(ots) - Besserwisser nerven nicht, weil sie falsch liegen.
Sondern weil sie etwas tatsächlich besser wissen, aber nicht, wann es
mal gut ist, das zu betonen. Europas Politiker, Ökonomen und
Intellektuelle haben definitiv oft genug erklärt, warum Trump nicht
US-Präsident sein sollte. Warum seine Art keine ist, sein
Protektionismus allen schadet und er die Gleichberechtigung um
Jahrzehnte zurückwirft. Ja, das alles musste einmal, vielleicht auch
zweimal gesagt werden. Aber nun, da Trump auf all die klugen Köpfe
einfach nicht hören will und sein "America first"-Mantra in die Tat
umsetzt, wird es Zeit für Europa, eine Gegenstrategie zu entwickeln.
Darauf zu hoffen, das Amt werde den Politnovizen schon einfangen,
ist weder eine Strategie noch zu erwarten. Dass sich Trump etwas von
der Kritik aus Übersee annimmt - eine naive Vorstellung. Natürlich
konnte und mochte sich in Europa niemand ausmalen, dass ein im
eigenen Land als Politclown verhöhnter Haudrauf das mächtigste Land
der Welt führen könnte. Oder dass einmal China den von Amerika
bedrohten Freihandel verteidigen würde. Im Ergebnis sagt das aber vor
allem etwas über die mangelnde Vorstellungskraft der Europäer aus,
die schon den Austritt der Briten aus ihrem angestaubten Klub nicht
für möglich gehalten hatten.
Dass sie Trump ernst nehmen wollen, sagen Politiker in Berlin und
Brüssel ja durchaus. Doch sie meinen das als Handreichung, wollen ihn
erst einmal kennenlernen und diplomatisch weich kochen. Daraus
spricht noch immer die Hoffnung, Trump werde seine Drohungen nicht
wahr machen. Ihn wirklich ernst zu nehmen hieße aber, eben damit
nicht zu rechnen. Wenn der neue US-Präsident auf jede diplomatische
Konvention pfeift, darf Europa ihn auch nicht wie jeden anderen
behandeln. Den richtigen Ton trifft als einer der wenigen der
scheidende SPD-Chef Sigmar Gabriel. Die Amerikaner sollten eben
bessere Autos bauen, wenn sie nicht so viele BMWs auf ihren Straßen
sehen wollen, entgegnete er Trumps Drohung mit Strafzöllen. Ob
Gabriel derlei als Außenminister noch sagen kann? Na, hoffentlich.
Einem Trump begegnet man besser mit breiter Brust. Europas
Politiker sollten sich kein Beispiel an den Unternehmensbossen
nehmen, die für Audienzen anstehen, um Trump milde zu stimmen.
Politisch klüger wäre es, jetzt den Handel mit anderen Regionen
auszubauen, um Einbußen in den USA mit neuen Absatzmärkten
vorzubeugen. Freihandelsabkommen fehlen Europa etwa in der
Wachstumsregion Südostasien, in Südamerika gilt es einige zu
erneuern, auch mit Mexiko. Europa sollte jetzt in jene Regionen
gehen, mit denen Trump bricht. Schottet er Amerika ab, wird Europa
ihn davon nicht abhalten. Wenn der alte Kontinent aber so überzeugt
ist, dass Trump alles falsch macht, sollte er das genaue Gegenteil
tun und sich selbst weiter öffnen.
Weil "America first" kurzfristig durchaus Erfolge wie
Industrie-Jobs zeitigen kann und Nachteile erst mittelfristig
sichtbar werden, muss Europa bereit sein, das eine gewisse Zeit
auszuhalten. Nationalisten in Frankreich, Polen, Holland und
hierzulande werden jeden Trump-Erfolg für ihre Propaganda nutzen.
Gleichzeitig muss die EU Austrittsverhandlungen mit den Briten
führen, die sich ihrerseits Trump zuwenden. Wann, wenn nicht jetzt
soll die EU ihre Reihen schließen und endlich als Einheit auftreten.
Als solche wäre sie wehrhaft, könnte etwa die Steueroasen für
US-Konzerne in Europa trockenlegen. Dafür müssten Partner wie Irland
oder Luxemburg freilich ihren nationalen Egoismen abschwören. Die
gibt es keineswegs nur in Trumps Amerika.
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