(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) ruft Bundeskanzlerin
Angela Merkel auf, sich bei ihrer Ägypten-Reise Ende dieser Woche für
die Freilassung inhaftierter Journalisten und für Reformen an
medienfeindlichen Gesetzen einzusetzen. Unter Präsident Abdel Fattah
al-Sisi hat die Unterdrückung der Pressefreiheit in Ägypten
erschreckende Ausmaße angenommen. Mindestens 25 Journalisten sitzen
wegen ihrer Arbeit im Gefängnis, darunter der seit mehr als drei
Jahren ohne Urteil inhaftierte Fotojournalist Shawkan.
"Ägypten unterdrückt kritischen Journalismus mit brachialen
Methoden", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Die Justiz muss
endlich aufhören, Journalisten jahrelang ohne Urteil festzuhalten
oder in grotesken Massenprozessen abzuurteilen. Bundeskanzlerin
Merkel muss bei ihren Gesprächen deutlich machen, dass solche
Praktiken durch nichts zu rechtfertigen sind."
Ägypten steht auf Platz 159 von 180 Ländern auf der jährlichen
Rangliste der Pressefreiheit. Das Land zählt neben der Türkei und
China zu den Staaten mit den meisten wegen ihrer Arbeit inhaftierten
Journalisten weltweit. Viele Häftlinge berichten von Folter und
Misshandlungen, einige erhalten trotz schwerer Erkrankungen keine
angemessene medizinische Versorgung.
FOTOGRAF SHAWKAN IST SEIT 2013 OHNE URTEIL IN HAFT
Besonders gravierend ist der Fall von Mahmud Abu Seid alias
Shawkan, der als freier Fotograf unter anderem für die Agenturen
Demotix und Corbis sowie für das deutsche Magazin Focus arbeitete. Er
wurde am 14. August 2013 festgenommen, als er über die gewaltsame
Auflösung der Protestcamps von Anhängern des gestürzten Präsidenten
Mohammed Mursi berichtete. In einem Massenprozess mit mehr als 700
weiteren Angeklagten steht er seit Dezember 2015 wegen Vorwürfen wie
Waffenbesitz, Teilnahme an einer illegalen Versammlung, Störung des
öffentlichen Friedens, Mord und Mordversuch vor Gericht.
Obwohl Shawkan von den Folgen zeitweiliger Einzelhaft und einer
Hepatis-C-Erkrankung schwer gezeichnet ist, wurde ihm eine
Haftverschonung aus medizinischen Gründen bislang versagt. Die
UN-Arbeitsgruppe zu willkürlicher Haft forderte vergangenen August
seine sofortige Freilassung (http://t1p.de/01kp). Zuletzt wurde
Shawkans Prozess vergangenen Samstag auf den 21. März vertagt
(http://t1p.de/q8fz). ROG fordert unter anderem mit einer
Protestmail-Aktion seine Freilassung
(www.reporter-ohne-grenzen.de/mitmachen/shawkan).
Abdullah al-Facharani und Samhi Mustafa wurden am 11. April 2015
zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Derzeit läuft in Kairo ihr
von einem Berufungsgericht angeordnetes Wiederaufnahmeverfahren.
Facharani und Mustafa wurden am 25. August 2013 festgenommen.
Zunächst warf man ihnen Störung des öffentlichen Friedens vor, später
schwenkte der Generalstaatsanwalt auf den Vorwurf der Verbreitung von
Chaos und falschen Informationen um.
Zudem beschuldigte er sie, an der Bildung einer "Kommandozentrale"
beteiligt gewesen zu sein. Deren Ziel sei es gewesen, falsche
Nachrichten und manipulierte Bilder im Ausland zu verbreiten, um die
Regierung zu destabilisieren und die Muslimbruderschaft zurück an die
Macht zu bringen (http://t1p.de/hkhk).
Die beiden Journalisten gehören zu den führenden Köpfen des
Bürgerjournalimus-Projekts Rassd. Sie wurden in der Vergangenheit
auch von der Deutsche Welle Akademie trainiert, und Facharani
besuchte im Sommer 2012 im Rahmen einer "Blogger-Tour" des
Auswärtigen Amts Deutschland. Beide haben über Misshandlungen in
Polizeigewahrsam berichtet, ihr Prozess war von schweren
Verfahrensmängeln gekennzeichnet. Sie wurden in einem Massenverfahren
mit insgesamt 51 Angeklagten abgeurteilt, darunter der Anführer der
Muslimbruderschaft Mohammad Badie und weitere ranghohe Vertreter der
Organisation. Die Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtsrats zu
willkürlichen Verhaftungen stuft auch ihre Haft als willkürlich ein
und hat ihre sofortige Freilassung gefordert (http://t1p.de/que1).
FÃœHRUNG DES JOURNALISTENVERBANDS ZU HAFTSTRAFEN VERURTEILT
Drei führende Köpfe des ägyptischen Journalistenverbands wurden am
19. November zu jeweils zwei Jahren Haft verurteilt.
Verbandspräsident Jahja Kalasch sowie die Vorstandsmitglieder Gamal
Abd al-Rahim und Chaled el-Balschi sollen im vergangenen April zwei
wegen einer Protestaktion gesuchten Journalisten Zuflucht vor den
Behörden geboten haben (http://t1p.de/qt3w). Ihr Berufungsprozess
geht am 25. März weiter (http://t1p.de/qupj).
Seit Ende November 2015 ist der Investigativjournalist Ismail
Alexandrani im Gefängnis, der vor allem über Jihadistengruppen auf
der Sinai-Halbinsel berichte hat. Die Behörden werfen ihm vor, er
habe falsche Informationen verbreitet und sei ein Mitglied der
verbotenen Muslimbruderschaft. Obwohl ein Richter am 20. November
2016 seine Freilassung unter Auflagen anordnete, ist er weiterhin in
Haft: Das Gericht folgte gab der Berufung der Staatsanwaltschaft
gegen die Freilassung statt (http://t1p.de/qt3w). Die
Untersuchungshaft wurde zuletzt am 12. Februar für weitere 45 Tage
verlängert (http://t1p.de/14dn).
GESETZ SIEHT STAATLICH KONTROLLIERTEN MEDIENRAT VOR
Auch neue Gesetze engen den Spielraum für unabhängigen
Journalismus in Ägypten immer weiter ein. Im Dezember 2016
verabschiedete das Parlament ein Mediengesetz, das die Gründung eines
vom Präsidenten ernannten Medienrats vorsieht (http://t1p.de/v5r6).
Dieser soll unter anderem die Finanzierung von Medienunternehmen
untersuchen, Verstöße gegen die "nationale Sicherheit" ahnden und das
Recht der Bürger auf "freie und wahrhaftige" Berichterstattung
schützen.
Ein Anti-Terror-Gesetz von August 2015 sieht hohe Geldstrafen für
Journalisten vor, die in ihren Berichten über Anschläge und andere
Aktivitäten von Extremisten von offiziellen Angaben wie der Zahl der
Anschlagsopfer abweichen (http://t1p.de/me0z).
Weitere Informationen zur Lage der Journalisten in Ägypten finden
Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/ägypten, die
Protestmail-Aktion für den inhaftierten Fotografen Shawkan unter
www.reporter-ohne-grenzen.de/mitmachen/shawkan.
Pressekontakt:
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