(ots) - Der neue Chefstratege der NRW-CDU für das
Thema "Innere Sicherheit", Wolfgang Bosbach, will den Doppelpass für
in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern abschaffen.
Bosbach sagte im Interview mit der in Düsseldorf erscheinenden
"Rheinischen Post" (Donnerstagausgabe): "Bei den Deutschtürken der
ersten und zweiten Generation sollten wir den Doppelpass beibehalten.
Aber warum die Möglichkeit eines Doppelpasses auch noch bei den
Enkeln und Urenkeln aufrechterhalten bleiben soll, die doch längst
Abstammungsdeutsche sind, verstehe ich nicht."
Das vollständige Interview:
Wie geht es Ihnen? Bosbach Im Moment gut. Mir ist im September ein
Teil meiner Lunge entfernt worden, weil sich dort ein Tumor
angesiedelt hatte. Die ersten Wochen nach der OP habe ich
unterschätzt, aber inzwischen geht es mir deutlich besser. Ich spüre
im Alltag keine Einschränkungen, aber ich bin abends ganz schön
kaputt.
Sie haben damals angekündigt, 2017 aus dem Bundestag auszuscheiden
und kein politisches Amt mehr anzustreben. Wie hat Armin Laschet Sie
überzeugt, sich jetzt in den Wahlkampf einzumischen? Bosbach Er hat
an meine politische Ehre appelliert. Er wusste, dass ich kein
politisches Amt anstrebe. Auch nicht auf Landes- oder Kommunalebene.
Aber ich bin ein leidenschaftlicher, politischer Mensch. Und die
Innenpolitik ist mein Lebensthema. Es ist eine Ehre, diese Kommission
zu leiten.
Warum wollen Sie bei einem Wahlsieg nicht auch Innenminister
werden? Bosbach Ich stehe zu meiner Entscheidung. Aus
gesundheitlichen Gründen, denn ich werde in wenigen Wochen 65 Jahre
alt und bin nicht mehr der Fitteste. Aber auch aus politischen
Gründen. Ich habe ja damals Ihrer Zeitung gesagt, dass ich nicht die
Kuh sein möchte, die ständig quer im Stall steht. In wichtigen Fragen
bin ich anderer Auffassung als die Mehrheit meiner Partei.
Sie haben die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin mal als großen
Fehler bezeichnet, Armin Laschet ist Merkels größter Unterstützer.
Bosbach Da müssen Sie differenzieren. Ich habe nie die Entscheidung
kritisiert, dass die Kanzlerin Anfang September 2015 die Flüchtlinge
einreisen ließ, die unter unsäglichen Umständen im Budapester Bahnhof
eingepfercht waren. Ich habe kritisiert, dass wir danach nicht zur
geltenden Rechtslage zurückgekehrt sind, insbesondere jene Personen
nicht einreisen zu lassen, deren Identität völlig ungeklärt ist.
Sind Flüchtlinge ein Sicherheitsrisiko in NRW? Bosbach Es gibt
Problemgruppen, und die muss man als solche bezeichnen. Die
Flüchtlinge aus Syrien sind unter Kriminalitätsaspekten ziemlich
unproblematisch. Anders ist es bei Flüchtlingen aus Nordafrika, die
zu einem hohen Prozentsatz kein Aufenthaltsrecht haben und in
erheblichem Umfang straffällig in Erscheinung treten. Nicht nur bei
der so genannten Kleinkriminalität.
Der Terrorist Anis Amri kam aus Tunesien. Wer hat in dem Fall
versagt? Bosbach Ich verstehe jedenfalls die Argumentation der
nordrhein-westfälischen Landesregierung nicht, dass man es nicht
einmal versucht hat, den Mann abzuschieben. Ich kann nicht
ausschließen, dass man vor Gericht gescheitert wäre. Aber es nicht
einmal zu versuchen, ist fahrlässig.
Im Bund-Länder-Terrorabwehrzentrum in Berlin wurde Amri falsch
eingeschätzt. Bosbach Es gehört zur Wahrheit dazu, dass die
unterschiedlichen Kriterien zur Einschätzung eines Gefährders
zwischen Bund und Ländern und zwischen den Sicherheitsbehörden die
Sache erschwert haben. Auch im Bund gab es ja Gesetzesverschärfungen.
Bosbach Das war auch notwendig, denn bisher konnte die Abschiebehaft
nur zur Durchführung einer zeitnahen Ausreisepflicht angeordnet
werden. Das bringt aber nichts, wenn der Herkunftsstaat keine Papiere
ausstellen will oder die Identität bezweifelt. Nun können die
Sicherheitsbehörden einen Gefährder in Haft nehmen, während die
Behörden auf die Papiere und die Identitätsfeststellung warten.
Leben wir in NRW unsicherer als anderswo? Bosbach Zweifellos. Das
Risiko, in Nordrhein-Westfalen Opfer einer Straftat zu werden, ist 70
Prozent höher als in Bayern.
Innenminister Ralf Jäger sagt, das liege an den Ballungsräumen im
Land. Bosbach Abstrakt ist das richtig. Aber wieso ist das Risiko in
Köln Opfer einer Straftat zu werden 100 Prozent höher als in München?
