(ots) -
Weiblichen Fachkräften bietet die Games-Branche spannende
Perspektiven. Drei Frauen erzählen von ihrer Karriere. Glenna Buford
leitet ein Team aus Programmierern für das beliebte Spiel "Jelly
Splash" des Berliner Entwicklers Wooga. Game-Designerin Jenny
Pankratz entwickelt für das deutsche Entwicklerstudio Piranha Bytes
Charaktere und Geschichten für Rollenspiele. Cornelia Geppert ist
eigentlich Comic-Zeichnerin und arbeitete in der Werbung. Inzwischen
hat sie mit Jo-Mei Games ihr eigenes Studio gegründet und entwickelt
mit "Sea of Solitude" einen potentiellen Hit.
Glenna Buford ist Chef-Programmiererin des beliebten Mobile Games
"Jelly Splash" von Wooga. Die studierte Mathematikerin und
Informatikerin stammt aus den USA und hat vor ihrer Arbeit in Berlin
für ein Startup in San Francisco gearbeitet. In Deutschland engagiert
sie sich für Coding-Workshops für junge Mädchen.
Was waren deine ersten Gaming-Erfahrungen?
Glenna Buford: Ich war elf Jahre alt und habe die Sommerferien bei
meiner Cousine verbracht. Damals spielten wir auf der Nintendo 64
"Mario Kart" oder "Diddy Kong Racing". Oft zehn Stunden am Stück, nur
unterbrochen von kurzen Ausflügen in den Pool und dem Essen.
Wie bist du in die Spiele-Industrie gekommen? Glenna Buford: Bevor
ich zu Wooga kam, arbeitete ich in San Francisco für ein Start-up,
das einen Compiler - also ein Programm, das Quelltext in ausführbaren
Code umsetzt - für plattformübergreifende Entwicklung von Mobile Apps
entwickelte. Dieses Tool wurde vor allem von Spiele-Entwicklern
genutzt. Wooga war damals einer meiner Kunden. Meinem heutigen
Arbeitgeber half ich dabei, "Jelly Splash" von iOS auf Android zu
übertragen. Ein Jahr später wurde mir ein Job in Berlin angeboten.
Warum bist du Programmiererin geworden?
Glenna Buford: Während meines Mathestudiums belegte ich
Informatikkurse und programmierte nebenbei für einige
Forschungsprojekte. Es war total befriedigend zu sehen, wenn meine
Code-Zeilen am Ende zu einem kleinen Programm wurden. Dieses
Glücksgefühl hat mir gezeigt, dass mir Informatik noch mehr liegt als
die Mathematik. Deshalb machte ich noch einen Master in Computer
Science.
Was genau ist deine Aufgabe als Engineering Lead bei Wooga?
Glenna Buford: Ich kümmere mich um "Jelly Splash", eins der
derzeit erfolgreichsten Spiele von Wooga. Bei dem Mobile Game müssen
die Spieler gleichfarbige "Jellies" verbinden und so mehrere hundert
Level lösen. Wir sind fünf Programmierer in meinem Team. Als Lead
Engineer bin ich für alle technischen Entscheidungen und
Entwicklungen verantwortlich. Trotz der Führungsaufgabe ist mein
Hauptjob immer noch das Programmieren. Wir haben einige Millionen
Spieler, die auch nach dreieinhalb Jahren immer neue Features und
Level erwarten. Um diese Ansprüche zu befriedigen und die Qualität
des Spiels zu halten, gibt es alle zwei Wochen Updates.
Wie schätzt du die Rolle von weiblichen Fachkräften in der
Spieleindustrie ein?
Glenna Buford: Die Zahl der weiblichen Experten in der
Games-Industrie wächst. Ich glaube, das ist eine tolle Inspiration
für andere Frauen. Wichtige Voraussetzungen für diese Vorbildfunktion
ist allerdings Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit. Die
hochqualifizierten Frauen in der Industrie brauchen mehr Sichtbarkeit
in den Medien und auf Konferenzen. Nur so können sie den Nachwuchs
für eine Karriere in der Spiele-Branche begeistern.
Schreckt es junge Mädchen ab, dass die Spiele-Industrie sehr
männerdominiert ist?
