(ots) - Mit Blick auf das Wahljahr 2017 warnt der Deutsche
Städte- und Gemeindebund die Politik davor, den Menschen immer noch
weitere zusätzliche und neue Sozialleistungen zu versprechen. Das
wird zu einer Enttäuschung führen. "Deutschland kann nicht mit immer
weniger jungen Menschen und immer mehr Älteren noch weitere
Sozialleistungen erwirtschaften. Schon jetzt sieht der Bundeshaushalt
2017 Sozialausgaben in Höhe von 162 Milliarden vor. Das sind 49,3
Prozent des Gesamthaushaltes", erklärte DStGB-Hauptgeschäftsführer
Dr. Gerd Landsberg aus Anlass des Welttags der Sozialen Gerechtigkeit
an diesem Montag.
Auch die Sozialausgaben der Kommunen haben längst die
50-Milliardengrenze überschritten und steigen weiter. Damit sind wir
der sozialste Staat, den es je auf deutschem Boden gegeben hat. Die
teilweise geübte Fundamentalkritik von bestimmten politischen Kräften
und einzelnen Wohlfahrtsverbänden ist insoweit im wahrsten Sinne des
Wortes postfaktisch.  Die Erwartungshaltung der Bürger gegenüber dem
Staat wird immer höher. Viele Menschen sehen sich offenbar nur noch
als Konsument in der Politik. Die Politik und die Politiker haben
"aufzutischen" und wenn es nicht reicht, gibt es im Gegenzug Protest,
Verachtung, Beschimpfung, Bedrohung und teilweise auch tätliche
Angriffe. Das Ganze zeigt Ansätze einer Vollkaskomentalität, nach dem
Motto: Der Staat soll alles machen und alles regeln. Das zeigt sich
auch in den Kommunen. Der Ganztagskindergarten mit möglichst kleinen
Gruppen, hochschulausgebildeten Erzieherinnen und Erziehern,
Bioverpflegung und Betreuungsmöglichkeiten auch noch am Wochenende
und das Ganze natürlich zum Nulltarif - selbst wenn beide Eltern gut
verdienen - entspricht vielen Erwartungen. Das setzt sich in der
Schule fort. Auch kurze Schulwege sollen durch eine kostenlose
Schülerbeförderung organisiert werden. Auch in der Ganztagsschule
werden natürlich ein biologisches Essen und die Förderung jedes
einzelnen angemahnt. Häufig besteht auch noch die Vorstellung, dass
etwaige Klassenfahrten nicht von den Eltern - selbst wenn dieser
leistungsfähig sind - sondern von der Schule, der Kommune oder dem
Förderverein finanziert werden. Ein Spiegelbild für diese
Grundhaltung sind die Schulverwaltungsgesetze der Länder, die fast
ausschließlich Elternrechte, aber wenig Elternpflichten beschreiben.
Es ist Aufgabe der Politik, mit den Bürgern immer wieder zu sprechen
und ihnen deutlich zu machen, dass der Staat nur das verteilen kann,
was er vorher anderen über Steuern, Gebühren und Beiträgen abgenommen
hat.  Dringender Reformbedarf besteht insbesondere im Hinblick auf
die sozialen Sicherungssysteme. Viel zu lang hat die Politik sich
darauf konzentriert, echte oder vermeintliche Gerechtigkeitslücken
mit großer Einzelfallgenauigkeit zu schließen. Die Folge ist ein
selbst für Experten kaum noch durchschaubares System von Leistungen,
Verrechnungen und Zuständigkeiten. Zu Beginn der neuen
Legislaturperiode sollte eine Kommission zur Reform des Sozialsystems
eingerichtet werden. Ziel muss es sein, das System einfacher,
transparenter, unbürokratischer, effektiver und besser ausgerichtet
auf die wirklich Bedürftigen zu gestalten. Das wird ein schwieriger
Prozess, aber wenn wir ihn heute nicht angehen, werden wir den
Sozialstaat nicht langfristig und nachhaltig sichern können.
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Franz-Reinhard Habbel
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