(ots) - Wladimir Kaminer: Ich bin ein großer Fan von
Merkel
Autor kritisiert Führung in Moskau und Washington - "Russendisko"
aus Gesundheitsgründen nur noch selten
Osnabrück. In Zeiten schwindender Popularität der Bundeskanzlerin
outet sich Wladimir Kaminer (49) als treuer Anhänger. "Ich bin ein
großer Fan von Angela Merkel. Sie sieht aus wie eine gemütliche Tante
aus der Küche, die von nichts Ahnung hat außer Mathematik, aber in
Wahrheit ist sie einer der weitsichtigsten Politiker überhaupt",
sagte der "Russendisko"-Autor in einem Interview mit der "Neuen
Osnabrücker Zeitung" (Samstag). Dass in der Flüchtlingspolitik stets
über Risiken geredet werde, empfindet der Wahl-Berliner "als typisch
für die Deutschen": "Sie reden immer schnell über die Nachteile und
lassen die Vorteile außen vor. Wenn es den Deutschen gelingt - und
mit Merkel können sie das sehr gut -, diesen jungen Menschen Ehrgeiz
statt Verzweiflung und einen Lebensentwurf statt Frustration zu
geben, werden alle davon profitieren", sagte der Autor weiter. Für
seine zweite Heimat hat der in Moskau geborene Kaminer viel Lob
übrig: "Deutschland ist heute ein Turm zu Babylon, eine unglaubliche
Mischung aus verschiedenen Kulturen und Lebensentwürfen", sagte der
49-Jährige. "Wenn ich auf meine 27 Jahre in Deutschland schaue, sehe
ich eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Ich sehe sehr viele Menschen
um mich herum, die Energie, Lust und Chuzpe haben, ein besseres
Europa zusammen zu bauen. Und ich fühle mich glücklich in diesem
Land." Russland ginge es hingegen "immer schlechter", so Kaminer, der
die Regierung im Kreml kritisiert. "Ein Staat muss als
Solidargemeinschaft einen Sinn und einen Zukunftsentwurf haben. Man
braucht einen politischen Überbau. Die Menschen müssen ihre Wünsche
definieren können, und eine Führung sollte sie respektieren und
realisieren. Das ist aber mit der "Sicherheitsabteilung" nicht zu
machen. Für das russische Volk wird immer nur eine Art Fake-Politik
inszeniert, es gibt keine echte Politik und auch keine Politiker."
Von der neuen US-Führung hält der Autor auch sehr wenig: "Amerika
hatte noch nie einen so unerfahrenen Präsidenten und so ein schwaches
Kabinett. Putin hat großes Glück, nun einen Gesprächspartner zu
haben, der ein totes Eichhörnchen auf dem Kopf trägt, wie man in
Russland schon witzelt. Fünf Fragen - und Putin hat Trump
auseinandergenommen." Dass Kaminer mittlerweile mit seiner
"Russendisko"-Veranstaltung deutsche Kultur im Ausland präsentiere,
wie zuletzt auf der Buchmesse 2016 im finnischen Turku, empfinde er
nicht als paradox. "Das ist eine Völker verbindende Sache und zeigt,
dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, in dem die Russendisko
dazugehört", sagte Kaminer. Allerdings organisiere er "wegen der
Gesundheit" nur noch selten eine "Russendisko". "Ich werde
schließlich in diesem Jahr 50. Ich kann nicht mehr jede Nacht bis an
die Decke springen. Wodka ist da kein guter Ratgeber. Wodka bringt
mich langfristig eher nach unten als nach oben."
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