Glenna Buford: Ich glaube, dass größere Problem ist, dass die
Mädchen selbst kaum an die Spiele-Industrie als berufliche
Perspektive denken. Deshalb ist es wichtig, schon früh den Nachwuchs
für sich zu begeistern. Zusammen mit anderen Freiwilligen habe ich
deshalb die Girls' Games Workshops in Berlin ins Leben gerufen. Dabei
zeigen wir den Mädchen, wie Spiele entstehen und welche Berufschancen
die Spiele-Industrie bietet. Das ist eine spannende Erfahrung. Die
Jugendlichen machen sich nur selten Gedanken darüber, wie viel Arbeit
hinter der Entwicklung ihrer Lieblingstitel steckt. Gleichzeitig
erklären wir mit einfachen Mitteln die Grundprinzipien des
Programmierens und entwickeln innerhalb eines Tages ein eigenes
Spiel.
Hast du Ratschläge für junge Mädchen, die sich für die
Games-Branche interessieren?
Glenna Buford: Es gibt zum Glück heute unendlich viele tolle
Initiativen und Tools, mit denen man Programmieren lernen kann. Ich
würde jedem Interessierten raten, an einem solchen Angebot
teilzunehmen. Auch freie Online Tools wie Scratch oder Code.org sind
eine gute Möglichkeit und an Universitäten in der Nähe findet man
Vorbilder und Inspirationen.
Wären Spiele anders, wenn mehr Frauen in der Entwicklung beteiligt
wären?
Glenna Buford: Ein Entwickler-Team besteht idealerweise aus ganz
unterschiedlichen Menschen. Diese Heterogenität in Geschlecht, Alter
und Kompetenzen sorgt für ein besseres Verständnis für die eigenen
Spieler. Immerhin werden auch Games wie "Jelly Splash" von Menschen
überall auf der Welt gespielt - Jung und Alt, Frau und Mann und mit
ganz unterschiedlichen kulturellen Hintergründen.
Jenny Pankratz ist Game-Designerin bei Piranha Bytes. Sie ist bei
dem kleinen Studio Piranha Bytes aus dem Ruhrgebiet für die
Entwicklung von Games Stories und Charakteren zuständig; außerdem
arbeitet sie zurzeit am Open World Rollenspiel "Elex". Pankratz ist
eine klassische Quereinsteigerin. Vorher arbeitete sie als
Sozialarbeiterin im Jugendamt und Gefängnis.
Wie bist du in die Games-Branche gekommen?
Jenny Pankratz: Auf Umwegen. Ich bin gelernte Sozialarbeiterin und
habe früher im Gefängnis und Jugendamt gearbeitet. Aber ich war schon
länger mit den Gründern von Piranha Bytes befreundet. Anfangs teste
ich in der Freizeit die Spiele auf Fehler. Doch es gab bald immer
mehr zu tun, neben der Behebung von Fehlern fing ich beispielweise
auch damit an, erste kleinere Stories zu schreiben. Am Ende gab ich
meinen alten Beruf auf.
Mit welchen Spielen bist du selbst aufgewachsen?
Jenny Pankratz: Ich war in meiner Kindheit ein großer Adventure
Fan. Ich habe Lucas-Arts-Titel wie "Monkey Island" oder "Indiana
Jones" geliebt. Später kamen immer mehr Genres hinzu. Ich habe auch
viele Shooter und große Rollenspiele wie "Gothic" gespielt.
Kannst du einmal deine Aufgaben als Game-Designerin beschreiben?
Jenny Pankratz: Ich bin Game-Designerin im Story-Bereich. Das
heißt, ich entwickle zusammen im Team einzelne Quests in einem Spiel,
bin für Gestaltung von Charakteren zuständig und schreibe Dialoge.
Wie entsteht ein Spielcharakter?
Jenny Pankratz: Es beginnt mit dem Blick auf das große Ganze. In
welcher Zeit spielt das Spiel, wie ist die Landschaft beschaffen, was
beschäftigt die Bewohner, welche Berufe haben sie und welche Typen
brauchen wir für die Handlung? Von diesen Rahmenbedingungen ausgehend
entwickeln wir die einzelnen Charaktere. Dafür haben wir ein eigenes
Wiki, in dem alle wichtigen Informationen zusammengetragen sind. Im
nächsten Schritt bekommt der Charakter dann seinen Platz in der
Story, erst dann schreiben wir Dialoge für ihn. Natürlich
unterscheidet sich der Entwicklungsaufwand je nach Tiefe der Figur.
Ein Klassiker wie der mürrische Schmied ist schneller entwickelt als
die wichtigsten Gefährten des Spielers.
Woher bekommst du deine Inspirationen?
Jenny Pankratz: Wir spielen im Team unheimliche viele Spiele wie
beispielsweise "Outcast" und schauen Fantasy- und
Science-Fiction-Filme wie "Equlibrium". So bekommen wir die meisten
Inspirationen.
