PresseKat - medi for help: Werkstattleitung geht in haitianische Hände (FOTO)

medi for help: Werkstattleitung geht in haitianische Hände (FOTO)

ID: 1461377

(ots) -
Interview mit Ralf Jungblut

Nach dem Erdbeben in Haiti im Januar 2010 rief das Bayreuther
Unternehmen medi das Hilfsprojekt medi for help ins Leben. Das Ziel:
den Opfern des Bebens unbürokratisch vor Ort zu helfen und Bedürftige
mit Beinprothesen zu versorgen. Heute umfasst das Versorgungsspektrum
auch traumatologische und orthopädische Fälle. Bisher wurden 6.250
Patienten versorgt. Ralf Jungblut, Orthopädietechnikermeister und
Werkstattleiter von medi for help, berichtet im Interview über seine
Erfahrungen und den Alltag in Haiti.

Herr Jungblut, Sie sind seit über zwei Jahren in Haiti und
unterstützen medi for help. Was ist Ihrer Meinung nach das Besondere
an diesem Projekt?

"Das Besondere in meinen Augen ist, dass medi for help die
haitianische Bevölkerung seit dem Erdbeben in 2010 durchgehend
unterstützt. Dies geschieht sowohl durch finanzielle Mittel als auch
durch den kontinuierlichen Einsatz der europäischen Volontäre. Die
Spenden stehen zu einhundert Prozent dem Projekt vor Ort zur
Verfügung."

Welche Herausforderungen gab es in dieser Zeit? Und wie wurden sie
gelöst?

"Immer wieder kam es zu Verzögerungen bei den Materiallieferungen,
sodass unser Arbeitsfluss ins Stocken geriet und wir improvisieren
mussten, um Termine einzuhalten. Wenn dieser Fall eintrat, erstellten
wir aus mehreren alten Prothesen eine neue. Eine Herausforderung
waren auch Patienten mit komplizierten Versorgungen, zum Beispiel mit
Amputationen der oberen Extremitäten, da medi hierfür keine Produkte
anbietet. Wir haben daher Komponenten von Kinder-Prothesen an die
Oberarm-Prothetik angepasst. Das funktionierte sehr gut und unsere
Patienten sind überglücklich."

Wie empfanden Sie die Zusammenarbeit mit den Volontären?

"Die Zusammenarbeit war sehr gut, da unsere Volontäre bisher immer




einen hervorragenden Mix aus fachlicher Kompetenz und sozialem
Engagement vorzuweisen hatten. Über die tägliche Patientenarbeit vor
Ort hinaus gibt es bis heute regelmäßige, fast freundschaftliche
Kontakte mit sämtlichen Mitarbeitern. Viele Volontäre kommen nach
Haiti zurück und verbringen ihre Zeit mit den Patienten und der medi
for help Stammbesetzung."

Können Sie uns beschreiben, wie ein typischer Arbeitstag in Haiti
für Sie abläuft?

"Unsere Werkstatt ist an das Albert-Schweitzer-Hospital in
Deschapelles angegliedert. Der Arbeitstag beginnt dort um sieben Uhr
mit dem ,Morning Report'. Die Mitarbeiter wie Ärzte,
Krankengymnasten, Techniker und Volontäre besprechen, was am Vortag
passiert ist, und gehen den Tagesplan durch. Schwierige Geburten,
Messerstechereien und auch Verkehrsunfälle stehen regelmäßig auf der
Tagesordnung.

Die ersten Patienten sind um neun Uhr in unserer Werkstatt,
nachdem sie zuvor bei einem Arzt waren und sich ihre Papiere und
Rezepte geholt haben. Dann werden sie von uns versorgt. Manche
Patienten bleiben auch über Nacht oder sogar bis zu einer Woche auf
dem Campus des Krankenhauses, zum Beispiel wenn sie eine prothetische
Versorgung bekommen. So können wir die Prothese für sie anpassen und
mit ihnen das Gehen üben.

Neue Patienten werden von uns evaluiert und wir füllen die
Patientenmaßblätter aus. Anschließend erstellen wir einen
Körpergipsabdruck. Das dauert bis zu einer Stunde. Andere Patienten
kommen zum regelmäßigen Service-Check-up. Bis 17.00 Uhr ist unsere
Werkstatt wochentags geöffnet.

Die Techniker, die zukünftige Werkstattleiterin Fabiola und ich
fahren abwechselnd zu den ,mobilen Kliniken' nach Gonaïves,
Saint-Marc oder Mirebalais, die keine eigene Werkstatt haben. Dort
versorgen wir Patienten im Außendienst. Das muss man sich in etwa so
vorstellen, dass wir eine halbe Werkstatt im Auto haben - von
Gipsbinden bis zum Werkzeug."

