftwerkskomponenten.

Im Handel (39 Digitalisierungspunkte) werden sich die EVU mit
revolutionären digitalen Technologien wie den Blockchains
auseinandersetzen müssen. Hier bestehen bei den Unternehmen noch
erhebliche strategische Defizite. Die Blockchain-Technologie nutzt
kryptografische Listen für Transaktionen und macht so eine zentrale
Kontrollfunktion überflüssig. Damit sinken die Eintrittsbarrieren,
junge Firmen drängen mit innovativen Lösungen auf den Markt und
sorgen für mehr Wettbewerb. So wurde bereits im Frühjahr 2016 in New
York der erste Trade für Solarstrom auf der Grundlage von
Blockchain-Algorithmen gehandelt.

Im Bereich Netze (41 Digitalisierungspunkte) wenden EVU digitale
Analyse-Tools noch nicht konsequent genug an. Dazu gehören etwa
Reparaturen kritischer Teile der Infrastruktur auf Basis einer
kontinuierlichen digitalen Ãœberwachung und Predictive Maintenance.
Oder auch "selbstheilende Netze": Bei ihnen werden automatisch Fehler
geortet und isoliert, anschließend die Stromversorgung ebenfalls
automatisch wiederhergestellt. In Rotterdam etwa werden solche
Netzstrukturen bereits eingesetzt.

Im Vertrieb - vor allem beim Privatkundengeschäft - könnten die
EVU durch digitale Kanäle Kundenbedürfnisse signifikant besser und
individueller bedienen, als es derzeit geschieht. Soziale Medien,
Angebote in Echtzeit und Multi-Channel-Kontaktpunkte - beispielsweise
über Apps, Kundenportale und per SMS - sind erste Ansätze in diesem
Kontext. In diesem Bereich, so die Oliver Wyman-Analyse weiter,
können die Versorger von modernen digitalen Vertriebsplattformen von
internationalen Telekommunikationsunternehmen wie Jawwy in
Saudi-Arabien lernen. Ihnen ist es gelungen, digitale
Kundenkontaktkanäle zu integrieren und erfolgreiche Erlebniswelten
aufzubauen.

Die Experten von Oliver Wyman sehen das größte Potenzial in der
Digitalisierung der Bereiche Vertrieb, Netz und dezentrale Erzeugung.
"Im Netz haben viele Versorger bereits erste Schritte unternommen",
sagt Stäglich. "Vor allem im Vertrieb und in der dezentralen
Erzeugung müssen sie jedoch aufholen." Dazu zähle auch, dass die
Versorger ihre Angebote attraktiver sowie kundenindividueller
zuschneiden und über eine Vielzahl digitaler Kanäle an die Kunden
herantragen. "Dieses Angebot geht weit über Strom und andere
Commodities hinaus," sagt Stäglich.

Nach vorne schauen und Chancen ergreifen

Innovative Start-ups wie SwitchUp.de und Grid Singularity sind
besonders in den Bereichen Vertrieb und Handel aktiv und drohen, den
etablierten Energieversorgern das Geschäft streitig zu machen. "Nicht
nur deutsche Versorger haben hier Nachholbedarf," sagt
Energie-Experte Thomas Fritz. "Der Trend ist ganz klar global zu
beobachten. Alle Energieversorger müssen sich den digitalen
Veränderungen stellen, damit sie weiterhin im Markt erfolgreich
agieren können."

Die Herausforderungen, das zeigt die Analyse von Oliver Wyman,
reichen von einer Verbesserung der Datenqualität über
Automatisierungen, optimierten Planungen und Advanced Analytics bis
hin zu neuen Technologien um Blockchains und Big Data. "Lösen die EVU
diese Zukunftsaufgaben", so Fritz, "können sie anschließend
Produktinnovationen umsetzen, mit denen sie neue Kundensegmente
erschließen und bestehende erweitern. Gleichzeitig können
signifikante Effizienzen in den Prozessen gehoben werden. So liegt in
der Digitalisierung der Energiebranche vor allem eine große Chance."

Ãœber den "Digitalisierungsindex EVU"

Für den Index bewerteten die Oliver Wyman-Experten den Grad der
Digitalisierung von acht deutschen Energieversorgern im Zeitraum
Dezember 2016. Dabei wurde die Digitalisierung der unterschiedlichen
Ebenen der Wertschöpfungskette (Erzeugung, Handel, Netze und
Vertrieb) anhand eines spezifischen Fragekatalogs auf einer
Punkteskala von null bis 100 bewertet. Im B2C-Vertrieb zählen dazu
etwa Fragen zur Nutzung sozialer Medien in der Kundengewinnung, der
Intensität mobiler Lösungen im Interaktionsprozess mit dem Kunden,
der Nutzung virtueller Agenten im Customer-Care-Prozess und der
digitalen Platzierung personaspezifischer Angebote/Customer Journeys.



Pressekontakt:
Maike Wiehmeier
Senior Communications Associate DACH
Oliver Wyman
Tel. +49 89 939 49 464
maike.wiehmeier(at)oliverwyman.com

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