(ots) - Aus vielen kleinen Puzzlestücken lässt sich ein
Bild formen. Im Poker um das so genannte Euro-Clearing, also um die
Verrechnung von Zins- und Anleihekontrakten basierend auf Euro,
lassen sich erste Konturen ablesen. So ist es naheliegend, dass die
EU verhindern will, dass sich nach dem Brexit systemrelevantes
Geschäft mit Zinsswaps oder Kreditausfall-Versicherungen in London
aus EU-Sicht rechtlich gesehen verselbstständigt - geht es doch um
große Summen. Sollte etwas im Londoner Euro-Clearing schief laufen,
und wären Banken in der Eurozone stark getroffen, müssten
schlimmstenfalls Staaten der Eurozone sie stützen, während die Briten
fein raus wären. Soviel zur Befürchtung der einen Seite, ein nicht
völlig auszuschließendes Extremszenario.
Nach dem, was aus Brüssel dringt, werden Standortpflichten
erwogen. Zugleich wird darüber nachgedacht, dass die europäische
Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA direkte Durchgriffsrechte auf
Clearinghäuser bekommt, die im Euro-Clearing in London aktiv sind. Je
nach Ausgestaltung im Einzelnen - beides sind Wege mit Risiken und
dem Potenzial erheblicher und unerwünschter Nebeneffekte.
Fall eins wäre die Einführung der Standortpflicht. Hier ist die
Zersplitterung von Liquidität und Risikomanagement-Strukturen
vorgespurt. Möglich gar, dass Banken außerhalb der EU das
Euro-Clearing an der Themse übernehmen. EU-Marktteilnehmer hätten in
punkto Kosten und Wettbewerbssituation das Nachsehen. Fall zwei
wiederum - die Unterwerfung unter eine starke EU-Aufsicht - könnte
einen Rattenschwanz regulatorischer Vorgaben nach sich ziehen. Eine
Einigung nicht nur auf britischer Seite wäre damit erschwert. Und
wenn geklärt ist, welche Durchgriffsrechte eine so schlagkräftige
EU-Aufsicht in Großbritannien hat - wie verhält es sich mit
Durchgriffsrechten in anderen Drittstaaten wie den USA, der Schweiz?
Das bisherige Modell einer Äquivalenz der Aufsicht scheint ja
überholt zu sein.
Trotzdem: Der Durchgriff einer gestärkten EU-Aufsicht auf das
Londoner Euro-Clearing ist für die Briten zumutbar. Im
Dollar-Clearing ist London ebenfalls bedeutend, und außerhalb der USA
beanspruchen die US-Aufseher Vergleichbares, was die EU möchte. Damit
ließen sich bestehende Marktstrukturen erhalten. Jetzt muss Vorsorge
getroffen werden, dass den angedeuteten Problemen und Konflikten
vorgebeugt wird, die mit einer gestärkten EU-Aufsicht verbunden sein
könnten. Es ist höchste Zeit aufzuwachen, bevor diese Büchse der
Pandora geöffnet wird.
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