(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) appelliert an
Bundeskanzlerin Angela Merkel, bei ihrer Mexiko-Reise Ende dieser
Woche auf konkrete und schnelle Schritte für einen besseren Schutz
von Journalisten zu dringen. Insbesondere sollte Merkel die
mexikanische Regierung auffordern, die Sonderberichterstatter für
Meinungsfreiheit der Vereinten Nationen und der Organisation
Amerikanischer Staaten (OAS) einzuladen sowie die jüngsten
Gewalttaten gegen Journalisten schnell aufzuklären. Seit Jahresbeginn
sind in Mexiko schon sechs Journalisten ermordet worden.
"Mexikos Regierung darf nicht länger so tun, als hätte das
erschreckende Ausmaß der Gewalt gegen Journalisten nichts mit ihr zu
tun", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Verbale Verurteilung
und wohlklingende Ankündigungen reichen nicht aus. Mexiko muss jetzt
schnell handeln, um endlich deutliche Signale gegen die Kultur der
Straflosigkeit zu setzen, durch die sich die Täter zu immer neuen
Verbrechen gegen Journalisten ermutigt fühlen."
Erst nach dem sechsten Journalistenmord in diesem Jahr und nach
Protesten in mehreren Städten sah sich Mexikos Präsident Enrique Peña
Nieto veranlasst, die Taten zu verurteilen und Gegenmaßnahmen
anzukündigen. Bei einem Treffen mit den Gouverneuren der
mexikanischen Bundesstaaten kündigte er Mitte Mai an, das
Bundesprogramm zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern und
Journalisten sowie die Sonderstaatsanwaltschaft für Verbrechen gegen
die Meinungsfreiheit zu stärken. Außerdem solle ein nationales
Protokoll erarbeitet werden, um das Vorgehen der Behörden bei
Gewalttaten gegen Journalisten und die Hilfe für die Hinterbliebenen
zu vereinheitlichen (http://ogy.de/nr0o).
Der UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit, David Kaye,
und sein OAS-Kollege Edison Lanza haben zuletzt im April ihre Bitte
um einen offiziellen Besuch in Mexiko erneuert, bei dem sie die
zunehmende Zahl von Gewaltverbrechen gegen Journalisten untersuchen
wollen (http://ogy.de/z639). Eine Antwort der mexikanischen Regierung
haben sie bislang nicht erhalten.
Mindestens 27 Journalisten sind in Mexiko in direktem Zusammenhang
mit ihrer Arbeit ermordet worden, seit Präsident Peña Nieto Ende 2012
ins Amt kam. Seit 2013 ist diese Zahl jedes Jahr gestiegen. Allein
2016 wurden zehn Journalisten wegen ihrer Arbeit ermordet. Auch bei
vier der Mordfälle in diesem Jahr ist ein Zusammenhang mit der
Tätigkeit der Opfer eindeutig. Damit gehört Mexiko zusammen mit
Kriegsländern wie Syrien und Afghanistan zu den gefährlichsten
Ländern weltweit für Journalisten (http://ogy.de/9lfx). Die Täter
werden jedoch fast nie verurteilt: Seit dem Jahr 2010 sind bei der
Sonderstaatsanwaltschaft 798 Anzeigen über schwere Gewalttaten gegen
Journalisten eingegangen, darunter 47 wegen Morden. Nur in drei
Fällen wurden die Täter verurteilt und bestraft.
KAUM ERMITTLUNGSFORTSCHRITTE ZUM MORD AN MIROSLAVA BREACH
Zuletzt wurde am 15. Mai im Bundestaat Sinaloa der renommierte
Journalist Javier Valdez ermordet. Der 50-Jährige hatte sich als
Experte für Drogenkriminalität international einen Namen gemacht
(http://ogy.de/xsyf). Er berichtete mehr als zehn Jahre lang für die
Nachrichtenagentur AFP und schrieb zuletzt für die überregionale
Zeitung La Jornada sowie für die Wochenzeitung RÃo Doce
(http://ogy.de/1vtn). Zuletzt recherchierte er über Konflikte
innerhalb des mächtigen Sinaloa-Kartells.
