(ots) -
Der Emsdettener Zerlegebetrieb NGV, dessen Putenfleisch unter anderem
an die Supermarktketten Edeka, Penny und Rewe geht, soll in seiner
Produktion schwere Hygienemängel in Kauf nehmen. Dies berichten
mehrere Mitarbeiter dem WDR. So werde auf den Boden gefallenes
Fleisch vorschriftswidrig wieder auf den Arbeitstisch zurückgelegt
und weiterverarbeitet. Dies ist auch auf einem Video zu sehen, das
dem WDR zugespielt wurde. Die Aufnahmen sind offenbar nur wenige
Monate alt.
Sowohl ehemalige wie auch heute noch bei NGV angestellte Mitarbeiter
versicherten an Eides statt, die Anweisung dazu käme von
Vorgesetzten. Der Grund hierfür sei, dass die Firma nach Gewicht
bezahlt werde. NGV wies die Vorwürfe auf WDR-Nachfrage als falsch
zurück. Sämtliche Mitarbeiter seien angehalten, Fleisch, das
ungewollt auf den Boden falle, aus dem Zerlegeprozess herauszunehmen.
Die zuständigen Vorgesetzten von NGV versichern in einer
Stellungnahme: "(...) Aufforderungen, heruntergefallenes Fleisch
(...) zurück auf das Band oder in die rote Kiste für den Verkauf zu
geben, hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben." Auch der Betriebsrat wies
die Vorwürfe zurück.
Die Supermärkte Rewe, Penny und Edeka betonten auf Anfrage des WDR,
dass sie keine direkten Vertragsbeziehungen zu NGV hätten. Bei NGV
handele es sich jedoch um ein Subunternehmen der Sprehe-Gruppe. Diese
beliefere demnach alle drei Supermärkte mit Fleischprodukten. Die
Rewe Group, zu der auch die Supermarktkette Penny gehört, und die
Edeka-Zentrale erklärten, umgehend Stellungnahmen bei den beteiligten
Unternehmen angefordert zu haben.
Bei der Sprehe-Gruppe handelt es sich um Deutschlands drittgrößten
Produzenten von Geflügelfleisch. Das Unternehmen erklärte, NGV würde
nicht in seinem Auftrag arbeiten. Ein weiteres Unternehmen aus der
Sprehe-Gruppe, die Allfrisch-Geflügel-Produktion GmbH, bestätigte
aber, NGV zerlege in ihrem Auftrag Puten. Allfrisch erklärte
gegenüber dem WDR: "Zu der von Ihnen behaupteten Kritik von
Mitarbeitern des Unternehmens hinsichtlich der Arbeitsbedingungen
oder hinsichtlich der Hygiene bei der NGV (...) ist uns nichts
bekannt. Die bisherige Zusammenarbeit mit der NGV (...) verlief (...)
stets ohne Beanstandungen."
Nach Aussage von Experten dürfe auf den Boden gefallenes Fleisch auf
keinen Fall weiter verarbeitet werden. "Sie wissen ja nicht, welche
Keime auf dem Boden sind - andere Keime als auf dem Fließband", sagte
der Lebensmittel-Sachverständige Hans-Georg Basikow dem WDR. "So
werden Keime, die das Fleisch verändern können, in den
Lebensmittelbereich eingebracht." Seiner Ansicht nach würden
Aufsichtsbehörden ein solches Vorgehen beanstanden. "Was auf der Erde
ist, ist ein Abfall, der noch als Hundefutter zu gebrauchen ist, aber
im Bereich der Lebensmittel nichts mehr zu suchen hat."
Der Kreis Steinfurt als zuständige Kreisveterinär-Behörde bestätigte
dem WDR, dass solche Vorwürfe auch dort angekommen seien. "In vier
anonymen Mitarbeiterbeschwerden im zweiten Halbjahr 2016 wurden unter
anderem auch die von Ihnen zitierten Missstände angezeigt", schrieb
Kirsten Weßling, Leiterin der Stabsstelle des Landrats, in einer
Stellungnahme. "Zur Abklärung der Anschuldigungen wurden jeweils
umgehend unangemeldete Betriebskontrollen durchgeführt. Die
angeführten Mängel konnten dabei im Wesentlichen nicht bestätigt
werden." Die Mitarbeiter des Fleischproduzenten NGV halten dennoch an
ihren Vorwürfen fest.
Der WDR berichtet am 29. März in der "Servicezeit" (18.15 Uhr im WDR
Fernsehen) und bei "Markt" (20.15 Uhr im WDR Fernsehen) über die
Recherchen. Auch die WDR-5-Wirtschaftssendung "Profit" berichtet um
18.05 Uhr über das Thema.
Pressekontakt:
WDR Presse und Information
Tel. 0221 220 7100
wdrpressedesk(at)wdr.de
Original-Content von: WDR Westdeutscher Rundfunk, übermittelt durch news aktuell