PresseKat - ARD-Politmagazine: "Blood and Honour"-Chef arbeitete offenbar wesentlich früher mit dem V

ARD-Politmagazine: "Blood and Honour"-Chef arbeitete offenbar wesentlich früher mit dem Verfassungsschutz zusammen

ID: 1499480

(ots) - Nach der Enttarnung des ehemaligen
Deutschlandchefs der verbotenen Neonaziorganisation "Blood and
Honour" als V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz weisen
neuere Recherchen der ARD-Magazine "FAKT" (MDR) und "REPORT MAINZ"
(SWR) darauf hin, dass der Anwerbevorgang von Stephan L. offenbar
bereits im Jahre 1997 begonnen hat und damit wesentlich früher als
bisher bekannt. Das bestätigen mehrere mit dem Vorgang vertraute
Personen den ARD-Politmagazinen.

Von 1997 bis 2000 war Stephan L. als Deutschlandchef maßgeblich am
Aufbau und der Steuerung bundesweiter Strukturen von "Blood and
Honour" beteiligt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte in
geheimer Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums angegeben,
mit "NIAS" sei von 2002 bis 2010 zusammen gearbeitet worden.

Antonia von der Behrens, Anwältin der Nebenklage im NSU-Prozess:
"Wenn es tatsächlich zutreffend ist, dass Stephan L. schon ab 1997 an
das Bundesamt für Verfassungsschutz gemeldet hat, dann ist sehr
wahrscheinlich, dass er auch über Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt
berichtet hat. Man muss davon ausgehen, dass er die ab 1997 gekannt
hat. Er hatte ganz enge Kontakte in dieser Zeit zur sächsischen
Sektion von 'Blood and Honour'."

Bis heute war lediglich bekannt, dass der V-Mann den Decknamen
"NIAS" trug und von 2002 bis 2010 für das BfV tätig gewesen sein
soll. Seine Aufgabe sei es gewesen, das 2001 wirksam gewordene Verbot
von "Blood and Honour" zu überwachen. Laut Angaben des Bundesamtes
für Verfassungsschutz in geheimer Sitzung habe "NIAS" keine
Informationen zum NSU geliefert, seine Berichte seien aber ergiebig
und relevant gewesen.

Als Deutschlandchef war Stephan L. unter anderem am Aufbau der
"Blood and Honour" Sektion in Sachsen beteiligt. Er setzte seinen
Freund Jan W. persönlich als Chef der Sektion ein. Jan W. wiederum




war zu jener Zeit einer der wichtigsten Unterstützer des
untergetauchten Trios. Er half ihnen bei der Beschaffung von Geld,
Wohnungen und Ausweisen. Die persönlichen Kontakte zwischen dem
V-Mann "NIAS" und Jan W. waren in dieser Zeit eng.

Recherchen von "FAKT" und "REPORT MAINZ" ergeben zudem, dass der
V-Mann dem BfV über Gespräche mit dem Sektionschef von "Blood and
Honour" Sachsen, Jan W., berichtet hat.

Uli Grötsch, SPD Bundestagsabgeordneter und Obmann der SPD im
NSU-Untersuchungsausschuss: "Dass es bei Blood and Honour einen sehr
hochrangigen V-Mann gegeben hat, bestätigt eigentlich nur das Bild,
das wir schon über all die Jahre bekommen haben, nämlich das Bild,
dass der Verfassungsschutz ganz nah am untergetauchten NSU-Kerntrio
offenbar V-Leute hatte."

Stephan L. hat sich in der Zeit vor seiner offiziellen
Verpflichtung 2002 als besonders vertrauenswürdige Quelle erwiesen
und wurde bei Vertragsabschluss mit dem BfV in die hohe Gruppe "C"
eingestuft.

Martina Renner, Mitglied für die LINKE im Innenausschuss des
Bundestages sagte den ARD-Magazinen: "Wenn 'NIAS' als C-Quelle seinen
Vertrag mit dem BfV unterschrieben hat, dann war er zu dem Zeitpunkt
tatsächlich eine wichtige Quelle für das Bundesamt für
Verfassungsschutz und hat in der Erprobungsphase eben auch den
Nachweis erbracht, dass er entsprechend hoch auch eingruppiert werden
kann."

Das Bundesamt für Verfassungsschutz teilte schriftlich mit, die
Fragen betreffen "den operativen Kernbereich der Arbeit des
Bundesverfassungsschutzes. Daher kann das BfV keine Auskünfte
erteilen, die Rückschlüsse zulassen, ob es eine VP mit einem
bestimmten Namen gegeben hat oder nicht. Dies gilt sowohl für den
Fall einer Zusammenarbeit des BfV mit einer Person als auch für den
Fall einer nicht erfolgten Zusammenarbeit."

"Blood and Honour" ist seit dem Jahr 2001 als Organisation in
Deutschland verboten. Deutsche Nachrichtendienste gehen inzwischen
aber davon aus, dass sich die verbotene Organisation zumindest in
Teilen der Bundesrepublik neu aufbaut.

Mehr dazu in "FAKT", 13. Juni, 21.45 Uhr, im ERSTEN.

Der Text ist bei exakter Quellenangabe "FAKT" ab sofort zur
Veröffentlichung freigegeben.



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Datum: 13.06.2017 - 16:04 Uhr
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