(ots) - Ganz so tiefenentspannt, wie man den Eindruck
gewinnen konnte, sind die Anleger an den Finanzmärkten wohl doch
nicht gewesen. Angesichts geringer Volatilität hatte sich
zwischenzeitlich die Vermutung aufgedrängt, die Investoren ließen
sich von augenfälligen politischen Risiken nicht beeindrucken. Am
Montag jedoch, dem Tag nach dem ersten Wahlgang in Frankreich,
dokumentierte die Kursrally, wie groß die Erleichterung ist, dass
nicht Rechtsaußen Marine Le Pen und Linksaußen Jean-Luc Mélenchon das
Präsidentschaftsfinale untereinander ausmachen werden. Dass Emmanuel
Macron als klarer Favorit in die zweite Runde geht, sorgte an den
Kapitalmärkten für ein kollektives Aufatmen - uff!
Aus Sicht der Anleger mag diese Erleichterung sogar
nachvollziehbar sein. Investoren sind schließlich keine Leitartikler.
Ihre Kauf- und Verkaufsentscheidungen bringen nicht ihre politischen
Überzeugungen und Wünsche zum Ausdruck, sondern bewerten Risiken und
Chancen konkreter Ereignisse. Und in der Tat ist nach dem ersten
Wahlgang die Wahrscheinlichkeit gesunken, dass Frankreich die EU
verlässt oder die Eurozone auseinanderbricht.
Es wäre jedoch grob fahrlässig, auf Basis des Ausgangs der ersten
Runde und der positiven Marktreaktion zu behaupten, die EU sei nun
endlich auf gutem Wege, ihre Vertrauenskrise hinter sich zu lassen -
so wie das in mancher Stellungnahme am Montag angedeutet wurde. Davon
ist die Staatengemeinschaft leider noch meilenweit entfernt.
Die vergangenen Monate haben vor Augen geführt, wie die
erstarkenden antieuropäischen Kräfte in den Niederlanden, in
Österreich oder in Frankreich die Tagesarbeit in der EU
verkomplizieren. Selbst wenn die Wilders und Hofers bisher noch nicht
die obersten politischen Ämter in ihren Heimatländern erobert haben -
und selbst wenn dies nun womöglich auch Le Pen nicht gelingen sollte
-, so sorgen die Rechtsaußen doch dafür, dass die
Kompromissbereitschaft der jeweiligen Regierungen spürbar sinkt. Denn
die Premiers haben zusehends Angst, EU-Partnern entgegenzukommen,
weil sie dann fürchten müssen, von den nationalen Kontrahenten vor
dem heimischen Publikum vorgeführt zu werden. Das wiederum höhlt die
Fähigkeit der EU aus, vernünftige Kompromisse zu schmieden, und
mindert die Chance, europäische Lösungen zu finden, wie sie von
Europas Bürgern zu Recht verlangt werden - letztlich ein
Teufelskreis. Insofern kann beim Blick der EU-Nachbarn auf Frankreich
derzeit von Entwarnung keine Rede sein.
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