(ots) - Dass Chefs oft eine ganz andere Wahrnehmung der bei
ihnen herrschenden Arbeitsbedingungen haben als ihre Angestellten,
wissen Sie sicher aus eigener Erfahrung. Dass HR-Abteilungen oft
völlig andere Ansichten darüber haben, welche Qualifikationen für
Stellen im Unternehmen zentral sind, als die Menschen, die in der
betreffenden Abteilung arbeiten, mussten Sie wahrscheinlich auch
schon erfahren. Doch wie unendlich weit Unternehmensleitung und
Personalabteilung von den tatsächlichen Bedürfnissen der Angestellten
entfernt sind, belegt nun die weltweit durchgeführte Global Talent
Trends Study 2017*: 34 Prozent aller Arbeitnehmer - wohlgemerkt,
weltweit! - planen, ihre aktuelle Stelle in den nächsten zwölf
Monaten aufzugeben, 23 Prozent wegen mangelnder langfristiger
Karrierechancen im Unternehmen, 11 Prozent wegen besserer Optionen
auf dem Arbeitsmarkt. 3 Prozent der 7500 Befragten sind völlig
unzufrieden mit ihrem derzeitigen Job.
Wandel bringt Würze, und ein bisschen Schwund ist immer? So
einfach ist es nicht. Die Studie offenbart gravierende Schieflagen
auf dem Arbeitsmarkt. So gibt zum Beispiel mehr als die Hälfte der
befragten Arbeitnehmer an, in der Vergangenheit um flexible
Arbeitsbedingungen gebeten zu haben, diese seien aber nicht gewährt
worden. Jeder zweite Mitarbeiter hat Bedenken, dass sich Teilzeit-
oder Home-Office-Arbeit negativ auf seine Karriere auswirken könnte;
dabei sind fast zwei Drittel (77 Prozent) der Vollzeitbeschäftigten
an alternativen Anstellungsverhältnissen interessiert. Im Gegensatz
dazu glauben weder Geschäftsführer noch HR-Manager, dass alternative
Arbeitsverhältnisse in den nächsten beiden Jahren für ihre
Geschäftstätigkeit relevant sein werden.
93 Prozent der Unternehmen planen laut der Studie, ihre
Organisation in den nächsten zwei Jahren signifikant zu verändern.
Gleichzeitig sagen aber nur 4 Prozent der leitenden Manager, dass
ihre Organisation diese Veränderungsprozesse systematisch
vorantreibt. HR-Leiter in Deutschland beispielsweise haben die Themen
«Organisation» und «Anpassung von Rollenprofilen» nicht auf ihrer
Prioritätenliste 2017. Weniger als die Hälfte der Befragten meint,
dass ihr Unternehmen ihre individuellen Interessen und Fähigkeiten
kennt, 53 Prozent wünschen sich das aber.
Was sagen uns diese Ergebnisse? Was wir längst spürten: Dass sich
die Arbeitswelt gravierend verändert und sich Unternehmen von den
Veränderungen überrollen lassen, statt mit ihnen zu arbeiten. Das
kennen wir von der Digitalisierung: Wir verweigern uns so lange, bis
es kracht.
Aber, liebe Herrschaften, Veränderungsprozesse laufen Ihretwegen
nicht langsamer. Digitalisierung, Robotik und künstliche Intelligenz
stellen traditionelle Geschäftsmodelle infrage; so übernehmen zum
Beispiel Schreibroboter in manchen Redaktionen bereits die Produktion
von Nachrichten. Werden Journalisten dadurch überflüssig? Ganz im
Gegenteil.
Das Kapital jedes Unternehmens bleiben auch im 21. Jahrhundert
gute Mitarbeiter, die mitdenken und mitfiebern. Sie gilt es zu
fördern und zu motivieren, statt sie durch Grenzen, «Geht-Nichs» und
Achselzucken, durch Micromanagement, Administration und
Kostenstellendenken zu vertreiben. Scheitern wird, wer nicht
begreift, dass es nicht höhere Margen und knappere Budgets sind, die
Unternehmen Wachstum bringen; sondern dass es die (menschlichen)
Mitarbeiter sind, die die höheren Margen erarbeiten und Neugeschäft
kreieren. Weil sie fähig sind, über Erlerntes, über Programmiertes
hinauszudenken.
Arbeitswelten und Talente wandeln sich rasend schnell.
Unternehmen, die starr bleiben, werden zerbrechen.
Anne-Friederike Heinrich, Chefredaktorin Werbewoche Editorial der
heute erschienenen Werbewoche 11/2017.
*Die Studie basiert auf Antworten von mehr als 1700
HR-Verantwortlichen, 5400 Angestellten und 400 Managern aus 15
Ländern und 20 Branchen. Bit.ly/Arbeitszufriedenheit
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