(ots) - Immer mehr innovative IT-Unternehmen entwickeln
Apps für die Prävention oder für chronisch kranke Patienten. Auch
medizintechnische Geräte werden immer häufiger durch Apps ergänzt.
Viele dieser neuen Apps haben die reguläre medizinische Versorgung,
den "ersten Gesundheitsmarkt" im Blick. Für die
Gesundheits-IT-Branche ergeben sich daraus große Chancen, denen aber
auch Herausforderungen, vor allem in den Bereich Qualitätssicherung
und Interoperabilität, gegenüberstehen.
Innerhalb weniger Jahre haben sich Gesundheits-Apps von einer
Spielwiese für technikverliebte "Self-Quantifier" zu einem
Massenphänomen entwickelt. In der im Sommer 2016 im Auftrag des
Bundesgesundheitsministeriums erstellten CHARISMHA-Studie gehen die
Autoren davon aus, dass es allein in den App-Kategorien "Medizin" und
"Gesundheit und Fitness" zwischen 80.000 und 90.000 Apps in den
App-Stores von Apple, Google und Microsoft gibt. Andere Schätzungen
sprechen von einer deutlich sechsstelligen Zahl.
Relevanter als die schiere Anzahl von Gesundheits-Apps ist die
Tatsache, dass diese immer stärker in der Versorgung ankommen und
immer häufiger mit Sensortechnik verknüpft werden, die es erlaubt,
eigene gesundheitsrelevante Daten aufzuzeichnen. So werden
Blutzuckermessgeräte heute oft mit Apps verknüpft, in denen die
Messwerte zunehmend automatisch dokumentiert werden. Ähnliches ist
beim Bluthochdruck zu beobachten. Apps kommen bei elektronischer
Patientenakten außerdem als Interface für den Datenzugriff zum
Einsatz. Und Krankenhäuser, zunehmend auch Praxen, arbeiten mit
Service-Apps, die Terminbuchungen oder eine Datenübermittlung
ermöglichen.
Chancen werden oft unterschätzt
Kernversprechen der Gesundheits-Apps ist eine digital vernetzte
medizinische Versorgung, bei der der Patient, nicht die medizinische
Einrichtung, im Mittelpunkt steht. Gleichzeitig gibt es
Herausforderungen, zum Beispiel beim Datenschutz. So haben die
Datenschützer der Bundes und der Länder im Frühjahr 2016 in einer
Entschließung zu Wearables und Gesundheits-Apps zu einem effektiveren
Schutz der verarbeiteten Daten aufgerufen. Und in einer Stichprobe
Ende 2016 zeigte sich, dass Datenschutzerklärungen oft mangelhaft und
der Umgang mit den erhobenen Daten in vielen Fällen intransparent
waren.
Generell neigt die öffentliche Diskussion in Deutschland dazu,
Risiken stark in den Vordergrund zu rücken. "Es besteht die Gefahr,
dass die Chancen im Verhältnis zu den Risiken systematisch
unterschätzt werden", betont etwa Dr. med. Urs-Vito Albrecht vom
Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik der
Medizinischen Hochschule Hannover. Albrecht, federführender Autor der
CHARISMHA-Studie, fordert deswegen eine intensivere Diskussion um
Ansätze, mit deren Hilfe bei Gesundheits-Apps Nutzen definiert und
abgebildet werden kann.
Gesundheits-Apps müssen politisch "mitgedacht" werden
Entscheidend für den dauerhaften Erfolg von Gesundheits-Apps im
deutschen Gesundheitswesen wird es sein, dass die Welt der Apps, die
Welt der traditionellen Gesundheits-IT und die Welt der politisch
vorangetriebenen Telematikinfrastruktur für das deutsche
Gesundheitswesen keine separaten Welten bleiben. "Die ausdrückliche
Erwähnung des mobilen Zugriffs auf die Telematikinfrastruktur im
E-Health-Gesetz war hier ein wichtiges Signal. Allerdings muss jetzt
auch in der Umsetzung sichergestellt werden, dass der Patient mit
seinen mobilen Anwendungen wirklich Zugang zur Telematikinfrastruktur
erhält", betont der Geschäftsführer des Bundesverbands Gesundheits-IT
- bvitg e.V. Ekkehard Mittelstaedt.
