(ots) - Das also soll souverän sein? Man wird geschlagen und
getreten - und hält still. Der ganze Körper schmerzt. Man könnte sich
wehren, dagegenhalten, zurückschlagen, denn eigentlich ist man der
sehr viel Stärkere. Aber auf dieses Niveau wollen wir uns nicht
begeben. Wir müssten kühlen Kopf bewahren, abwarten und klug sein,
heißt es; wir sollten langfristig denken. Doch irgendetwas fühlt sich
dabei falsch an. Total falsch.
Es geht um den politischen Schlägertyp Recep Tayyip Erdogan. Er
ist das Gegenteil dessen, was wir als Staatsmann bezeichnen würden.
Staatsmännisch wäre es, den Nutzen der eigenen Nation zu mehren und
dafür im Zweifel eigene Interessen zurückzustellen. Doch er tut das
glatte Gegenteil. Er zerstört mutwillig, um des kurzfristigen
Vorteils wegen, politische Beziehungen zu verbündeten (und zuvor
sogar befreundeten) Nationen und schadet damit seinem eigenen Volk
aufs Übelste. Insofern hat Erdogan neue Maßstäbe gesetzt im
weltweiten Wettbewerb der Anti-Diplomaten, die meist auch
Anti-Demokraten sind. Der Mann schlägt um sich, scheinbar
besinnungslos, in Wahrheit aber aus ebenso niedrigen wie kalkulierten
Beweggründen.
Deutschland dagegen, unsere Bundesregierung, lässt das weitgehend
geschehen. Sie ist das bevorzugte Opfer der propagandistisch
motivierten Attacken aus Ankara. Tag für Tag warnt sie die Türkei
davor, rote Linien zu überschreiten. Vor allem die Nazi-Vergleiche
müssten bitteschön aufhören. Das gehe gar nicht. Die Gründe Berlins,
so zurückhaltend zu handeln, erscheinen bestechend. Da sind die
Millionen Türkeistämmigen, die bei uns leben. Die Türkei ist ein
militärstrategisch wichtiger Nato-Partner. Da ist der eingesperrte
deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel, eine politische Geisel
Erdogans. Ihm will man nicht schaden. Zudem soll Erdogan im Wahlkampf
keinen Nutzen ziehen aus einer allzu harschen Gegenreaktion
Deutschlands. Und schließlich ist da noch der Flüchtlingsdeal. Eine
neue Flüchtlingswelle, von Ankara initiiert, könnte Bundeskanzlerin
Angela Merkel im Herbst aus dem Amt spülen.
Deutschland agiert nach den Regeln der Diplomatie, die kurzfristig
Schmerzen in Kauf nimmt, um langfristig Erfolg zu haben. Doch ist das
logisch? Ist das wirklich zu Ende gedacht? Rote Linien, die keine
Folgen haben, lösen sich in nichts auf. Wer sich einmal erpressbar
zeigt, wird auch in Zukunft erpresst. In einer Welt, in der zunehmend
das Recht des Stärkeren gilt, ohne Rücksicht auf jahrzehntelang
bewährte Spielregeln, ist derjenige, der sich nicht wehrt, das ideale
Opfer. Zu Deutschland aber, diesem politischen und wirtschaftlichen
Riesen, diesem Vorbild an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, passt
die Opferrolle nicht. Das zu demonstrieren, und zwar bald, mag
kurzfristig undiplomatisch erscheinen, wäre aber im Hinblick auf
langfristige Folgen notwendig. Was für ein Signal an die Putins und
Trumps dieser Welt wäre es eigentlich, wenn Erdogan unbestraft
bliebe?
Nein, zurückpöbeln sollten wir nicht. Aber wir könnten den
Flüchtlingsdeal aufkündigen. Es würden ohnehin nicht so viele kommen,
wie es uns die Türkei einreden will. Beenden wir das absurde
EU-Beitrittsverfahren mit seinen Milliardenhilfen. Reduzieren wir die
politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit auf ein Minimum
(Deutschland ist für die Türkei der wichtigste Exportmarkt, nicht
umgekehrt). Eine der schärfsten Sanktionsmöglichkeiten liegt derweil
in der Hand der Bürger selbst. Hören wir auf, in einem Land Urlaub zu
machen, dessen Regierung uns als Nazis beschimpft - so lange, bis
sich Ankara höchst offiziell entschuldigt.
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