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Umfrage: Immer mehr Wechselwähler in Bayern - starke Zunahme an politischem Interesse - Abnahme derjenigen, die sich für politisch informiert halten (FOTO)

ID: 1453513

(ots) -
Wie bewertet der Wähler Parteien und das Parteiensystem in Bayern?
Damit beschäftigt sich eine repräsentative Studie der
Hanns-Seidel-Stiftung, die heute (7. Februar 2017) in München
vorgestellt wurde. Trotz guter wirtschaftlicher Lage bestimmen
emotionsbesetzte Themen wie Innere Sicherheit und
Flüchtlinge/Zuwanderung das politische Klima: Der Anteil derer, die
mit der Demokratie unzufrieden sind, ist seit 2001 von 22% auf 48%
angestiegen. Auch die Anzahl notorischer Nichtwähler verdoppelte sich
binnen sechs Jahren von 9% auf 18%. Zu großer Unsicherheit führt auch
der weiter gestiegene Anteil der Wechselwähler von 31% auf 40% binnen
nur eines Jahres. Die ermittelten Ergebnisse sind eine große
Herausforderung für die Demokratie und eine Chance für die
Politischen Stiftungen, deren Aufgabe es ist, die Bürger politisch zu
bilden.

Ãœberaus positiv beurteilen 60% der Bayern die derzeitige
wirtschaftliche Lage in Deutschland, die eigene finanzielle Lage
immerhin 64%, wobei die Mehrheit von einem Gleichbleiben oder sogar
von einer weiteren Verbesserung der Situation ausgeht. Andererseits
bieten die bestehenden Verhältnisse 68% der Bayern Anlass zur
Beunruhigung und 50% sehen zudem der Zukunft mit Befürchtungen
entgegen.

Diese in früheren Untersuchungen der Hanns-Seidel-Stiftung noch
nie gemessene Diskrepanz zwischen einer extrem positiven Sicht der
Wirtschaftslage bei einem gleichzeitigen Höchststand allgemeiner
Sorgen und Zukunftsängste lässt darauf schließen, dass die beiden
besonders emotionsbesetzten Themenkomplexe Innere Sicherheit/Terror
(88%) und Flüchtlinge/Zuwanderung (84%) als derzeit mit Abstand
wichtigste bundespolitische Probleme die allgemeine Grundstimmung
trotz der positiven ökonomischen Lage sehr stark belasten.

Die aktuellen politischen Rahmenbedingungen haben nicht nur bei




den Stimmungsindikatoren, sondern auch im Hinblick auf die Akzeptanz
der Parteien und des politischen Systems zu deutlichen Veränderungen
geführt. So ist der Anteil politisch (sehr) stark Interessierter seit
2001 von 28% auf einen Höchststand von 54% angestiegen, während die
Befragten-Anteile, die sich für politisch informiert halten, seit
2003 von 67% auf 44% zurückgingen. Bei dieser Entwicklung dürfte
sowohl die Zunahme gleichzeitig weltweit stattfindender Krisen als
auch die Unübersichtlichkeit und Gegensätzlichkeit der
Informationsquellen im Rahmen fortschreitender Digitalisierung eine
Rolle spielen.

Diese Entwicklungen wirken sich auch negativ auf die Zufriedenheit
mit der Demokratie aus. Seit 2001 ist der Anteil der mit der
Demokratie unzufriedenen Bayern von 22% auf 48% angestiegen, während
die einigermaßen Zufriedenen nur noch 36% und die sehr Zufriedenen
15% ausmachen. Fundamentale Kritik am System der repräsentativen
parlamentarischen Demokratie bleibt aber bisher noch eher die
Ausnahme.

Auch die grundsätzlichen Haltungen gegenüber Parteien haben sich
geändert. Immerhin gut zwei Drittel der Bayern neigen trotz des
sozialen und gesellschaftlichen Wandels, der zur Auflösung einiger,
für Parteien wichtiger sozialer Milieus führte, immer noch einer
Partei grundsätzlich zu. Das Bestehen einer Parteiidentifikation
bedeutet heute allerdings primär nur noch eine stark erhöhte
Wahlwahrscheinlichkeit für die grundsätzlich bevorzugte Partei, die
jedoch seltener als früher als Garantie für die Wahl dieser Partei
verstanden werden darf.

Gleichzeitig wird die langfristig sinkende Wahlbeteiligung immer
häufiger an aktuellen politischen Vorgängen festgemacht und zunehmend
seltener als normale Entwicklung angesehen. Hinzu kommt, dass auch
der Anteil der notorischen Nichtwähler, die angeben, nie oder so gut
wie nie zur Wahl zu gehen, seit 2010 von 9% auf 18% angestiegen ist.
Während auch die Gruppe der anlass- bzw. themenbezogenen Wähler mit
36% mehr als doppelt so groß ist wie im Jahr 2010, ist gleichzeitig
der Anteil der Bayern, die angeben, fast immer zur Wahl gehen, im
gleichen Zeitraum von 67% auf 35% gesunken.

Die Bereitschaft, sich selbst als Wechselwähler einzustufen, ist
seit Anfang 2016 von 31% auf 40% angestiegen, obwohl der Anteil der
Bayern, die sich als Stammwähler bezeichnen, mit 55% immer noch sehr
hoch liegt. Der neuerdings erkennbare Trend zu einer häufigeren
Selbsteinstufung als Wechselwähler kann ein Indiz dafür sein, dass
die Bereitschaft der Wähler größer geworden ist, zukünftig
Wechselwahl zu praktizieren.

