(ots) - Noch fünf Monate, dann soll die mühsame Zeit der
außerparlamentarischen Opposition für die FDP zu Ende sein. Niemand
dürfte sich das so sehr wünschen wie Parteichef Christian Lindner.
Denn auf seinen noch recht jungen Schultern lastet die große, ja
übergroße Verantwortung, die Freien Demokraten in den Bundestag
zurückzuführen. Seit dreieinhalb Jahren gibt er ihnen praktisch im
Alleingang das Gesicht. Seine Ein-Mann-Show ist mühsam, aber
zwangsläufig. Die FDP muss froh sein, dass sie immer noch in
Talkshows und zu Zeitungsinterviews eingeladen wird. Dann ist ihr
Chef gefragt. Wer sonst sollte die Partei repräsentieren? Die
Personaldecke ist dünn. Da ist noch Parteivize Wolfgang Kubicki, der
schon wegen seiner flotten Sprüche geladen wird. Zum Thema
Außenpolitik Alexander Graf Lambsdorff. Das war's. Immerhin sind die
Zeiten ständiger interner Streitigkeiten vorbei - angesichts der
früheren Liebe zum Intrigantenstadl nicht selbstverständlich.
Lindners Ein-Mann-Show ist riskant für ihn wie für die Partei. Ein
falscher Spruch zur falschen Zeit kann fatale Folgen haben. Dabei hat
er den Vorteil, dass er zwar sehr eloquent ist, aber nicht so
polarisiert wie früher Guido Westerwelle. Er neigt auch nicht zu
populistischen Sprüchen, und hat weitgehend der Versuchung
widerstanden, auf diesem Weg um Aufmerksamkeit zu heischen. Doch
keine Regel ohne Ausnahme: Bei der Flüchtlingskrise brauchte er
einigen Anlauf, bis er sich zu einer Meinung durchgerungen hatte.
Dann ging er auf deutliche Distanz zu Kanzlerin Angela Merkel, der er
immer noch Rechtsbeugung vorwirft. Das klingt verdächtig wie der
Versuch, das Reservoir jener Unzufriedenen abzuschöpfen, die nicht
gleich AfD wählen wollen. Das Wahlprogramm, das der Parteitag am
Wochenende beschlossen hat, ist das vorläufige Ende eines
Erneuerungsprozesses, den Lindner geschickt angestoßen hat. Im
Mittelpunkt stehen die Bürger und ihre Freiheit und nicht, wie bei
den Konkurrenten, ihre Beglückung mit immer neuen Gesetzen. Bildung
und Digitalisierung sind die zentralen Zukunftsthemen, die positiv
besetzt werden sollen. Steuersenkungen sind nicht gestrichen, aber
längst nicht mehr so zentral. Das kann der FDP nur guttun. 2009 war
Westerwelle als Tiger gesprungen und schnell als Merkels Bettvorleger
gelandet. Er konnte nicht liefern, was ihm letztlich das Genick
brach. Dieses Trauma wirkt nicht nur bei Lindner nach. Schon lange
versprechen die Umfragen der FDP, dass sein Weg der Erneuerung Erfolg
hat. Kein Wunder, dass sie schon als potenzieller Koalitionspartner
von Union und SPD umworben wird. Ob das der Partei und ihrem
Vorsitzenden gut täte, ist zu bezweifeln. Zu groß ist die Gefahr,
dass sie dafür erhebliche Kompromisse eingehen müssten und zentrale
Ziele nicht durchsetzen könnten. Wobei sich Lindner Gesprächen auch
nicht grundsätzlich verweigern kann, schon weil die FDP nicht für
Fundamentalopposition gewählt wird. Es bleibt spannend - vor und nach
der Wahl.
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