(ots) - Manchmal hängt der Himmel voller Geigen. Für
Siemens war am Mittwoch so ein Tag. Die Aktie pirschte sich auf
wenige Cent an den Höchststand aus dem Jahr 2000 heran, die
Marktkapitalisierung war nur ein paar Prozent vom bisherigen
Rekordwert von 101 Mrd. Euro im Jahr 2007 entfernt, der künftige
Aufsichtsratschef konnte ausgerufen werden, und viele Aktionäre
lobten das Management auf der Hauptversammlung in den höchsten Tönen.
Die Anteilseigner konnten es sich sogar leisten, die Petitesse der
gestrichenen Tickets für die Anreise mit dem öffentlichen Nahverkehr
zu einem Debattenthema zu stilisieren. Nicht zuletzt: Konzernchef Joe
Kaeser genehmigte sich den Luxus, sich aus dem Rampenlicht zu nehmen,
indem er erstmals auf einer Quartalspressekonferenz andere
Vorstandskollegen als den Finanzchef auftreten ließ. Mehr Wohlgefühl
war selten.
Die Streicheleinheiten der Aktionäre sind berechtigt. Kaeser und
seine Mannschaft machen fast alles richtig. Dies ist schwerer, als es
aussieht. Denn es erfordert nicht nur exakte Analyse und korrekte
Schlussfolgerungen, sondern auch hohen persönlichen Einsatz. In
Zeiten, in denen Infrastrukturinvestitionen Mangelware sind, muss die
erste Garde ins Feld, auch um Aufträge zu akquirieren. Sicherlich:
Dies ist im Gehalt inkludiert. In der Vergangenheit hat dies aber
nicht jeder Vorstand so ausgeprägt umgesetzt. Allerdings gibt es
nichts Gefährlicheres für die Zukunft als den aktuellen Erfolg.
Weniger Konsequenz aber ist keine Option, weil Siemens natürlich
weiterhin Verbesserungsbedarf hat. Strategisch gilt dies
beispielsweise für das Zuggeschäft. Der neue Weltmarktgigant aus
China wird die Münchner an die Wand drücken, wenn ihnen keine Fusion
gelingt. Organisatorisch ist die Siemens-Führung nicht international
genug aufgestellt. Im Alltagsgeschäft gilt es jene Sparten auf
Vordermann zu bringen, die margenschwach sind. Kulturell wird
vielerorts noch kein offenes Wort gepflegt, das das Hinterfragen auch
von fehlerhaften Entscheidungen der Chefs ermöglichen würde.
Finanztechnisch sollte das Geschäft kalkulierbarer werden, so dass
Jahresprognosen nicht so schnell korrigiert werden müssen.
Trotz dieser Mängelliste: Das größte Risiko sind aktuell exogene
Schocks. Als Infrastrukturanbieter wird Siemens besonders getroffen
durch politische Instabilität. Ob man dies mag oder nicht: In diesem
Umfeld steigt die Bedeutung einer Unterstützung durch die Berliner
Politik bei der Auftragsakquise. Auch nach dem Wechsel an der Spitze
des Wirtschaftsministeriums sollte diese Rückendeckung anhalten.
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