Aus Sicht des bvitg, der dazu ein ausführliches Positionspapier
formuliert hat, sollten Gesundheits-Apps Bestandteil einer
ausformulierten deutschen eHealth-Strategie sein, die nationale Ziele
enthält: "Entwickler und Anwender brauchen Planungs- und
Investitionssicherheit und eine innovationsfreundliche
Rahmengesetzgebung. Hierzu gehöre aus Sicht des bvitg auch Klarheit
zu Aspekten des Datenschutzes, zur Haftung und zur Einordnung von
Apps als mögliche Medizinprodukte", so Mittelstaedt. "Neue oder
weitergehende Regelungen sind dafür allerdings nicht erforderlich,
stattdessen eine auf Apps bezogene Interpretation des Bestehenden."
Mehr Klarheit bei der Medizinproduktezertifizierung
Was das Thema Apps als Medizinprodukte angeht, hat sich einiges
getan. So hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
(BfArM) Anfang des Jahres ein Innovationsbüro mit zwei festen Stellen
eröffnet, um IT-Unternehmen und hier nicht zuletzt Start-ups schon in
einem frühen Stadium der Entwicklung zu unterstützen. "Bei der
Beratung geht es zum Beispiel darum, wann es sich bei einer App um
ein Medizinprodukt handelt oder welche klinische Prüfung nötig ist.
Teilweise gibt es da wirklich falsche Vorstellungen", betont
BfArM-Präsident Professor Karl Broich.
Maßgeblich für die Einordnung einer App ist die Zweckbestimmung
des Herstellers. Manchen ist das allerdings zu ungenau. Auch Broich
sieht hier noch Präzisierungsbedarf: "Wir werden noch genauer
definieren müssen, was ein diagnostisches Tool oder ein
Therapiehinweis ist." So sind elektronische Fachbücher oder digitale
Krankheitstagebücher keine Medizinprodukte, ein Dosisrechner dagegen
schon. Medizinprodukt heißt aber nicht, dass automatisch eine große
klinische Studie erforderlich wäre, um die CE-Zertifizierung zu
erlangen: "Ein Dosisrechner muss die normalen Präzisionskriterien
erfüllen, die auch für andere Labor-Tools gelten. Das ist nicht
besonders kompliziert", so Broich.
Transparente Qualitätskriterien auch für Nicht-Medizinprodukte
Doch die Medizinproduktezertifizierung ist nicht alles: "Die
staatliche Regulierung greift nur für Apps, die vom Hersteller als
Medizinprodukte eingestuft werden. Die meisten Apps mit
Gesundheitsbezug sind aber keine Medizinprodukte", so Albrecht. Hier
sind die Hersteller gefragt, Standards zu implementieren, die
geeignet sind, das Vertrauen in die Produkte zu erhalten: "Versäumen
die Hersteller das, besteht die Gefahr, dass den Produkten das
Vertrauen entzogen wird, was wiederum regulatorische Maßnahmen nach
sich ziehen würde, die letztlich innovationshemmend wirken und
insbesondere kleine Unternehmen benachteiligen würden", so Albrecht.
Kriterienkataloge, an denen sich Hersteller wie auch Nutzer von
Gesundheits-Apps bei der Entwicklung qualitativ hochwertiger
Gesundheits-Apps orientieren können, gibt es. So hat die Europäische
Kommission den "Code of Conduct on Privacy for mHealth" entwickelt,
der wichtige Datenschutzregeln zusammenfasst, die Gesundheits-Apps
erfüllen sollten. An einem weiteren europäischen Katalog zu
technischen Anforderungen an die Datenqualität wie unter dem Titel
"Guidelines on Assessment of the Reliability of Mobile Health
Applications" derzeit gearbeitet.
Interoperabilität und Erstattung
Sollen Gesundheits-Apps dauerhaft in der Versorgung "ankommen",
müssen sie technisch interoperabel mit sowohl IT-Systemen als auch
medizintechnischen Produkten, etwa Messgeräten sein. Diese
Interoperabilität kann nur gelingen, wenn die Apps nicht an
existierenden internationalen Standards vorbei entwickelt werden. Der
bvitg erinnert in seinem Ende 2016 vorgelegten Positionspapier
insbesondere an die Standardisierungsinitiativen HL7 und IHE, an
denen sich auch App-Entwickler orientieren sollten. Zudem gibt es mit
den Continua Design Guidelines einen internationalen
Standardisierungsrahmen für die Anbindung von Sensoren.
Schließlich sind auch geregelte Wege in die Erstattung für Apps
ein wichtiger Erfolgsfaktor. "Dieser Prozess muss handhabbar sein, um
innovative Entwicklungen nicht im Keim zu ersticken und insbesondere
kleineren Unternehmen nicht das Wasser abzugraben", so Mittelstaedt.