Ich bin mir sicher: Die Kölner Silvesternacht wäre in München nicht
passiert. München hat übrigens 300.000 Einwohner mehr als Köln.
Warum nicht? Bosbach Der Spuk wäre in München nach wenigen Minuten
vorbei gewesen, weil dort die Devise gilt: Wehret den Anfängen. Dort
wird konsequentes Durchgreifen in der polizeilichen Praxis gelebt, in
NRW nicht.
Die CDU-geführte Regierung unter Jürgen Rüttgers hat
Polizeistellen abgebaut. Bosbach Mal langsam. Ich habe mir die Zahlen
genau angeschaut. Der größte Abbau der Polizeistellen wurde zur
Jahrtausendwende in Berlin und in NRW vollzogen, damals beides keine
CDU-geführten Länder. Wo sehen Sie Schwächen im CDU-Wahlprogramm zur
inneren Sicherheit? Bosbach Da sehe ich gar keine. Die Prioritäten
sind richtig gesetzt. Wenn die Bürger das Vertrauen verlieren, dass
der Staat sie wirksam vor Verbrechern schützen kann, wenden sie sich
von etablierten Parteien ab. Das wäre fatal.
Warum braucht es dann eine Kommission? Bosbach Die
Sicherheitspolitik bedarf einer ständigen Überprüfung. Es gibt neue
Bedrohungslagen, neue sicherheitsrelevante Themen, denken Sie nur an
das große Thema der Cyberkriminalität. Diese Kommission soll der
neuen Landesregierung dauerhaft als Expertengremium und Ideengeber
dienen.
Dann werden Sie sie sicher parteiübergreifend besetzen? Bosbach
Ich werde kein Mitglied nach einem CDU-Parteibuch fragen. Was glauben
Sie, ist das drängendste Problem für Nordrhein-Westfalen? Bosbach Die
Bedrohung durch den islamistisch motivierten Terror. Es gibt drei
Aspekte: Erstens die stark steigende Zahl der Salafisten in unserem
Land. Nicht jeder Salafist ist ein potenzieller Terrorist. Aber fast
jeder Terrorist hat Kontakte zur salafistischen Szene. Wie kann es
sein, dass sich zehn Prozent der salafistischen Szene in NRW rund um
Bonn ansiedeln? Da müssen wir ran. Zweitens gerät der IS im Irak und
in Syrien unter Druck. Dies könnte dazu führen, dass der IS seine
Schlagkraft demonstrieren will und Anschläge in anderen Ländern
begeht. Drittens haben wir eine nennenswerte Zahl von Rückkehrern aus
den Kampfgebieten, die ihre Tötungshemmung verloren haben. Von ihnen
geht die größte Gefahr aus. In Deutschland leben derzeit 600
Gefährder, davon 20 vom Schlage eines Anis Amri. Sie vollumfänglich
zu überwachen, ist ausgesprochen schwierig.
Wie kann man diese Menschen stärker in den Fokus nehmen? Bosbach
Das Hauptaugenmerk muss auf der Frage nach der Ursache der
Radikalisierung liegen, und ich glaube, dass da einige
Moscheegemeinden eine unrühmliche Rolle spielen. Es muss deshalb eine
konsequente Kappung aller ausländischen Einflüsse auf die Arbeit in
den Gemeinden geben. Wenn Imame einreisen, um hier zu predigen, dann
predigen sie sehr oft an der Lebenswirklichkeit der Gläubigen in
Deutschland vorbei. Deshalb halte ich es für richtig, dass Imame in
Deutschland ausgebildet werden.
Müsste Innenminister Jäger zurücktreten? Bosbach Er hätte schon
längst zurücktreten müssen, wenn er wirklich konsequent gewesen wäre.
Als er selbst Oppositionspolitiker war, hat er an die
Verantwortlichen in der Landesregierung ganz andere Maßstäbe angelegt
als an sich selbst heute. Jetzt, vier Wochen vor der Landtagswahl,
nach dem Rücktritt von Ralf Jäger zu rufen, macht aber wenig Sinn.
Wie beurteilen Sie das Wachsen der Konservativen Kreise? Ist das
eine Gefahr für die CDU? Bosbach Das ist eine Chance für die CDU,
enttäuschte Wähler wieder zurückzugewinnen und deutlich zu machen,
dass die Wertkonservativen genau die gleiche Daseinsberechtigung und
politische Bedeutung haben wie die Christlich-Sozialen und die
Liberalen.
Halten Sie eine Abschaffung des Doppelpasses für in Deutschland
geborene Kinder ausländischer Eltern für notwendig? Bosbach Ja. Ich
habe beim Parteitag für die Reform gestimmt. Ich kann verstehen, dass
man Menschen, die eingewandert sind, nicht ihre Wurzeln wegnehmen
möchte. Bei den Deutschtürken der ersten und zweiten Generation
sollten wir den Doppelpass beibehalten. Aber warum die Möglichkeit
eines Doppelpasses auch noch bei den Enkeln und Urenkeln
aufrechterhalten bleiben soll, die doch längst Abstammungsdeutsche
sind, verstehe ich nicht. Deswegen favorisiere ich den so genannten
Generationenschnitt, den der Bundesinnenminister vorgeschlagen hat.
Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion
Telefon: (0211) 505-2621
Original-Content von: Rheinische Post, übermittelt durch news aktuell