(ots) - Zerbombte Gebäude, blutüberströmte Menschen, Chaos
auf den Straßen - wie erleben Kinder und Jugendliche die Zunahme von
Terror, Amokläufen und anderen Krisen? Welche Spuren hinterlassen die
Bilder in den Medien? Wie können Heranwachsende bei der Einordnung
und Aufarbeitung solcher Inhalte begleitet und unterstützt werden?
Die ausgebuchte Fachtagung Jugendschutz und Nutzerkompetenz der BLM
gestern zeigte, dass diese Fragen viele Menschen bewegen. "Die Macht
der Bilder führt nicht selten zur Ohnmacht der Nutzer", sagte
Siegfried Schneider, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für
neue Medien (BLM), München, in seiner Begrüßung.
Und es sind nicht allein die Zuschauer, die sich überfordert
fühlen von der Gewalt und Unmittelbarkeit des Geschehens, wie
Moderator Dr. Stefan Leifert in einem persönlichen Statement
schilderte. Der ZDF-Korrespondent war beim Attentat auf den Brüsseler
Flughafen vor einem Jahr vor Ort: "Das Schlüsselerlebnis war für mich
der Moment, als 14 Leichenwagen hinter mir vorbeifuhren, während ich
vor der Kamera stand." Leiferts Credo zur Krisenberichterstattung:
"Journalismus sollte nicht schneller sein als er gut sein kann.
Sonst unterscheiden wir uns in nichts von dem, was im Netz passiert."
Doch der etablierte Journalismus steht unter Zeitdruck. Wie weit
gehen Medien im Kampf um Aufmerksamkeit und Quoten? Für Dr. Torsten
Rossmann, Geschäftsführer der WeltN24 GmbH, ist die Grenze da
erreicht, wo die Menschenwürde beginnt. Diese Grenze zu wahren, sei
in der Hektik des Geschehens nicht immer einfach: "Im Netz
kommunizieren die Leute viel schneller, als wir das können. Da sehe
ich den Zusammenhalt der Gesellschaft herausgefordert, wenn nicht
gefährdet."
Wie stark fordern Katastrophen das Medienhandeln heraus? Das ist
eine der Fragen, mit denen sich Prof. Dr. Alexander Filipovic von der
Hochschule für Philosophie in München beschäftigt: "Die Medien
liefern sich dem Drama des Momenthaften aus", erläuterte der
Medienethiker in seinem Vortrag. Nicht immer gehe das gut aus, als
Beispiel nannte er den Amoklauf in München im Juli 2016. Für
Filiopovic war das ein klarer Fall einer "Ãœberforderung der Menschen
mit der Echtzeitkommunikation."
Der Mann, der diese Echtzeitkommunikation zu koordinieren hatte,
war Marcus da Gloria Martins, Leiter der Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit am Polizeipräsidium München. Seine Arbeit
während des Amoklaufs stand im Konflikt mit dem Informationsfluss der
sozialen Netzwerke und der Messenger-Dienste: "Durch WhatsApp ist
eine Kaskade von Gerüchten entstanden", erklärte Martins. "Das hat zu
einem explosionsartigen Zuwachs an Notrufen geführt und zu 73
gemeldeten Phantom-Tatorten. Die Dramatisierung war teils bizarr."
Mediale Darstellungen realer Gewalt sind besonders für Kinder und
Jugendliche schwer zu ertragen. "Deshalb brauchen wir den
Jugendschutz, der ein Rechtsgut mit Verfassungsrang ist", erinnerte
Birgit Braml, Leiterin des Referats Grundsatzfragen Jugend- und
Nutzerschutz bei der BLM. Es gelte stets zwischen Jugendschutz und
Presse- und Meinungsfreiheit abzuwägen, so Sonja Schwendner,
BLM-Referatsleiterin für inhaltlichen Jugendschutz und Prävention.
Jeder Einzelfall müsse auf die Wirkung auf Heranwachsende hin geprüft
werden: " Es wird aber immer wieder problematische Bilder geben.
Wichtig ist es, die Kinder damit nicht allein zu lassen."
Was konkret können Eltern in solchen Momenten tun? "Kinder
reagieren sehr stark auf das Rezeptionsverhalten ihrer Eltern",
erklärte Prof. Dr. Frank Schwab von der
Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Der Medienpsychologe rät
dazu, Kindern vor allem zuzuhören: "Es gibt in der Forschung kaum
Belege, dass das Reden über schreckliche Nachrichteninhalte hilft."
Und wenn geredet wird, dann besser auf der Sachebene, ergänzte Dr.
Maya Götz. Die Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das
Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) in München sagte: "Was Kinder
brauchen, sind Fakten ohne zusätzliche Emotionalisierung. Das hilft
ihnen, die Dinge einzuordnen."
Und wie lässt sich Kindern und Jugendlichen Medienkompetenz
vermitteln? Bei einem Podiumsgespräch tauschten sich Lehrer, Eltern
und Medienpädagogen aus. "Eltern und Schulen sollten in Fragen der
Medienkompetenz kooperieren, zum Beispiel mit Blick auf die
Verifizierung von Quellen", meinte Schauspielerin Gesine Cukrowski.
Die dreifache Mutter outete sich als Fan des Programmratgebers für
Eltern, FLIMMO, dem größten gemeinsamen medienpädagogischen Projekt
der Landesmedienanstalten.
"Uns ist es wichtig, den Blick von Kindern ernst zu nehmen",
bestätigte Michael Gurt, verantwortlicher Redakteur des FLIMMO. Er
wünschte sich von den Medienhäusern mehr spezialisierte
Informationsformate für Kinder. Nach Ansicht von Helmut Friedl,
Studiendirektor am Sophie-Scholl-Gymnasium, gibt es keine
vorgefertigten Lösungen, wie man mit Kindern über Krisen spricht.
"Wichtig ist auf den individuellen Gesprächsbedarf einzugehen". "Wer
Kinder ernst nehme, müsse sich auch ernsthaft mit ihnen
auseinandersetzen, sagte Verena Weigand Bereichsleiterin
Medienkompetenz und Jugendschutz, BLM. "Kinder wollen genaue
Informationen. Bis hin zu der Frage, warum Menschen anderen Gewalt
antun. Mit solchen Fragen bringen sie uns an Grenzen. Es ist wichtig,
sich ihnen zu stellen."
Weitere Informationen und Fotos zur Veranstaltung finden Sie
unter: https://medienpuls-bayern.de/event/bilder-die-angst-machen
Pressekontakt:
Bettina Pregel
Stellv. Pressesprecherin
Tel. (089) 63808-318
bettina.pregel(at)blm.de
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