Wie sieht die allgemeine und auch medizinische Versorgungsrealität
in diesem Land aus? Welche Unterschiede gibt es zwischen dem
ländlichen Raum und den Städten?

"Die größte Herausforderung in Haiti stellt der Umgang mit dem
Müll dar. Da keine geregelte Müllentsorgung existiert, ist er
überall. Organischer Müll und Plastikmüll werden auf offener Straße
verbrannt. Gestank, schlechte Luft und flüchtige Kohlenwasserstoffe
werden eingeatmet. Dadurch leiden die Menschen an Asthma und anderen
bronchialen Erkrankungen. Außerdem verstopft der Müll die
Wasserabläufe. Beim nächsten Regen laufen die Löcher voll Wasser,
Moskitos laichen und kurze Zeit später erleben die Menschen eine neue
Moskito-Invasion und Malaria-Epidemie.

Die medizinische Versorgungsrealität ist mit der unseren in Europa
überhaupt nicht zu vergleichen. Es gibt dort einige Krankenhäuser,
die meist von ausländischen Organisationen aufgebaut und unterstützt
werden. Viele Patienten haben einen weiten Weg zum Arzt oder
Krankenhaus, weshalb viele Beschwerden zu spät behandelt werden. In
den ländlichen Gebieten gibt es keine niedergelassenen Arztpraxen.
Sehr oft wohnen die Patienten in den Bergen und sind gezwungen, zu
Fuß, mit Mopeds oder auf Tragen Kilometer zurückzulegen, um ins
nächste Hospital zu gelangen.

Die einheimischen Ärzte werden in Haiti ausgebildet und haben die
Möglichkeit, in den Krankenhäusern Praxiserfahrung zu erlangen.
Wichtige Medikamente sind manchmal nicht verfügbar, dennoch können
die häufigsten Beschwerden behandelt werden."

Welcher Moment in Haiti war für Sie der emotionalste und ist Ihnen
besonders in Erinnerung geblieben?

"Es gab viele schöne und auch ergreifende Momente in Haiti. Der
Tod der Schwester unseres Technikers Alix Paul hat mich persönlich
sehr getroffen. Wir haben sie oft zur Behandlung in die Uniklinik
nach Mirebalais mitgenommen. Ich habe die speziellen Medikamente in
der Hauptstadt eingekauft, aber leider erlag Alix´ Schwester ihrer
Erkrankung.

Ein schönes Erlebnis war hingegen der letzte Besuch meiner
Lebensgefährtin Iwona, da das Team der Werkstatt überraschend eine
haitianische Party für uns alle ausrichtete. Unsere beiden Damen,
Fabiola und Roseline, haben mit Hilfe ihrer Schwestern gekocht. Als
dann Roseline auf Kreolisch und Fabiola auf Englisch ein Dankeschön
an uns ausgesprochen haben, wurden die Augen doch vor Rührung
feucht."

Durch den Hurrikan "Matthew" kamen im Oktober 2016 eintausend
Menschen in Haiti ums Leben. Zudem richtete er immense Schäden an.
Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

"Da dieser tropische Wirbelsturm über den Südwesten der Insel
herzog, haben wir sowohl in Port-au-Prince als auch in Deschapelles
physisch nichts davon mitbekommen. Unser Team und das
Albert-Schweitzer-Hospital wollten helfen und Wasser in die
betroffenen Gebiete liefern. Leider war das aufgrund der beschädigten
Straßen nicht umsetzbar. Auffällig war, dass bei uns vor Ort für zwei
Wochen die Marktpreise für Obst und Gemüse aufgrund des Hurrikans
erhöht wurden."

Hat sich diese Naturkatastrophe dennoch auf das Projekt medi for
help ausgewirkt?

"Nein, wir haben keine Auswirkungen zu diesem Ereignis verspürt.
Das Albert-Schweitzer-Hospital hatte sich zwar vorbereitet, aber es
kamen keine Patienten aus der betroffenen Region zu uns in
Behandlung."

In 2017 geht die Werkstattleitung erstmals in haitianische Hände
über. Was bedeutet dieser Meilenstein für das Projekt?

"Das ist eine wirklich tolle Chance für das gesamte Team und das
Albert-Schweitzer-Hospital. Wir geben die Werkstattleitung nicht ab,
um uns aus dem Projekt zurückzuziehen, sondern wir tun alles dafür,
dass sich die Haitianer dauerhaft selbst helfen können. Das geht nur,
wenn sie die Verantwortung übernehmen - für das Budget, das Material,
die regelmäßige Patientenversorgung. Mit Fabiola wird es eine
Werkstattleiterin und ausgebildete Orthopädietechnikerin geben, die
unser Projekt zielstrebig vorantreiben wird."

Wenn Sie auf Ihre Zeit in Haiti zurückblicken, auf welche
Ergebnisse sind Sie besonders stolz?