Wie technisch ist deine Arbeit?
Jenny Pankratz: Die technische Umsetzung meiner Charaktere
überlasse ich den Programmierern und Grafikern. Natürlich muss ich
die grundlegende Funktionsweise des Spiels verstehen, um meine
Dialoge einzupflegen. Dabei ist ein technisches Grundverständnis zu
der Funktionsweise von Computerspielen sehr hilfreich, aber eine
Programmiersprache beherrsche ich nicht. Code lesen zu können, ist
aber zum Glück für den Kreativbereich auch nicht nötig.
Die Zahl der Frauen in der Games-Branche steigt langsam, aber
sicher. Spürt ihr als kleines Studio davon etwas?
Jenny Pankratz: Schwer zu sagen, wir sind zwei Frauen im Team und
hatten zuletzt eine tolle Praktikantin. Aber sonst ist die Mehrzahl
der Bewerber doch männlich, gerade im Bereich Programmierung.
Was schreckt junge Mädchen ab, in die Games-Branche zu gehen?
Jenny Pankratz: Ich glaube, das Problem hat nicht nur die
Games-Branche. Es fehlt einfach immer noch an den weiblichen
Vorbildern in technischen Berufen. Schon Eltern sagen zu ihren
Töchtern viel zu selten, mach doch was mit Technik. Und wer sich für
Technik oder Informatik interessiert, muss dann noch auf die
Games-Branche stoßen. Das ist auch keine Selbstverständlichkeit.
Immerhin sind im Bereich Programmierung die Sicherheiten und die
Bezahlung, die in anderen Teilen der Wirtschaft geboten werden,
deutlich besser als bei einem kleinen Indie-Studio. Außerdem wissen
die wenigsten, wie Spiele eigentlich gemacht werden. Das sind aus
meiner Sicht die großen Baustellen.
Hast du Empfehlungen für den besten Einstieg ins Game-Design?
Jenny Pankratz: Klassische Ausbildungen für Game-Design sind
häufig noch im Aufbau, mal abgesehen von den Studienangeboten
privater Akademien. Deshalb ist vor allem Interesse an Spielen und
Eigeninitiative gefragt. Eine gute Möglichkeit, wertvolle Erfahrungen
zu sammeln und ein eigenes Portfolio aufzubauen, sind auf jeden Fall
längere Praktika bei verschiedenen Studios. Auch die Teilnahme an
Messen, Gaming-Workshops und Game-Jams ist immer toll.
Cornelia Geppert arbeitete nach der Schule als Comic-Zeichnerin
und Art Director für große Unternehmen und Werbeagenturen. Spät
berufen studierte sie Game-Design an der Game Academy und gründete
nach Stationen bei großen Studios ihr eigenes Unternehmen. Für ihr
Herzensprojekt "Sea of Solitude" konnte sie gerade Branchegröße
Electronics Arts als Publisher gewinnen.
Wie sieht ein typischer Tag als CEO von Jo-Mei Games aus?
Cornelia Geppert: Wir sind ein Indie-Studio. Ich bin deshalb nicht
nur Gründerin und CEO, sondern auch Creative Director, Writer und
Vision Keeper. Das heißt, ich kümmere mich um neue Projekte und ihre
Finanzierung und bin direkt an der Umsetzung beteiligt. Das ist sehr
spannend. Oft stecke ich von Montag bis Mittwoch in einer Welle aus
Meetings und kümmere mich in der restlichen Woche um die Entwicklung
unseres neuen Games "Sea of Solitude".
Hast du also "Sea of Solitude" selbst erdacht?
Cornelia Geppert: Ich begann vor zwei Jahren mit einem
Programmierer zusammen die Entwicklung. Das heißt, die Idee, Story
und die Bilderwelt stammen aus meiner Feder. Bis heute bin ich in
alle inhaltlichen Entscheidungen eingebunden. Gleichzeitig kümmere
ich mich um die Vermarktung. Für "Sea of Solitude" haben wir gerade
Electronic Arts als Publisher gewonnen.
Wie bist du in die Games-Branche gekommen?
