(ots) - Mehr als 400.000 Kinder in Afghanistan - über 1.100
pro Tag - werden in diesem Jahr aus dem Bildungssystem herausfallen,
warnt Save the Children. Das ist der zunehmenden Instabilität im Land
genauso geschuldet wie der sprunghaft ansteigenden Zahl
unfreiwilliger Rückführungen aus Pakistan.
Die schockierende Vorhersage veröffentlicht die
Kinderrechtsorganisation am ersten Tag des neuen Schuljahres in
Afghanistan, an dem fast ein Drittel (3,7 Millionen) aller Kinder im
ganzen Land nicht in die Schule gehen können. Für sie folgt daraus
ein erhöhtes Risiko für Kinderarbeit, die Rekrutierung durch
bewaffnete Gruppen, Menschenhandel, Frühverheiratung und andere
Formen der Ausbeutung.
Die Situation hat sich dadurch verschärft, dass die pakistanischen
Behörden 2016 mehr als 610.000 Afghanen zur Rückkehr in ihr
Heimatland gezwungen haben. In diesem Jahr wird etwa eine weitere
Million Menschen zurückgeschickt werden und die ohnehin
überstrapazierten Gesundheits- und Bildungsdienstleistungen
zusätzlich belasten. Mehr als die Hälfte aller Kinder von Rückkehrern
geht derzeit nicht zur Schule und arbeitet stattdessen oft auf der
Straße, weil ihre Eltern seit der Ankunft in Afghanistan keine Arbeit
finden konnten.
"Heute sollte ein glücklicher Tag für afghanische Kinder sein,
weil sie nach einem langen Winter zum ersten Mal wieder zum
Unterricht gehen können", sagt Ana Locsin, Länderdirektorin von Save
the Children in Afghanistan. "Stattdessen ist es ein tragischer Tag
für die Millionen Kinder, die anstelle zur Schule zu gehen ums
Überleben kämpfen müssen. Solche Kinder laufen Gefahr, früh
verheiratet oder von bewaffneten Gruppen angeheuert zu werden oder
sogar dem Menschenhandel zum Opfer zu fallen. Und je länger sie vom
Bildungssystem ausgeschlossen sind, desto unwahrscheinlicher ist es,
dass sie jemals dahin zurückkehren werden."
Der 14-jährige Jawid* wurde in Pakistan geboren und im vergangenen
Jahr gezwungen, mit seiner Familie nach Afghanistan zurückzugehen.
Seitdem er Pakistan verlassen hat, wo die Familie in der Lage war,
für sich selbst zu sorgen, ist er nicht mehr zur Schule gegangen,
weil er für den Lebensunterhalt der Familie arbeiten muss: Er
sammelt und verkauft Müll. "Wenn ich Müll sammle, fühle ich mich
wirklich traurig und frage mich, warum ich in diesem Alter arbeite.
Das ist die Zeit meines Lebens, in der ich nicht arbeiten, sondern
lernen sollte", klagt Jawid.
Letztes Jahr nahmen zudem überall im Land gewaltsame
Auseinandersetzungen zu. Dabei wurden 923 Kinder getötet, was 2016
zum tödlichsten Jahr für afghanische Kinder machte. 2017 werden laut
den Vereinten Nationen 450.000 Afghanen wegen der Kämpfe vertrieben
werden, mehr als 9,3 Millionen Menschen im ganzen Land werden
dringend humanitäre Hilfe benötigen, darunter über 1 Million Kinder,
die unter akuter Mangelernährung leiden. Und während die Not immer
größer wird, sind von den 550 Millionen US-Dollar für humanitäre
Hilfe, zu denen die UN aufgerufen hat, bisher nur 15 Prozent
finanziert.
"Die Situation in Afghanistan ist wirklich heikel", bestätigt
Locsin. "Der humanitäre Bedarf wächst, es gibt immer mehr Angriffe
bewaffneter Gruppen, mehr Menschen müssen fliehen -gleichzeitig
schwindet die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, weil
andere Krisen die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Wenn das so
weitergeht, wird der Fortschritt, den Afghanistan in den letzten 10
bis 15 Jahren v.a. in der Beschulung von Mädchen erreicht hat,
zunichte gemacht. Es braucht dringend mehr Investitionen in Hilfe und
Bildung im Land!"
Save the Children arbeitet seit 1976 in Afghanistan mit
Gesundheits-, Bildungs- und Kinderschutzprogrammen. Es ist eine der
primären Organisationen, die sich um die afghanischen Rückkehrer
kümmert. Wir stellen ihnen Nahrungsmittel, Hygieneartikel, warme
Kleidung und Decken für den Winter zur Verfügung und unterstützen
Kinder von Rückkehrern, damit sie zur Schule gehen können. In 2016
hat die Kinderrechtsorganisation auch mit Hilfe ihrer lokalen Partner
mehr als 7 Millionen Menschen im Land erreicht.
Save the Children geht davon aus, dass im Jahr 2017 320.705 Kinder
von Rückkehrern und 81.188 intern vertriebene Kinder im Schulalter
aus dem Bildungssystem herausfallen werden. Diese Zahlen - insgesamt
401.893 Kinder - basieren auf Erfahrungswerten aus dem Jahr 2016, die
dann auf die UN-Prognosen umgerechnet wurden. Die UN schätzt, dass
2017 941.700 Afghanen aus Pakistan zurückkehren und weitere 450.000
Afghanen vertrieben werden.
Für Interviewanfragen an Mitarbeiter vor Ort kontaktieren Sie
bitte die Pressestelle.
Multimediamaterial*:
Fotos und Case Studies:
https://storycentral.savethechildren.org.uk/?c=45417&k=26a05c6803
Schnittmaterial (mit Interviews):
https://storycentral.savethechildren.org.uk/?c=45743&k=0637a5af2a
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