Zwischen allen Parteien lassen sich zudem mehr oder weniger große
Überschneidungen ihrer Wählerpotentiale feststellen. Neben der
aktuellen Wahlabsicht kommt inzwischen für Wähler einer bestimmten
Partei durchschnittlich die Wahl von etwa zwei weiteren Parteien
zumindest "unter Umständen" in Betracht. Nur für jeden Zehnten gibt
es keinerlei Wahlalternative zur derzeit gewählten Partei. Da jedoch
nicht alle theoretisch denkbaren Wahlalternativen in die Tat
umgesetzt werden, dürfte der tatsächliche Stammwähleranteil wohl eher
bei 25% bis 30%, d.h. in der Mitte zwischen diesem Zehntel und den
bei den Selbsteinstufungen gemessenen Anteilen von mehr als der
Hälfte Stammwähler liegen.

Im Hinblick auf die Volksparteien ergibt sich ein ambivalentes
Bild. Wahrgenommen werden sowohl Stärken wie Größe,
Durchsetzungsvermögen und Gestaltungsmacht (64%) und das breitere
personelle (53%) und thematische Angebot (41%) verbunden mit einem
Interessenausgleich (32%), als auch Defizite wie Schwerfälligkeit,
Inflexibilität (59%) und das Eingehen fauler Kompromisse (64%). Trotz
aller Kritik halten nur 22% der Bayern die Volksparteien eindeutig
für ein Auslaufmodell. Die zunehmende Geringschätzung des
Kompromisses in der Politik und der Standpunkt, dass man eine Partei
nicht wählen kann, wenn sie bei einem zentralen Thema eine andere
Position vertritt (35% ja, 31% teilweise), deuten aber auf eine
schwierigere Ausgangslage für die Volksparteien hin, insbesondere
wenn es um Kompromisse und den Ausgleich konfligierender Interessen
innerhalb ihrer Klientel geht.

Ähnlich wie bei den Volksparteien werden auch den kleineren
Parteien sowohl Positiva als auch Negativa zugeschrieben. Für einen
erheblichen Anteil der Wählerschaft haben sich die kleineren Parteien
als eine Art Gegenmodell zu den Volksparteien einen
"gleichberechtigten" Platz im deutschen Parteiensystem erkämpft. Sie
sind weniger auf Kompromisse (56%) angewiesen und üben zumindest
Druck auf die etablierten Parteien aus (68%), wenn sie auch selbst
nicht unbedingt zur Lösung der Probleme fähig (51%), oft zudem
chaotisch (56%) und thematisch (68%) sowie personell (60%) weniger
breit aufgestellt sind.

Bei der Beschreibung des Wahlverhaltens ist die früher übliche,
einfache Einteilung in Stamm- und Wechselwähler heute angesichts
veränderter Einstellungen, schwindender Parteibindungen sowie
häufigerer zeitweiser oder dauerhafter Nichtwahl nicht mehr
ausreichend. Insbesondere dem Thema der temporären Nichtwahl (36%)
sollte in Zukunft eine größere Relevanz beigemessen werden, da dieses
eine klare Abgrenzung von notorischer Nichtwahl (19%) erlaubt und
zugleich eine differenziertere Sicht auf die Stamm- und Wechselwähler
ermöglicht. Insbesondere die "temporäreren Stammwähler" (18%), die
sich zwar grundsätzlich zu einer Partei bekennen, aber nur in
Abhängigkeit von der subjektiven Relevanz der jeweils anstehenden
Wahl überhaupt an die Wahlurne treten, bedeuten für Parteien einen
erhöhten Mobilisierungsaufwand, aber auch eine Chance.

"Die Ergebnisse der Studie bestätigen und belegen Veränderungen im
Wählerverhalten und der Wahrnehmung der Politik in der Bevölkerung,
wie wir das schon seit einiger Zeit beobachten", sagt Ursula Männle,
Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung. "Gerade deswegen ist der
Auftrag der Stiftungen zur politischen Bildung heute so wichtig wie
nie. Auf die Veränderungen werden wir noch mehr als bisher reagieren
und verstärkt für die aktive Teilnahme und das Interesse der
Bürgerinnen und Bürger an unserer Demokratie werben. Ich appelliere
an die Menschen, von ihrem demokratischen Grundrecht zur Wahl auch
Gebrauch zu machen!"

Zur Methodik: Insgesamt wurde in der Zeit vom 31. Oktober bis zum
24. November 2016 durch die auch für die Konzeption verantwortliche
GMS Dr. Jung GmbH, Hamburg, mittels computergestützter
Telefoninterviews (CATI) auf Basis einer Zufallsstichprobe ein
repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung Bayerns ab 16 Jahren
befragt. Dabei wurden 2.063 Interviews realisiert. Die
durchschnittliche Interviewdauer betrug ca. 30 Minuten.

Weitere Ergebnisse der Studie mit Tabellen und Schaubildern im
Internet unter www.hss.de .



Pressekontakt:
Hubertus Klingsbögl, Tel. +49 (0)89 1258 262, presse(at)hss.de

Original-Content von: Hanns-Seidel-Stiftung, übermittelt durch news aktuell


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Datum: 07.02.2017 - 13:59 Uhr
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