Ein erster und schnell umzusetzender Schritt könnte aus Sicht des
bvitg sein, das Analogieverbot im SGB V für den niedergelassenen
Bereich zu streichen. Dann könnten innovative Apps, die medizinisch
bereits bewährte Methoden aufgreifen, ohne zusätzlichen Aufwand, ggf.
in einem beschleunigten Zulassungsverfahren, in die Regelversorgung
überführt werden.
Seitens des Bundesministeriums für Gesundheit betont
Staatssekretär Lutz Stroppe, dass es neben dem Weg über erst noch zu
entwickelnde Bewertungsverfahren schon heute mehrere Möglichkeiten
gibt, Gesundheits-Apps in die reguläre Versorgung zu bringen.
"Gesundheits-Apps können zum Beispiel als Bonusleistungen oder
Satzungsleistungen von Krankenkassen eingeführt werden. Und sie
können bereits jetzt über den G-BA bewertet werden, wenn sie
Bestandteil einer Behandlungsmethode sind." Integrierte
Versorgungsverträge mit einzelnen Krankenkassen sind eine weitere
Möglichkeit, Gesundheits-Apps sukzessive in die Fläche zu bringen.
Auch auf der conhIT- Connecting Healthcare IT 2017 werden
Gesundheits-Apps ein großer Themenschwerpunkt sein. Unter anderem
werden folgende Veranstaltungen das Thema behandeln:
- Kongress-Session 4 "Mobile Health & Apps" (25. April 2017; 11:30 -
13:00 Uhr)
- Kongress-Session 5 "Digitalisierung und effiziente Datennutzung
erfordern Interoperabilität" (25. April 2017; 11:30 - 13:00 Uhr)
- Akademie "Mobile Systeme und Apps gestalten und einsetzen" (26.
April 2017; 09:00 - 13:00 Uhr)
- mobile health ZONE "AppCircus Wettbewerb: Prämierung der besten
Health App" (26. April 2017; 14:00 - 15:30 Uhr)
- Messeführung "Apps & Wearables" (26. April 2017; 16:45 - 17:45 Uhr)
- Kongress-Session 13 "Innovative Healthcare IT" (27. April 2017;
09:30 - 11:00 Uhr)
- Podiumsdiskussion/Präsentation "Qualität von Apps in der
medizinischen Versorgung" (27. April 2017; 15:30 - 16:30 Uhr)
Weitere Informationen zum aktuellen conhIT-Programm 2017 finden
Sie hier: http://www.conhit.de/BesucherService/Programm/index.jsp
Informationen zu den Messe-Highlights finden Sie hier: http://www.
conhit.de/de/DIEConhIT/AusstellerAngebote/Messe-Highlights/
Ãœber die conhIT - Connecting Healthcare IT
Die conhIT richtet sich an Entscheider in den IT-Abteilungen, im
Management, der Medizin und Pflege sowie an Ärzte, Ärztenetze und
Medizinische Versorgungszentren, die sich über die aktuellen
Entwicklungen von IT im Gesundheitswesen informieren, Kontakte in der
Branche knüpfen und sich auf hohem Niveau weiterbilden wollen. Als
integrierte Gesamtveranstaltung mit Messe, Kongress, Akademie und
Networking-Events bündelt sie an drei Tagen die Angebote, die für die
Branche attraktiv sind. Die conhIT, die 2008 vom Bundesverband
Gesundheits-IT - bvitg e.V. als Branchentreff der Healthcare IT
initiiert wurde und von der Messe Berlin organisiert wird, hat sich
mit 451 Ausstellern und rund 9.000 Besuchern zu Europas wichtigster
Veranstaltung rund um IT im Gesundheitswesen entwickelt. Die conhIT
wird in Kooperation von den Branchenverbänden Bundesverband
Gesundheits-IT - bvitg e.V., GMDS (Deutsche Gesellschaft für
Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie) e.V., BVMI
(Berufsverband Medizinischer Informatiker) e.V. sowie unter
inhaltlicher Mitwirkung von KH-IT (Bundesverband der
Krankenhaus-IT-Leiterinnen/Leiter) e.V. und CIO-UK (Chief Information
Officers - Universitätsklinika) gestaltet.
Diese Presse-Information finden Sie auch im Internet:
www.conhit.de
Pressekontakt:
Bundesverband
Gesundheits-IT - bvitg e. V.
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Pressereferentin
Taubenstraße 23
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Fax: +49 30 20622 5869
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