(ots) - Der Schaden durch Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte
ist für den Staat weitaus größer als bisher bekannt. Das ergeben
Berechnungen der Universität Mannheim für das NDR-Magazin "Panorama"
(Das Erste), die Wochenzeitung "Die Zeit" und "Zeit Online".
Durch solche Aktiengeschäfte rund um den Dividendenstichtag
(sogenannte Cum-Cum und Cum-Ex-Geschäfte), deren einziger Zweck die
Erzielung von Steuervorteilen war, sind dem Staat nach einer
Berechnung der Universität Mannheim seit 2001 mindestens 31,8
Milliarden Euro entgangen. Der Finanzwissenschaftler Professor
Christoph Spengel, der auch als Sachverständiger für den
Cum-Ex-Untersuchungsausschuss des Bundestags tätig war, hat dazu für
"Panorama", "Die Zeit" und "Zeit Online" historische Marktdaten
ausgewertet. Bei beiden Geschäften geht es im Kern darum, sich
Kapitalertragsteuer erstatten zu lassen, die einem eigentlich nicht
zusteht. "Es ist der größte Steuerskandal in der Geschichte der
Bundesrepublik", sagt Spengel.
Bei Cum-Cum-Geschäften hilft eine inländische Bank einem
ausländischen Investor dabei, eine Steuerrückzahlung zu ergattern,
auf die dieser keinen Anspruch hat. Der Gewinn wird aufgeteilt. Durch
Cum-Cum Geschäfte sind dem Staat nach der Berechnung Spengels seit
2001 mindestens 24,6 Milliarden Euro entgangen, rund 1,5 Milliarden
Euro pro Jahr. Cum-Ex-Geschäfte sind damit verwandt, aber weitaus
komplizierter. Sie laufen darauf hinaus, dass eine Steuer einmal
abgeführt und mehrfach - in der Praxis offenbar bis zu zehn Mal - vom
Fiskus zurückgefordert wird. Zwischen 2005 und 2012, als diese
Geschäfte unterbunden wurden, entstand den Berechnungen zufolge durch
Cum-Ex ein Schaden von mindestens 7,2 Milliarden Euro, also von
durchschnittlich gut einer Milliarde Euro pro Jahr. "Der Schaden
durch Cum-Ex-Geschäfte dürfte insgesamt noch höher liegen, da sie
auch schon vor 2005 getätigt wurden", so Spengel.
Das bestätigt auch der frühere Börsenaufseher und hessische
Staatskommissar August Schäfer gegenüber "Panorama", "Die Zeit" und
"Zeit Online". Schäfer hatte bereits 1992 in einem geheimen Bericht
auf die Praktiken aufmerksam gemacht. Er beschreibt darin vor allem
Cum-Cum-Geschäfte, warnt aber auch, dass diese so angepasst werden
können, dass es zur "Produktion von doppelten Steuerbescheinigungen"
komme. Diese Variante bezeichnet man heute als Cum-Ex. Zusammen, so
Schäfer, seien es bereits damals "weit mehr als 500 Millionen D-Mark
pro Jahr" gewesen. Über den Bericht, sagt Schäfer, wurde auch der
damalige hessische Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) informiert.
Eichel kann sich auf Nachfrage nicht an den Bericht erinnern. Auch
als Bundesfinanzminister habe er von Cum-Cum oder Cum-Ex nichts
erfahren. 1998 wurde er Bundesfinanzminister unter Gerhard Schröder.
Unterbunden wurden die Cum-Ex-Geschäfte erst 2012, die
Cum-Cum-Geschäfte 2016.
Berechnungsmethode:
Für die Berechnung des Cum-Cum-Schadens hat Finanzwissenschaftler
Spengel die Dividendenzahlungen addiert, die von 2001 bis 2016 von
deutschen Unternehmen an ausländische Investoren geleistet wurden.
Legt man einen Kapitalertragssteuersatz von 15 Prozent zugrunde und
nimmt an, dass jeder zweite Anleger im Ausland die Cum-Cum-Methode
genutzt hat, ergibt sich der Betrag von 24,6 Milliarden Euro. Spengel
hält die Annahme noch für vorsichtig. "Der überwiegende Teil der
ausländischen Anleger sind institutionelle Anleger, also Banken und
Fonds. Sie wären schlecht beraten gewesen, die Methode nicht
anzuwenden." Den Schaden durch Cum-Ex-Geschäfte von 7,2 Milliarden
Euro schätzt Spengel auf Basis von Daten des Wertpapier-Abwicklers
Clearstream. Sie reichen bis 2005 zurück.
Zum Vergleich:
Die Schadenssumme von 31,8 Mrd. Euro beträgt deutlich mehr, als
die Bundesregierung im vergangenen Jahr für die Bewältigung der
Flüchtlingskrise ausgegeben hat, und mehr als dreimal so viel, wie
dem Bundesfamilienministerium als Etat zur Verfügung steht.
Theoretisch hätte der Staat mit dem Geld eine 1200 Kilometer lange
Autobahn oder 36 Elbphilharmonien bauen können.
"Panorama": Donnerstag, 8. Juni, 22.00 Uhr, Das Erste
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