(ots) - Sprachstörungen, Bettnässen, Albträume, Alkohol-
und Drogenmissbrauch - nach sechs Jahren Krieg entwickeln immer mehr
Kinder in Syrien psychosomatische Stresssymptome. Das zeigt der neue
Bericht von Save the Children "Unsichtbare Wunden. Was sechs Jahre
Krieg in der Psyche der syrischen Kinder anrichten". Zu den
Haupterkenntnissen der Recherchen gehören:
- 84 Prozent aller Erwachsenen und praktisch alle Kinder gaben an,
dass Beschuss und Bomben die größten Stressfaktoren im Alltag der
Kinder in Syrien sind. Die Mehrheit der syrischen Kinder lebt in
ständiger, teils panischer Angst vor Gewalt.
- 71 Prozent der Erwachsenen berichteten, dass Kinder immer
häufiger von Bettnässen und unbeabsichtigtem Wasserlassen betroffen
sind - beides Symptome von toxischem Stress und posttraumatischen
Belastungsstörungen (Post-Traumatic Stress Disorder, PTSD).
- 50 Prozent der Kinder erzählten, dass sie sich in der Schule
selten oder nie sicher fühlen und 40 Prozent sagten, dass sie sich
beim Spielen nicht einmal direkt vor dem Haus sicher fühlen.
- 51 Prozent der Erwachsenen sagten, dass Jugendliche zu Drogen
greifen, um den Stress zu bewältigen.
- 48 Prozent der Erwachsenen haben beobachtet, dass Kinder seit
Kriegsbeginn die Fähigkeit zu sprechen verloren oder Sprachstörungen
entwickelt haben.
Es ist die umfassendste Studie zur psychischen Gesundheit der
Kinder innerhalb Syriens und wird im Vorfeld des sechsten Jahrestags
des Syrienkriegs (15. März) veröffentlicht. Save the Children und
seine Partnerorganisationen befragten von Dezember 2016 bis Februar
2017 über 450 Kinder, Jugendliche und Erwachsene in sieben syrischen
Regierungsbezirken.
Der sogenannte "toxische Stress", unter dem die Kinder leiden,
wird als die gefährlichste Form einer Stressreaktion bei Kindern
bezeichnet. Er entsteht, wenn dauerhaft eine große Menge an
Stresshormonen ausgeschüttet wird.
"Kinder haben zwar eine große Widerstandskraft", sagt Alexandra
Chen, Expertin für Kinderschutz und mentale Gesundheit an der Harvard
Universität. "Aber die wiederholten Traumata, denen viele syrische
Kinder ausgesetzt sind, lösen bei vielen von ihnen toxischen Stress
aus. Der kann nicht nur die Entwicklung ihres Gehirns und anderer
Organe stören, sondern birgt auch ein Risiko für Herzerkrankungen,
Drogen- und Alkoholmissbrauch und psychische Erkrankungen wie etwa
Depressionen - bis ins Erwachsenenalter hinein."
Weil viele Ärzte vor der Gewalt aus Syrien geflohen sind und weil
der ständige Beschuss humanitäre Helfer davon abhält, in die am
schwersten betroffenen Gebiete zu gelangen, erhalten oft diejenigen
nicht die notwendige psychologische Betreuung, die sie am
dringendsten bräuchten. In dem Bericht nennt Save the Children aber
auch Gründe zur Hoffnung: Mit einem Ende der Gewalt und mit
angemessener Unterstützung könnten sich die Kinder von ihren
traumatischen Erlebnissen erholen.
Dr. Marcia Brophy, Spezialistin für psychische Gesundheit von Save
the Children im Nahen Osten, sagt: "Kinder in Syrien haben
Schreckliches erlebt und mussten zum Teil mit ansehen, wie ihre
Eltern getötet wurden, bekommen aber nicht die nötige Hilfe, um ihre
Traumata zu verarbeiten. Wir müssen sicherstellen, dass Kinder, die
bereits sechs Jahre ihres Lebens an diesen Krieg vergeudet haben,
nicht auch noch ihre gesamte Zukunft verlieren."
"Es darf so nicht weitergehen", drängt Susanna Krüger,
Geschäftsführerin von Save the Children Deutschland. "Trotz der
vereinbarten Waffenruhe wird weiterhin in Syrien gekämpft und
bombardiert. Das muss sofort gestoppt werden, und humanitäre Hilfe,
auch psychologische und psychosoziale Unterstützung, muss endlich
alle betroffenen Kinder erreichen."
Neben einem sofortigen Waffenstillstand und dem langfristigen Ende
der Gewalt fordert Save the Children
- den Einsatz von Explosionswaffen in stark besiedelten Gebieten
und den Angriff auf zivile Einrichtungen wie Schulen und
Krankenhäuser sofort zu unterbinden.
- den sofortigen Stopp aller Belagerungen und uneingeschränkten
humanitären Zugang zu allen Gebieten für Save the Children und alle
anderen humanitären Hilfsorganisationen.
- die Zusicherung internationaler Geber, die schweren Folgen des
Krieges für die psychische Gesundheit von Kindern anzuerkennen und
entsprechende Programme zur psychosozialen Unterstützung in Syrien
vollumfänglich zu finanzieren.
Save the Children bietet psychosoziale Unterstützung und
Bildungsangebote in zehn syrischen Regierungsbezirken sowie in den
Aufnahmeländern syrischer Flüchtlinge an. Darüber hinaus unterstützt
Save the Children in Syrien sieben Gesundheitseinrichtungen und eine
Geburtsklinik, führt Impfkampagnen durch und verteilt
Haushaltsgegenstände, Hygieneartikel und andere Hilfsgüter. Bis heute
haben wir mit unserer Arbeit innerhalb Syriens 2,4 Millionen Menschen
mit Hilfe erreicht, darunter 1,5 Millionen Kinder.
Zusatzmaterial: Der vollständige Bericht (Englisch) zum Download:
http://ots.de/CGc1f
Die deutsche Teilübersetzung zum Download: http://ots.de/bzbb7
Ãœbersicht (Deutsch) mit den wichtigsten Ergebnissen:
http://ots.de/p5fqa
Bilder und Erlebnisberichte von Kindern:
http://storycentral.savethechildren.org.uk/?c=44944&k=045d94d548
Schnittmaterial aus Syrien:
http://storycentral.savethechildren.org.uk/?c=45153&k=9256efd1b0 Alle
Zusatzmaterialien sind unter der Angabe ©Save the Children kostenfrei
verwendbar.
Für Interviewanfragen an Dr. Marcia Brophy und andere Mitarbeiter
vor Ort (Arabisch, Englisch) wenden Sie sich bitte an unsere
Presseabteilung.
Pressekontakt:
Save the Children Deutschland e.V.
Pressestelle - Claudia Kepp
Tel.: +49 (30) 27 59 59 79 - 280
Mail: claudia.kepp(at)savethechildren.de
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