(ots) - WDR Fernsehen, Mittwoch, 1. März 2017, 22.10 - 22.55
Uhr
Ein Aufatmen geht durch die SPD seit Martin Schulz ihr
Kanzlerkandidat ist. Der ehemalige Präsident des EU-Parlaments gilt
als bodenständig und glaubwürdig. Endlich ein Kandidat, der Klartext
redet, der sich hochgearbeitet hat und die Sorgen der Menschen
versteht, hoffen die Sozialdemokraten. "Ein Sozi von altem Schrot und
Korn!" urteilt Franz Müntefering.
Schon in der ersten Woche als designierter Kanzlerkandidat
erreicht Martin Schulz erstaunlich hohe Beliebtheitswerte. Im
aktuellen Deutschlandtrend vom 24. Februar liegt die SPD erstmals
seit zehn Jahren mit 32% in der Sonntagsfrage vor der CDU/CSU. Schulz
hetzt von Termin zu Termin und will der Basis beweisen, dass er es
kann. Er gilt als leidenschaftlicher Kämpfer, will enttäuschte
Wählerinnen und Wähler zurückholen und zeigt sich selbstbewusst und
siegessicher, wenn er verspricht: "Ich als Kanzler werde dafür
sorgen, dass es gerechter zugeht in unserem Lande."
EU-Politiker Alexander Graf Lambsdorff (FDP) sagt, man habe ihn in
Brüssel "Kampfschwein" genannt, der Mann habe ungeheuer viel Energie.
Rebecca Harms von den Grünen zweifelt, ob es ihm gelingt, bei so viel
Zustimmung auf dem Teppich zu bleiben.
Kann Martin Schulz halten, was sich seine Partei von ihm erhofft?
Wer ist dieser Mann aus Würselen bei Aachen, der den erstaunlichen
Aufstieg vom Bürgermeister einer Provinzstadt an die Spitze der EU in
Brüssel schaffte? Der Vater Polizist, Bergmannssohn, Geigenspieler,
Sozialdemokrat. Die Mutter rheinisch-katholisch und Mitbegründerin
des CDU-Ortsvereins. Vier Geschwister, das Elternhaus quirlig,
diskussionsfreudig. Der "rote Martin" wird auf dem erzkatholischen
Gymnasium Schulsprecher, bewundert Willy Brandt und macht für ihn
Wahlkampf. Eine Willy-Brandt-Statue schmückt sein Büro, als er längst
den Präsidentensessel des Europäischen Parlamentes in Straßburg
besetzt und mit den Mächtigen der Welt verkehrt. Schlagfertig,
kämpferisch und ehrgeizig verhilft der Mann aus dem Dreiländereck dem
Europäischen Gedanken zu neuem Ansehen - weil er tief davon überzeugt
ist.
Martin Schulz gilt als ein Politiker mit Bodenhaftung. Er blieb in
Würselen wohnen, wo ihn jeder kennt - und seine Geschichte vom
verpassten Abitur, der missglückten Fußballerkarriere, den
Alkoholproblemen und seinem Neuanfang mit Hilfe von Freunden und
Geschwistern.
Schulz bekennt, die SPD habe bei der Agenda 2010 Fehler gemacht,
die er korrigieren will. Als Beispiel nennt er das Arbeitslosengeld
1, dessen Bezug er verlängern will, ohne konkret zu werden. Die
Gewerkschaften sind begeistert, die Arbeitgeber warnen vor einer
Veränderung der Agenda 2010. Für seine politischen Gegner ist Martin
Schulz schwer zu fassen.
Ein Film von Beate Becker, Christiane Meier und Cornelia Kolden
Redaktion: Angela Jaenke und Gudrun Wolter
Fotos unter ard-foto.de
Der Film ist am 1. März 2017 ab 19 Uhr in der WDR Mediathek
abrufbar: wdr.de/mediathek
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