(ots) - Was für eine traurige Party! 27 Staats- und
Regierungschef begehen den 60. Geburtstag der heutige EU im Wissen,
dass der 28. Partner eine knappe Woche die Scheidungspapiere
einreichen wird. Zugleich müssen die Führungen der verbleibenden
EU-Staaten davor zittern, dass in den Kernstaaten Frankreich und
Italien Parteien ans Ruder kommen, die die Union in Trümmer legen
wollen.
Was tun? Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat gerade sein Rezept
vorgestellt. Mehr deutsches Geld in die EU-Kasse, fordert er und:
mehr Freiheiten zum Schuldenmachen für die Süd-Länder. Tatsächlich
herrscht in Südeuropa ja die Neigung vor, die desolate eigene
Finanzlage der EU und den Deutschen anzulasten. Mehr Großzügigkeit
könnte EU-feindlichen Populisten im Süden das Wasser abgraben, hätte
allerdings - was Gabriel vergisst - im Norden den umgekehrten Effekt.
So oder so wird Deutschland allerdings nicht umhinkommen, deutlich
höhere Beiträge an die EU zu überweisen als bisher. Das hat nichts
mit Spendierfreudigkeit zu tun, sondern mit der Notwendigkeit, die
wegfallenden britischen Beiträge auszugleichen. Und zumindest in
einem Punkt hat Gabriel recht: Diese deutschen Zahlungen sind gut
angelegtes Geld. Sein Nutzen geht weit über das hinaus, was
volkswirtschaftliche Rechnungen ausdrücken.
Versuchen wir doch, uns die EU wegzudenken. Ãœberlegen wir, was das
für unsere Lebenswirklichkeit bedeuten würde. Für die Möglichkeit zum
Reisen, im Ausland einzukaufen oder zum Arzt zu gehen. Für das
Auslandsstudium der Kinder. Für Telefonate oder Banküberweisungen.
Ein großes EU-Land, jener 28. Partner, der bei der Feier in Rom
fehlen wird, startet ja gerade das Experiment, seinen Bürgern alle
Rechte zu nehmen, die sie dank der EU genießen.
Und das Beispiel Großbritannien belegt, dass die Aufzählung von
alltäglichen Vorteilen immer noch zu kurz greift. Der Brexit bedeutet
eine Zerreißprobe für den britischen Staat selbst. Noch ernster als
die Auseinandersetzung mit Schottland ist die Entwicklung in
Nordirland zu nehmen, wo ja nur die EU-Mitgliedschaft die heutige
Friedensregelung möglich gemacht hat. Und wenn US-Präsident Trump
angesichts des Brexit triumphiert, wenn sein russischer Kollege Putin
französische Rechtsextremisten sponsert, dann wissen beide warum: Die
EU kann Großmächten Paroli bieten, 28 Einzelstaaten jeweils für sich
können es nicht. Ebensowenig wie 28 Staaten jeweils für sich eine
neue Flüchtlingskrise oder die Folgen des Klimawandels bewältigen
könnten.
Es ist Glück im Unglück, dass Scheidungsbrief und Jubiläumsfeier
zeitlich so eng benachbart sind. Der Brexit, dieses Ergebnis eines
gewissenlosen politischen Spiels, zeigt ja, wie sehr nationaler
Egoismus die eigenen nationalen Interessen gefährdet. Hoffentlich ein
heilsamer Schock.
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Raimund Neuß
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