Im Fall der am 23. März in Chihuahua ermordeten Miroslava Breach
erklärten die örtlichen Behörden schon vor Wochen, sie hätten sowohl
zwei der mutmaßlichen Täter als auch die Hintermänner identifiziert
(http://ogy.de/cpix; http://ogy.de/9yg3). Dennoch hat es bisher
keinen einzigen Haftbefehl gegeben. Zwei Monate nach der Tat
forderten deshalb ROG und fünf weitere Organisationen die
Generalstaatsanwaltschaften des Bundes und des Staates Sinaloa auf zu
garantieren, dass die Verantwortlichen vor Gericht gebracht werden
(http://ogy.de/1xlx). Breach hatte für die Zeitungen Norte de Juárez
und La Jornada über organisiertes Verbrechen und Korruption berichtet
(http://ogy.de/bs3t).
ÜBERFÄLLE, MORDANSCHLÄGE, ENTFÜHRUNGEN
Auch jenseits der Mordfälle sind Journalisten in Mexiko ständiger
Gewalt ausgesetzt. Vergangenen Samstag überlebte in Guerrero die
Radiojournalistin Marcela de Jesus Natalia schwer verletzt einen
Anschlag, bei dem ihr Unbekannte in den Kopf schossen. Die 54-Jährige
arbeitet beim staatlichen Sender Radio y Television de Guerrero für
das Programm in der indigenen Sprache Amuzgo (http://ogy.de/x7ci). Am
13. Mai überfielen ebenfalls in Guerrero rund 100 Bewaffnete eine
Gruppe von sieben Journalisten. Sie drohten, die Journalisten zu
töten, und raubten ihnen Computer, Kameras, Handys und Bargeld
(http://ogy.de/u7lx).
Nach wie vor fehlt jede Spur von dem Fernsehjournalisten Salvador
Adame Pardo, der am 18. Mai in Michoacán entführt wurde. Der Direktor
und Moderator des lokalen Senders Canal 6 Media TV ist für seine
Kritik an den Behörden bekannt und hat trotz Drohungen und Druck der
örtlichen Verbrecherkartelle seit Jahren über Gewalt und organisierte
Kriminalität berichtet. Adame ist der fünfte Journalist seit 2006,
der in Michoacán verschwunden ist (http://ogy.de/2e5m).
HILFSANGEBOTE VON AUSSENMINISTER GABRIEL
Trotz der desolaten Situation zeigen die mexikanischen Behörden
auf nationaler wie auch auf regionaler und lokaler Ebene kaum
Interesse am Schutz der Medien. Zum Klima der Straflosigkeit tragen
auch eine korrupte Justiz sowie die Verstrickungen von Politikern und
Behördenvertretern in das organisierte Verbrechen bei. In Veracruz
etwa galten die Drogenkartelle lange als "bewaffneter Arm der
Politiker". In vielen Fällen gehen Drohungen und Angriffe auf
Journalisten auch von Polizisten aus. Die bestehenden staatlichen
Programme zum Schutz von Journalisten funktionieren kaum und sind
schlecht ausgestattet.
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hatte der mexikanischen
Regierung bei einem Besuch Mitte Mai Hilfe bei der Bekämpfung der
Gewalt gegen Journalisten angeboten. Konkret kündigte er an, die
rechtsstaatliche Zusammenarbeit zu vertiefen, Austauschprogramme für
Journalisten zu erweitern und Angehörige ermordeter Journalisten
finanziell zu unterstützen (http://ogy.de/pde3).
Um dem in vielen Ländern stagnierenden Kampf gegen Straflosigkeit
für Gewaltverbrechen an Journalisten neue Impulse zu geben, setzt
sich Reporter ohne Grenzen derzeit intensiv für die Einsetzung eines
UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten ein. Er sollte
direkt dem UN-Generalsekretär unterstehen und die Befugnis zu
eigenständigen Untersuchungen haben, wenn Staaten nach Gewalttaten
gegen Journalisten nicht ermitteln (http://t1p.de/gd94).
Mexiko steht auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit auf
Platz 147 von 180 Ländern. Weitere Informationen über die Lage der
Medienschaffenden dort finden Sie unter
www.reporter-ohne-grenzen.de/mexiko, einen ausführlichen ROG-Bericht
zur Gewalt gegen Journalisten im besonders betroffenen Bundestaat
Veracruz unter http://ogy.de/4xsb. Mehr zum Kampf gegen
Straflosigkeit finden Sie unter
www.reporter-ohne-grenzen.de/themen/straflosigkeit.
Pressekontakt:
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