(ots) - Sein Markenzeichen ist die Sprunghaftigkeit.
Sigmar Gabriel - Noch-Parteivorsitzender der SPD - ist auch zur
Ãœberraschung seiner eigenen Partei abgesprungen: Er verzichtet auf
Kanzlerkandidatur und Parteivorsitz. Letzteres folgt logisch
Ersterem. Die Macht muss in einer Hand liegen. Martin Schulz, bis vor
kurzem noch der angesehene Präsident des Europäischen Parlaments,
soll in der Bundestagswahl nun auf beiden Posten für die SPD siegen.
Es sieht nach einer Verzweiflungstat aus. Gabriel galt als
Kanzlerkandidat gesetzt, vor allem, nachdem die SPD um den
Jahreswechsel durchsickern lassen hatte, Schulz werde Gabriel den
Posten nicht streitig machen. Wer den Parteivorsitz hat, muss auch
die Macht wollen. Will er diese nicht, ist er politisch weg vom
Fenster. Dies wird Gabriels Los sein, auch wenn er als Außenminister
in Nachfolge für Frank-Walter Steinmeier in den letzten Monaten der
schwarz-roten Koalition noch telegen an die Krisenherde der Welt
reisen kann.
Gabriels Rückhalt in der eigenen Partei ist schwach. Bei seiner
Wiederwahl zum SPD-Vorsitzenden 2016 straften ihn die Genossen ab.
Nach einer nun selbst beauftragten Umfrage sollen aber vor allem die
potenziellen SPD-Wähler Schulz mehr Chancen einräumen als ihm. Das
hat für Gabriel den Ausschlag gegeben. Er hat die Notbremse gezogen.
Schulz soll für den Neuanfang in der SPD stehen. Die Partei kämpft
mit Umfragewerten von nur knapp über 20%. Folgt man den Demoskopen,
wäre nach aktueller Arithmetik nur die Wiederauflage der großen
Koalition mit der SPD als Junior möglich - kein erstrebenswertes
Ziel. Will die SPD den Kanzler stellen, muss sie in Kategorien von
Rot-Rot-Grün denken. Sie umgarnt auch die FDP. Alles ist möglich in
diesen unruhigen Zeiten, in denen die Wahlforscher oft danebenliegen.
Schulz ist als Kandidat für die Wähler zwar ein frisches Gesicht,
aber innenpolitisch ein unbeschriebenes Blatt. Wofür er in der
deutschen Politik steht, das muss er noch darlegen. Viel Zeit bleibt
dem Import aus Brüssel bis zum 23.September nicht, sein Bild
hierzulande zu formen. Der 61-Jährige wird die nur unwesentlich
ältere Kanzlerin Angela Merkel als CDU-Kandidatin herausfordern. Ein
personeller Neuanfang sieht anders aus. Auch die Kabinettsumbildung
auf SPD-Seite setzt auf bewährtes Personal. Das
Bundeswirtschaftsministerium wird künftig die gestandene Brigitte
Zypries führen, die dort schon als Staatssekretärin wirkt und
Erfahrung als Justizministerin hat. Keine Experimente, so scheint es.
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