PresseKat - Börsen-Zeitung: Böses Erwachen, Kommentar zur EZB von Mark Schrörs

Börsen-Zeitung: Böses Erwachen,
Kommentar zur EZB von Mark Schrörs

ID: 1474230

(ots) - Nach dem rasanten Inflationsanstieg zum
Jahreswechsel hat die Teuerung in Deutschland im März schon wieder
deutlich nachgelassen. Ganz ähnlich wird das Bild für den Euroraum
ausfallen, für den es heute eine erste Schätzung gibt. Die Mehrheit
im EZB-Rat dürfte sich dadurch - getreu dem Motto: "Haben wir's nicht
gesagt?" - darin bestärkt fühlen, dass die Europäische Zentralbank
(EZB) noch für lange Zeit nicht abweichen darf vom ultralockeren Kurs
und schon jedes Sinnieren über einen Exit verfrüht kommt. Ein simples
"Weiter so!" aber ist so falsch wie gefährlich.

Falsch ist es, weil der Inflationsrückgang wenig am Gesamtbild
ändert: Die Wirtschaft ist auf Erholungskurs und wächst sogar über
Potenzial - und die Inflation normalisiert sich, auch wenn die
Teuerung, nach einer wegen Sondereffekten absehbaren Gegenbewegung
nach oben im April, in den Sommermonaten zeitweise sogar noch stärker
zurückgehen dürfte. Ein expansiver EZB-Kurs ist aktuell zwar sicher
angemessen, aber die unbeirrte Vollgas-Geldpolitik der EZB samt
dazugehöriger Kommunikation passt immer weniger ins Bild. Wenn nicht
in einem solchen Umfeld zumindest mal eine ernsthafte Diskussion über
den Einstieg in den Ausstieg und den ohnehin langwierigen Weg aus dem
geldpolitischen Großexperiment der vergangenen Jahre begonnen wird -
wann dann? Auch der avisierte straffere Zinserhöhungskurs der
US-Notenbank bietet der EZB aktuell eine günstige Gelegenheit,
wenigstens mit der Debatte zu starten.

Gefährlich ist ein "Weiter so!" hingegen, weil die Verwirrung an
den Finanzmärkten angesichts der jüngsten, sich widersprechenden
Aussagen einzelner Notenbanker zur möglichen Ausstiegsstrategie
gerade gezeigt hat, dass es sich rächt, wenn EZB-Präsident Mario
Draghi versucht, jede Exit-Debatte im Keim zu ersticken. Dann redet




schnell jeder Notenbanker/jede Notenbankerin so, wie es ihm/ihr in
den Sinn kommt - etwa, was die Abfolge von Zinserhöhungen und
Rückführung der Wertpapierkäufe betrifft. Statt für mehr Unsicherheit
muss der EZB-Rat eiligst für mehr Klarheit über die Bedingungen des
Exit-Starts und die richtige Strategie sorgen.

Draghi & Co. aber scheint in diesen Tagen eher daran gelegen,
Marktteilnehmer, Investoren und alle anderen einer noch lange
ultralockeren Geldpolitik zu versichern - wie das beharrliche
Festklammern an der Forward Guidance mit der Option noch weiter
sinkender Zinsen belegt. Wenn sie die Märkte aber nun erneut
einlullen und in trügerischer Sicherheit wiegen, ist die Gefahr groß,
dass bei einem künftig nötigen Kurswechsel das Erwachen nur umso
böser wird.



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Datum: 30.03.2017 - 20:35 Uhr
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