Cornelia Geppert: Ãœber Umwege. Meine Wurzeln liegen eigentlich im
Comic. Natürlich habe ich als Kind viel Computer gespielt. Anfangs
auf einem Atari, später folgten dann die Lucas-Arts-Adventures. Auch
Konsolentitel wie "Super Mario" habe ich geliebt. Als Teenager fing
ich an, mich für Comics zu interessieren. "Sailor Moon" und "Akira"
waren damals meine Favoriten. Bevor ich in die Games-Branche kam,
arbeitete ich als Comic-Zeichnerin und Art Director. Weil mich
bewegte Bilder und Animationen interessierten, studierte ich Game
Design an der Games Academy in Berlin und arbeitete bei einigen
großen Studios.
Wie bist du auf die Idee gekommen, selbst ein Studio zu gründen?
Cornelia Geppert: Ich wollte einfach meine eigenen Ideen umsetzen
und das konnte ich nur mit einem eigenen Studio. Nach und nach suchte
ich mir die passenden Mitstreiter und steckte viel Zeit, Geld und
Leidenschaft in den Aufbau von Jo-Mei Games.
Wie schwierig war dein Start als Unternehmerin?
Cornelia Geppert: Die Gründung war schon eine ziemliche
Herausforderung. Wir haben eine ganze Zeit nur von unseren
Ersparnissen gelebt. Das Büro war nicht mehr als zwei Tische in
unserem Wohnzimmer. Mindestens genauso herausfordernd wie die
Prototypen-Entwicklung waren später die Vertragsverhandlungen mit den
Publishern und möglichen Geldgebern.
Für euren bald kommenden Titel "Sea of Solitude" gibt es im Moment
viel Aufmerksamkeit. Das Spiel behandelt eher ,untypische' Themen wie
Einsamkeit und Glück. Was gab die Inspiration dafür?
Cornelia Geppert: Anfangs hatte ich eine postapokalyptische
Geschichte über eine überflutete Stadt im Kopf. Im zweiten Schritt
kamen dann starke Emotionen wie Glück, Trauer und Einsamkeit als
Themen dazu. Ich beschäftigte mich sehr intensiv mit diesen doch sehr
alltäglichen, aber trotzdem so starken Gefühlen und las viele
wissenschaftliche Artikel dazu. Als Künstlerin konnte ich diesen
Input kreativ verarbeiten. Zum Beispiel verändert sich die Handlung
des Spiels dadurch, wie glücklich oder traurig der Hauptcharakter
gerade ist.
Die Zahl der Frauen in der Games-Branche steigt langsam, aber
sicher. Verändert ihre weibliche Perspektive die Themen der Spiele?
Cornelia Geppert: Auf jeden Fall gilt das für mein Spiel. Ich habe
natürlich eine weibliche Perspektive auf die Welt und bringe sie auch
in die Entwicklung ein. Dieser Einfluss ist mindestens genauso groß
und wichtig wie die eigene Sozialisierung. Im Laufe des Lebens
verschieben sich die Prioritäten und relevanten Themen. Das gilt
natürlich auch für Männer. So wurden viele Spieler und Entwickler aus
den 1990ern erwachsen und haben Familie. Das merkt man auch daran,
dass Vater-Kind-Beziehungen zunehmend eine Rolle in Games spielen.
Außerdem finden erwachsene Themen wie Sterben oder Krebs ihre Nische.
Diese Vielfalt ist ein großer Gewinn für die Szene und ein Zeichen
für mehr Heterogenität unter den Entwicklern.
Wie heterogen ist Jo-Mei Games?
Cornelia Geppert: Wir haben eine Frauen- oder Männerquote von 50
Prozent. Das ist aber kompletter Zufall. Ich achte bei der
Einstellung gar nicht auf das Geschlecht. Wichtiger ist mir die
Begeisterung für Spiele und das Know-how. Aber tatsächlich steigt die
Zahl der weiblichen Fachkräfte, das zeigen auch die
Abschlussjahrgänge der einschlägigen Hochschulen wie der School4Games
in Berlin. Allerdings sehe ich immer noch, dass die Programmierung
eher männerdominiert ist und die kreativen Berufe eher von Frauen
gewählt werden.
Hast du Ratschläge für junge Mädchen, die sich für Games-Branche
interessieren?
Cornelia Geppert: Das Wichtigste sind Liebe und Energie für
Spiele. Auch Praktika sind sehr wichtig, gerne schon in der
Schulzeit. So bekommen die Jugendlichen früh eine klare Vorstellung
von unserer Arbeit und können sich gezielt für Programmierung oder
das Game Design entscheiden. Ein nicht zu vernachlässigender Faktor
ist die Ausbildung, gerade die Qualität der Hochschulen und
Studiengänge ist sehr hoch und die Abgänger durchaus gefragt.
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