"Zum Beispiel bin ich stolz darauf, dass wir eine wöchentliche und
somit regelmäßige Patientenversorgung in den drei mobilen Kliniken
implementiert haben. Darüber hinaus freue ich mich sehr, dass wir mit
Fabiola eine kompetente und engagierte Nachfolgerin für die
Werkstattleitung gefunden haben. Und auch das von mir angestoßene
Hippotherapie-Programm für behinderte Kinder am Kinderkrankenhaus
Saint Vincent in Port-au-Prince gehört zu den besonderen Ereignissen,
auf die ich stolz bin. Bei diesem Programm reiten behinderte Kinder
auf Pferden. Diese Therapie soll ihre Lebensfreude aktivieren, ihr
Selbstbewusstsein stärken und den Gleichgewichtssinn schulen."

Was gefällt Ihnen besonders an Haiti, den Menschen und dem Leben
in diesem Land?

"Die Gastfreundschaft und die Lebensfreude, die trotz vieler
Einschränkungen und persönlicher Rückschläge immer vorhanden sind.
Die Menschen lassen sich nicht so leicht unterkriegen, haben selten
schlechte Laune und lösen viele Probleme mit einem Lächeln. Diese
Herzlichkeit ist geradezu ansteckend."

Was wäre Ihr Wunsch für Haiti?

"Ich wünsche mir, dass unser Projekt nach der Übergabe in
haitianische Hände weiterhin erfolgreich bestehen bleibt und sich
weiterentwickelt. Für Haiti hoffe ich, dass die komplette Bandbreite
der Infrastruktur verbessert, das Müllproblem angegangen und die
Korruption bekämpft wird. Außerdem sollten die Haitianer lernen, ihre
natürlichen Schätze zu nutzen, anstatt alles zu hohen Preisen zu
importieren. Das fängt bei den Milchprodukten an, die nirgendwo
frisch erhältlich sind, nicht einmal auf dem Markt."

Herr Jungblut, wir bedanken uns für das Gespräch.

medi - ich fühl mich besser. Das Unternehmen medi ist mit
Produkten und Versorgungskonzepten einer der führenden Hersteller
medizinischer Hilfsmittel. Weltweit leisten rund 2.400 Mitarbeiter
einen maßgeblichen Beitrag, dass Menschen sich besser fühlen. Die
Leistungspalette umfasst medizinische Kompressionsstrümpfe, adaptive
Kompressionsversorgungen, Bandagen, Orthesen,
Thromboseprophylaxestrümpfe, Kompressionsbekleidung und
Schuh-Einlagen. Darüber hinaus fließen mehr als 65 Jahre Erfahrung im
Bereich der Kompressionstechnologie in die Entwicklung von Sport- und
Fashion-Produkten der Marken CEP und ITEM m6. Das Unternehmen liefert
mit einem weltweiten Netzwerk aus Distributeuren und eigenen
Niederlassungen in über 90 Länder der Welt.



Pressekontakt:
medi GmbH & Co. KG
Medicusstraße 1
95448 Bayreuth
www.medi-corporate.com

Nadine Kiewitt
PR Manager Unternehmenskommunikation Medical
Telefon: +49 921 912-1737
Fax: +49 921 912-81737
E-Mail: n.kiewitt(at)medi.de
www.medi.de

Original-Content von: medi GmbH & Co. KG, übermittelt durch news aktuell


Themen in dieser Pressemitteilung:


Unternehmensinformation / Kurzprofil:
drucken  als PDF  an Freund senden  Welttag des Hörens: Medizinische Versorgung verbessern - Hörschäden vermeiden / Zu wenig Ärztinnen und Ärzte in Entwicklungsländern Südsudan: Hungersnot  und Cholera breiten sich aus / Help benötigt dringend zusätzliche Mittel für Nothilfe (FOTO)
Bereitgestellt von Benutzer: ots
Datum: 28.02.2017 - 08:30 Uhr
Sprache: Deutsch
News-ID 1461377
Anzahl Zeichen: 12023

Kontakt-Informationen:
Stadt:

Bayreuth



Kategorie:

Soziales



Diese Pressemitteilung wurde bisher 0 mal aufgerufen.


Die Pressemitteilung mit dem Titel:
"medi for help: Werkstattleitung geht in haitianische Hände (FOTO)"
steht unter der journalistisch-redaktionellen Verantwortung von

medi GmbH & Co. KG bild1-alix-paul.jpg bild2-fleurimene.jpg (Nachricht senden)

Beachten Sie bitte die weiteren Informationen zum Haftungsauschluß (gemäß TMG - TeleMedianGesetz) und dem Datenschutz (gemäß der DSGVO).


Alle Meldungen von medi GmbH & Co. KG bild1-alix-paul.jpg bild2-fleurimene.jpg